Tz. 60

Alle Gesellschafter des Tochterunternehmens müssen der Befreiung für das jeweilige Geschäftsjahr zugestimmt haben. Dazu bedarf es eines Gesellschafterbeschlusses. Damit ist eine Zustimmung durch eine Satzungsklausel oder eine durch Satzung antizipierte Zustimmungserklärung ausgeschlossen.[104] Bei Stimmbindungsverträgen gilt: Ist das ausgleichspflichtige Unternehmen oder ein solches, über das es mittelbar die Beteiligung an der Gesellschaft hält, nicht am Stimmbindungsvertrag beteiligt, können die verbundenen Gesellschafter durch Mehrheitsentscheidung untereinander eine einheitliche Stimmabgabe beschließen. Dadurch werden die Rechte der Minderheitsgesellschafter, die am ehesten auf einen geprüften Jahresabschluss gem. den §§ 264 ff. HGB angewiesen sind, nicht beeinträchtigt.

 

Tz. 61

Die Gesellschafter können eingeschränkt von § 264 Abs. 3 HGB Gebrauch machen, d. h. sie können sich auf den Verzicht lediglich der Offenlegung oder der Abschlussprüfung einigen.[105] Es ist jedoch nicht möglich, nur eingeschränkt von einem bestimmten Unterabschnitt Gebrauch zu machen.[106]

 

BEISPIEL

Die G-GmbH ist durch einen Unternehmensvertrag mit der A-AG verbunden. Einer der Minderheitsgesellschafter ist W mit einem Anteil von mehr als 20 %. Die Gesellschafter sind sich einig, dass der JA den §§ 264 ff. HGB entsprechen und außerdem offengelegt werden soll. Sie wollen aber, dass W, der eine Wirtschaftsprüferpraxis betreibt, den JA prüft und testiert. Das ist gem. § 319 Abs. 3 Nr. 1 HGB ausgeschlossen. Die Gesellschafter können nur vollständig und nicht partiell auf einen Unterabschnitt verzichten (z. B. auf die Prüfung). Wird trotz § 264 Abs. 3 HGB geprüft, ist § 319 HGB zu beachten und W als Gesellschafter kann nicht Abschlussprüfer sein.[107]

 

Tz. 62

Das Beschlussverfahren bleibt den Gesellschaftern überlassen. Wenn man eine Satzungsklausel oder antizipierte Erklärung in der Satzung für § 264 Abs. 3 Nr. 1 HGB nicht genügen lässt, kann auch keine unterjährige Erklärung erteilt werden. Mit Blick auf das gesamte Geschäftsjahr können die Gesellschafter erst am Ende bzw. nach dem Ende des Geschäftsjahres über die Befreiung entscheiden. Andererseits müssen die gesetzlichen Vertreter rechtzeitig Bescheid wissen, inwieweit sie vom zweiten Abschnitt des dritten HGB-Buches Gebrauch machen müssen. Zu beachten ist außerdem, dass alle Gesellschafter zustimmen müssen, sodass Enthaltung und fehlende Stimmabgabe als "nein" zu werten ist,[108] sodass § 264 Abs. 3 HGB nicht angewendet werden kann. Zu einer pragmatischen Lösung gelangt man auf die Weise, dass grundsätzlich jederzeit während des Geschäftsjahres eine Erklärung abgegeben werden kann, die widerruflich ist. Der Widerruf muss bis zum Ende des Geschäftsjahres möglich sein. Nicht gefolgt werden kann daher der h. M., die eine unterjährige Zustimmung für unwiderruflich hält und nur die Ablehnung für änderbar.[109] Eine Zustimmung ist jederzeit nach Ende des Geschäftsjahres noch möglich, weil die Gesellschaft dadurch allenfalls entlastet wird. Diese Lösung hat die folgenden Vorteile: Alle Gesellschafter müssen sich bei erstmaliger Erklärung Gedanken machen, ob sie eine Befreiung wollen (keine antizipierte Erklärung in der Satzung); eine Abgabe rechtzeitig ist möglich, sodass einem Vergessen zum Jahresende vorgebeugt werden kann; ein Widerruf kommt aber in Betracht, wenn gegen Ende des Geschäftsjahres ein Gesellschafter doch erhöhtes Interesse an einem Jahresabschluss gem. den §§ 264 ff. HGB hat.

 

Tz. 63

Bei einem unterjährigen Gesellschafterwechsel kann entgegen der h. M. jederzeit der einstige Zustimmungsbeschluss widerrufen bzw. trotz einstiger Verweigerung zugestimmt werden.[110] Werden bei einer Kapitalerhöhung neue Gesellschafter aufgenommen, müssen diese ihre Zustimmung gem. § 264 Abs. 3 HGB erteilen. Das soll nach h. M. nicht gelten bei Kapitalerhöhung nach Ende des Geschäftsjahres, aber vor Ergebnisfeststellung.[111] Muss wegen Nichtigkeit nachträglich noch einmal ein Jahresabschluss aufgestellt werden, kommt es für § 264 Abs. 3 Nr. 1 HGB auf die aktuellen Gesellschafter an.

 

Tz. 64

Der Zustimmungsbeschluss muss gem. § 325 Abs. 1 Satz 1 HGB beim Betreiber des Bundesanzeigers elektronisch eingereicht und gem. § 325 Abs. 2 HGB bekanntgemacht werden. Verantwortlich sind die gesetzlichen Vertreter der Kapitalgesellschaft. Weil der Zustimmungsbeschluss anstatt des Jahresabschlusses eingereicht und bekannt gemacht wird, kann die Frist von 12 Monaten des § 325 Abs. 1 Satz 2 HGB ausgeschöpft werden.

[104] Dörner/Wirth, DB 1998, 1525 (1528); Graf/Bisle, in: MüKo-BilR, § 264 HGB Rn. 117; Hüttemann/Meyer, in: GroßKo-HGB, § 264 HGB Rn. 79; Kraft, Die Mitwirkung der Gesellschafter bei der Befreiung nach § 264 Abs. 3 HGB, in: Hommelhoff/Zätzsch/Erle (Hrsg.), Gesellschaftsrecht, Rechnungslegung, Steuerrecht: Festschrift für Dr. Welf Müller, München 2001, 463 (472).
[105] I.Erg. ähnlich Graf/Bisle, in: MüKo-BilR, § 264 HGB Rn. 115.
[106] Unklar Förschle/Deubert, in: BeckBilKo, § 264 HGB Rn. 105 f.
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