a) Überblick und Geltungsbereich

 

Tz. 257

Die Zielsetzung des IFRS 1 liegt in der Sicherstellung der erforderlichen Qualität des ersten, von einem Unternehmen aufgestellten IFRS-Abschlusses sowie von Zwischenberichten, die sich auf eine Periode innerhalb des Berichtszeitraums des ersten Abschlusses beziehen. Dabei soll ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis bei der Abschlusserstellung gewahrt bleiben.

 

Tz. 258

In den Anwendungsbereich des IFRS 1 fallen sämtliche Unternehmen, die ihren ersten IFRS-Abschluss aufstellen. Hierzu zählen auch Zwischenberichte gemäß IAS 34, sofern sich diese auf den Berichtszeitraum des ersten nach IFRS erstellten Abschlusses beziehen.

 

Tz. 259

Als erster IFRS-Abschluss gilt gemäß IFRS 1.3 der erste Abschluss des Geschäftsjahres, in dem das bilanzierende Unternehmen ausdrücklich und uneingeschränkt die Übereinstimmung mit den IFRS bestätigt. Maßgeblich ist hierfür die in IAS 1.16 geforderte Übereinstimmungserklärung im Anhang.

Nach der beispielhaften Aufzählung in IFRS 1.3 kann ein Abschluss dann den ersten IFRS-Abschluss darstellen, sofern der letzte in der Vergangenheit aufgestellte Abschluss

  • nicht unter Berücksichtigung aller gültigen IFRS-Regelungen aufgestellt wurde,
  • zwar nach IFRS, aber ohne die erforderliche Übereinstimmungserklärung mit allen gültigen IFRS aufgestellt wurde oder
  • nach nationalen Rechnungslegungsnormen (bspw. HGB) aufgestellt wurde, selbst wenn für manche Posten eine Überleitungsrechnung zu einer Bilanzierung nach den IFRS dargestellt wurde oder
  • nach nationalen Rechnungslegungsnormen aufgestellt wurde und die IFRS für die Abbildung solcher Transaktionen Anwendung finden, für die keine nationalen Vorschriften bestanden.

Nicht bereits als erster IFRS-Abschluss gelten nur für interne Zwecke aufgestellte und nicht veröffentlichte IFRS-Abschlüsse oder für Konsolidierungszwecke aufgestellte Abschlüsse, die nicht sämtliche der durch IAS 1.10 für einen vollständigen Abschluss geforderten Bestandteile aufweisen.

 

Tz. 260

Als Abgrenzung zu IFRS 1.3 enthält IFRS 1.4 f. eine beispielhafte, nicht abschließende Auflistung von Tatbeständen, die zu einem Ausschluss aus dem Anwendungsbereich des IFRS 1 führen. Nach IFRS 1.4 ist ein Unternehmen ein IFRS-Erstanwender im Sinne des IFRS 1, wenn die IFRS als neue Grundlage der Rechnungslegung angewandt werden. Dies trifft etwa auf solche Unternehmen zu, die im Vorjahr neben einem nach nationalen Rechnungslegungsnormen aufgestellten Abschluss zugleich einen IFRS-konformen Abschluss aufgestellt haben, der eine ausdrückliche und uneingeschränkte Bestätigung der Übereinstimmung mit den IFRS enthält. Die Nichtanwendbarkeit des IFRS 1 aufgrund der in IFRS 1.4 genannten Fälle bedingt jedoch zwingend eine in der Vergangenheit erfolgte Veröffentlichung des mit allen IFRS übereinstimmenden Abschlusses.[365]

Keine Anwendung findet IFRS 1 bei Änderungen der Rechnungslegungsmethoden bei bereits die IFRS anwendenden Unternehmen. Stattdessen ist laut IFRS 1.5 eine Behandlung nach IAS 8 oder nach spezifischen Übergangsvorschriften anderer IFRS vorzunehmen.

[365] Driesch, in: Beck IFRS-Hdb., § 44 Rn. 22.

b) Abbildung des Übergangsprozesses

 

Tz. 261

Der formale Übergangsprozess, d. h. der Übergang von den bisher angewandten Rechnungslegungsvorschriften (previous GAAP) zum ersten IFRS-Abschluss wird durch IFRS 1.6 i. V. m. 1.21 geregelt. Grundsätzlich ist eine Differenzierung zwischen drei Perioden erforderlich:[366]

 

Tz. 262

Der IFRS-Eröffnungsbilanz kommt eine Schnittstellenfunktion zu, da sie den Übergangszeitpunkt und damit den Ausgangspunkt der Rechnungslegung nach IFRS darstellt. Das Erfordernis zur Aufstellung der IFRS-Eröffnungsbilanz ergibt sich durch die in IFRS 1.21 geforderte Darstellung von drei Bilanzen. Zurückzuführen ist dies auf die Vorgaben des IAS 1, nach denen im Falle von Abschluss- und Darstellungsänderungen auch die Eröffnungsbilanz der Vorperiode veröffentlichungspflichtig ist. Der 2-Perioden-Vergleich ist dabei als Mindestnorm zu verstehen, ein mehrjähriger Periodenvergleich ist gestattet.[367]

[366] Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, IFRS, § 6 Rn. 17; Theile,in: Heuser/Theile, IFRS, Rn. 8503.
[367] Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, IFRS, § 6 Rn. 15.

c) Grundsatz der Retrospektion

aa) Grundsätzliches Vorgehen

 

Tz. 263

Grundsätzlich sind die zum Erstanwendungszeitpunkt (vgl. Tz. 261, 31.12.2014) gültigen IFRS-Bestimmungen einheitlich für sämtliche Perioden anzuwenden, die im ersten IFRS-Abschluss dargestellt werden. Hiermit verbunden ist das Erfordernis der Retrospektion, d. h., es ist so zu bilanzieren, als ob die zum Erstanwendungszeitpunkt gültigen IFRS schon immer angewandt worden wären. Dies macht die Anwendung der zum Erstanwendungszeitpunkt gültigen IFRS auf Sachverhalte vor diesem Zeitpunkt und auch eine Rückverfolgung der vor dem Übergangszeitpunkt eingetretenen Geschäftsvorfälle notwendig, sofern es nach den am Erstanwendungszeitpunkt gültigen IFRS zum Ansatz eines Vermögenswerts oder einer Schuld gekommen wäre. Der Ansatz im erstmaligen IFRS-Abschluss ergibt sich dabei aus der den IFRS entsprechenden Fortschreibung.[368]

Für die IFRS-Eröffnungsbilanz sind nicht die zu...

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