I. § 264a HGB

 

Tz. 91

 

§ 264a Anwendung auf bestimmte offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften

(1) Die Vorschriften des Ersten bis Fünften Unterabschnitts des Zweiten Abschnitts sind auch anzuwenden auf offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften, bei denen nicht wenigstens ein persönlich haftender Gesellschafter

  1. eine natürliche Person oder
  2. eine offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder andere Personengesellschaft mit einer natürlichen Person als persönlich haftendem Gesellschafter

ist oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.

(2) In den Vorschriften dieses Abschnitts gelten als gesetzliche Vertreter einer offenen Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft nach Absatz 1 die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der vertretungsberechtigten Gesellschaften.

1. Einleitung

a) Überblick

 

Tz. 92

§ 264a HGB ergänzt § 264 HGB. Die Vorschrift ordnet die Anwendung der Sonderregeln für die Kapitalgesellschaften auch für Personengesellschaften an, bei denen kein persönlich unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. Dadurch soll eine Gleichstellung aller Gesellschaften erreicht werden, bei denen keine natürliche Person den Gläubigern persönlich unbeschränkt haftet.

b) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 93

Personengesellschaften ohne eine natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter wurden in der vierten Richtlinie nicht den Kapitalgesellschaften gleichgestellt. Auch die Umsetzung der Richtlinie durch das BilRiLiG berücksichtigte derartige Personengesellschaften nicht gesondert. Dadurch brauchten derartige Personengesellschaften nicht nur die besonderen Aufstellungspflichten für Kapitalgesellschaften nicht zu beachten; sie waren auch von Prüfungs- und Offenlegungspflichten befreit. Die GmbH & Co. Richtlinie aus dem Jahr 1990 regelte das Problem; sie wurde erst nach Verurteilung der Bundesrepublik in einem Vertragsverletzungsverfahren durch das KapCoRiLiG vom 24.2.2000 umgesetzt.[160]

[160] ADS, § 264a HGB Rn. 1 ff.; Hüttemann/Meyer, in: GroßKo-HGB, § 264a HGB Rn. 3 ff.

c) Geltungsbereich – Gesellschaftsformen

 

Tz. 94

Die Vorschrift bezieht sich auf Kommanditgesellschaften mit einem Komplementär in Form einer Kapitalgesellschaft wie GmbH & Co. KG oder AG & Co. KG oder einer anderen juristischen Person wie Stiftung oder Genossenschaft.[161] Ebenfalls erfasst ist die OHG, an der keine natürlichen Personen beteiligt sind. Auch die deutsche Personenhandelsgesellschaft mit ausschließlich ausländischen juristischen Personen als persönlich unbeschränkt haftenden Gesellschaftern unterfällt § 264a HGB.[162] Auch das aus dem Steuerrecht bekannte Phänomen der doppelstöckigen Personengesellschaft fällt unter § 264a HGB. Eine doppelstöckige Personengesellschaft liegt dann vor, wenn persönlich unbeschränkt haftende Gesellschafter wiederum nur Personengesellschaften sind, bei denen keine natürliche Person unbeschränkt persönlich haftet. Sowohl die Obergesellschaft als auch die Untergesellschaft fallen unter § 264a HGB. Die KGaA ist trotz ihres persönlich unbeschränkt haftenden Gesellschafters juristische Person und fällt damit stets unter § 264 HGB.

 

Tz. 95

Der Wortlaut erfasst nicht die GbR, an der nur juristische Personen beteiligt sind.[163] Gesellschaften, die große Grundstücke verwalten, Bauarbeitsgemeinschaften (ARGE) oder Emissionskonsortien sind häufig als Zusammenschluss mehrerer juristischer Personen (bzw. GmbH & Co. KGs) zu einer GbR organisiert. Gegen eine Analogie des § 264a HGB spricht, dass die GbR bereits nicht rechnungslegungspflichtig gem. §§ 238 ff. HGB ist. Die analoge Anwendung von § 264a HGB würde nicht zu einer Erweiterung der Rechnungslegung führen, sondern zu deren Begründung. Außerdem gibt es mit Verein oder Stiftung juristische Personen ohne Rechnungslegungspflichten nach den §§ 238 ff., §§ 264 ff. HGB, obwohl keine natürliche Person die unbeschränkte Haftung für Verbindlichkeiten übernimmt. Letztlich stellen sich wieder die bekannten Probleme zur Registerfähigkeit der GbR. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Probleme zur Registerfähigkeit der GbR keine anderen als bei § 162 Abs. 1 Satz 2 HGB sind und praktisch bewältigt werden können. Vom Verein oder der Stiftung unterscheiden sich die genannten Formen der GbR grundlegend, als Verein oder Stiftung nicht auf wirtschaftliche Tätigkeit ausgerichtet sind. Bei der Abwägung der Argumente ist zu bedenken, dass zumeist in der betreffenden GbR kein Vermögen gebildet wird, sodass auch keine Rechnungslegung notwendig ist. Bei Vermögensbildung und wirtschaftlicher Tätigkeit liegt fast immer eine Handelsgesellschaft, d. h. OHG, vor. Dass sich mehrere juristische Personen oder GmbH & Co. KGs zu einer GbR zusammenschließen, um dort Vermögen zu bilden ohne wirtschaftliche Tätigkeit (d. h. Vermögensverwaltung), wird vernachlässigenswert selten sein. Daher kann § 264a HGB beim Wortlaut genommen werden. Die GbR ist auch nicht im Wege der Analogie erfasst. Diese Sichtweise ist an den derzeitigen Entwicklungsstand des Gesellschaftsrechts geknüpft. Es ist jedoch nicht abwegig, dass im Handels- u...

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