aa) Grundsatz
Tz. 180
Kleine Kapitalgesellschaften dürfen zwei der drei Merkmale nicht überschreiten:
- Bilanzsumme von 6.000.000 EUR
- Umsatzerlöse von 12.000.000 EUR
- Durchschnittliche Arbeitnehmerzahl von 50
Im Ergebnis darf somit nur eines dieser Merkmale überschritten werden, um eine Gesellschaft als kleine einzuordnen. Eine kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft i. S. d. § 264d HGB kann niemals eine kleine Kapitalgesellschaft sein; sie ist immer eine große (§ 267 Abs. 3 Satz 2 HGB).
Tz. 181
Mittelgroße Kapitalgesellschaften überschreiten mindestens zwei der Kriterien, die für kleine Kapitalgesellschaften gelten. Zugleich dürfen sie aber nicht mehr als eines der folgenden Kriterien überschreiten:
- Bilanzsumme von 20.000.000 EUR
- Umsatzerlöse von 40.000.000 EUR
- Durchschnittliche Arbeitnehmerzahl von 250
Im Ergebnis darf somit nur eines dieser Merkmale überschritten werden, um eine Gesellschaft als mittelgroße einzuordnen. Eine kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft i. S. d. § 264d HGB kann niemals eine mittelgroße Kapitalgesellschaft sein; sie ist immer eine große (§ 267 Abs. 3 Satz 2 HGB).
Tz. 182
Große Kapitalgesellschaften überschreiten mindestens zwei der bei den mittelgroßen Gesellschaften genannten Kriterien. Kapitalmarktorientierte Gesellschaften i. S. d. § 264d HGB sind immer große Kapitalgesellschaften.
Tz. 183
Wird nur ein Schwellenwert überschritten, ist die größere Kapitalgesellschaftsform nicht erreicht, auch wenn dieses Merkmal exorbitant überschritten wird. Werden hingegen zwei Schwellenwerte nur geringfügig überschritten, ist die größere Kapitalgesellschaftsform erreicht. Das genaue Erreichen eines Schwellenwertes führt noch nicht zum Überschreiten.[281]
BEISPIEL
Verwaltet eine AG ein Immobilienvermögen mit Buchwerten von 45 Mio. EUR und Verkehrswerten von 100 Mio. EUR, erzielt sie ggf. Umsatzerlöse aus Vermietung und Verpachtung (vgl. § 277 Abs. 1 HGB) in Höhe von etwa 5 Mio. EUR und benötigt dafür nur wenige kaufmännische und technische Mitarbeiter. Trotz der hohen Bilanzsumme bleibt es bei der Einordnung als kleine Kapitalgesellschaft.
Tz. 184
Kardinalproblem bei der Einteilung der Größenklassen ist die Einordnung als kleine Kapitalgesellschaft, wenn von der Abschlussprüfung abgesehen werden soll (vgl. § 316 Abs. 1 Satz 1 HGB). Eine fehlerhafte Einordnung führt zu einem der seltenen Fälle unheilbarer Nichtigkeit des Jahresabschlusses. § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG ist eine der wenigen Fehlervorschriften, die nicht in der Heilungsvorschrift des § 256 Abs. 6 AktG genannt sind. So ist insbesondere Vorsicht geboten, wenn die Bilanzsumme nahe dem Schwellenwert von § 267 Abs. 1 Nr. 1 HGB ist; ggf. müssen Vermögensgegenstände zugerechnet werden oder selbst geschaffene Immaterialgüter müssen mit Blick auf den Stetigkeitsgrundsatz weiterhin angesetzt werden. Auch bei den Umsatzerlösen muss präzise darauf geachtet werden, dass alle betriebstypischen Leistungen einbezogen werden. Wird die (vermeintlich) kleine Kapitalgesellschaft einer freiwilligen Abschlussprüfung unterworfen, steht diese einer gesetzlichen Prüfung gleich, wenn die Mindestanforderungen an die gesetzliche Abschlussprüfung beachtet worden sind.[282] Stellt sich später heraus, dass die Schwellenwerte unzutreffend ermittelt worden sind und doch eine mittelgroße Kapitalgesellschaft vorgelegen hat, ist der Jahresabschluss zumindest nicht deswegen nichtig.[283]
bb) Besonderheiten für kleine Kapitalgesellschaften
Tz. 185
Das Bilanzrecht ist auf große Kapitalgesellschaften ausgerichtet. Für kleine Kapitalgesellschaften sind Befreiungen und Erleichterungen vorgesehen. Da sind:
- § 264 Abs. 1 Satz 4 HGB: Der Lagebericht muss nicht aufgestellt werden; Verlängerung der Aufstellungsfrist auf 6 Monate, soweit dies ordnungsgemäßem Geschäftsgang entspricht.
- § 266 Abs. 1 Satz 3 HGB: Entbehrlichkeit der arabischen Zahlen aus dem Gliederungsschema von § 266 Abs. 2 und Abs. 3 HGB.
- § 274a HGB: Befreiung von der Aufstellung eines Anlagengitters (§ 268 Abs. 2 HGB); Befreiung von der Pflicht zur Erläuterung künftig entstehender Forderungen und künftig entstehender Verbindlichkeiten größeren Umfangs (§ 268 Abs. 4 Satz 2; § 268 Abs. 5 Satz 3 HGB); Befreiung von der gesonderten Ausweis- und Erläuterungspflicht eines aktivischen RAP bei § 250 Abs. 3 HGB; Befreiung von der Abgrenzung latenter Steuern (§ 274 HGB).
- § 276 Satz 1 HGB: Zusammenfassung von § 275 Abs. 2 Nr. 1–5 bzw. Abs. 3 Nr. 1–3 und Nr. 6 HGB zum Posten "Rohergebnis".
- § 276 Satz 2 HGB: Befreiung von der Pflicht, außerordentliche Erträge bzw. Aufwendungen und solche, die einem anderen Geschäftsjahr zuzuordnen sind, zu erläutern (§ 277 Abs. 4 Satz 2, Satz 3 HGB).
- § 288 Abs. 1 HGB: Entbehrlichkeit vieler Angabepflichten im Anhang (§ 284 Abs. 2 Nr. 4, § 285 Nr. 2–8a, Nr. 9a, 9b, Nr. 12, 17, 19, 21, 22, 29 HGB).
- § 316 Abs. 1 Satz 1 HGB: Keine Pflicht zur Abschlussprüfung.
- § 326 Abs. 1 HGB: Offenlegung ausschließl...
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