a) Überblick

 

Tz. 233

Die Norm bildet die nationale Rechtsgrundlage für die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (IAS/IFRS) in der deutschen Konzernrechnungslegung. Sie steht neben der sog. IAS-VO der Europäischen Union (Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards)[334] und ergänzt diese.

Aus §§ 290 ff. HGB ergibt sich, welche Mutterunternehmen zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind. Die IAS-VO statuiert für bestimmte dieser Mutterunternehmen, nämlich für kapitalmarktorientierte Unternehmen (sog. Pflichtanwender), die Verpflichtung, den Konzernabschluss nicht nach HGB sondern nach IFRS zu erstellen. § 315a Abs. 1 HGB setzt eine solche Konzernrechnungslegungspflicht nach IFRS voraus und bestimmt, welche Normen des HGB zu Konzernabschluss und Konzernlagebericht (gleichwohl) zusätzlich anzuwenden sind.

Art. 4 IAS-VO räumt den nationalen Gesetzgebern das Wahlrecht ein, die Konzernrechnungslegungspflicht nach IFRS über die Pflichtanwender hinaus auf weitere Unternehmen auszudehnen. In § 315a Abs. 2 HGB hat der deutsche Gesetzgeber von diesem Wahlrecht Gebrauch gemacht und die Konzernrechnungslegungspflicht nach IFRS auf bestimmte Mutterunternehmen, die eine Börsennotierung nur beantragt haben, ausgedehnt.

§ 315a Abs. 3 HGB gestattet darüber hinaus allen anderen Mutterunternehmen (d. h. solchen, die nicht unter Abs. 1 oder Abs. 2 fallen), freiwillig ihren Konzernabschluss nach IFRS aufzustellen.

In allen Fällen befreit der ordnungsgemäß nach IFRS-Grundsätzen und unter Berücksichtigung der Vorgaben in Abs. 1 aufgestellte Konzernabschluss das betreffende Mutterunternehmen davon, (auch) einen Konzernabschluss nach HGB aufzustellen.

[334] ABl. 2002, L 243, 1.

b) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 234

Die Norm wurde als Reaktion auf den Erlass der IAS-VO durch das BilReG 2004 am 09.12.2004 in das HGB eingefügt. Sie trat an die Stelle des zum 31.12.2004 ausgelaufenen § 292a HGB. Bereits nach dieser Vorgängerregelung konnten kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen unter bestimmten Voraussetzungen ihren Konzernabschluss nach international anerkannten Grundsätzen (IAS/IFRS oder US-GAAP) mit befreiender Wirkung aufstellen. Die neuen Regelungen in der IAS-VO und in § 315a HGB sind jedoch enger als § 292a HGB: Insbesondere ist die befreiende Wirkung eines nach US-GAAP aufgestellten Konzernabschlusses[335] nicht länger vorgesehen. Die Norm wurde durch das BilMoG 2009 inhaltlich nicht verändert. Durch das ­BilRUG vom 17.07.2015 wurden in Abs. 1 lediglich die Verweise auf die ebenfalls geänderten §§ 297 und 314 HGB angepasst. Die Änderung in Abs. 2 bereinigt ein früheres Redaktionsversehen aus der Änderung von § 2 Abs. 1 WpHG.

[335] Vgl. dazu Busse von Colbe, in: MüKo-HGB, § 292a HGB Rn. 13 ff.

c) Geltungsbereich

aa) Sachlicher Geltungsbereich

 

Tz. 235

Die Norm regelt, unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmen, das zur Erstellung eines Konzernabschlusses nach § 290 HGB verpflichtet ist, diesen nach dem Regelwerk der IFRS (und nicht ausschließlich nach dem Regelwerk der §§ 290 ff. HGB) aufstellen muss. Die Verpflichtung zur Beachtung der IFRS gilt grundsätzlich für sämtliche Mutterunternehmen i. S. d. § 290 HGB, die die Voraussetzungen der IAS-VO sowie des § 315a HGB erfüllen. Die Norm statuiert keine eigenständige Konsolidierungspflicht, sondern setzt diese vielmehr voraus. Insbesondere bestimmt sich die Konsolidierungspflicht nicht nach Maßgabe von IFRS 10, sondern ausschließlich nach § 290 HGB. Anders formuliert: Ist nach § 290 HGB die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses nicht begründet, kommt es weder nach dieser Vorschrift noch nach IFRS zur Aufstellung eines Konzernabschlusses.[336]

 

Tz. 236

Die Norm gilt entsprechend für Kreditinstitute (§ 340i HGB) und Versicherungsunternehmen (§ 341j HGB) sowie für Unternehmen, die nach dem Publizitätsgesetz (PublG) zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind (§ 11 Abs. 6 Nr. 2 PublG).[337]

[336] Kraft/Link, ZGR 2013, 514, (516); Senger/Brune, in: MüKo-BilR, § 315a HGB Rn. 11.
[337] Zu Einzelheiten der Konzernrechnungslegungspflicht nach dem PublG vgl. Grottel/Kreher, in: BeckBilKo, § 290 HGB Rn. 100 ff.

bb) Zeitlicher Geltungsbereich

 

Tz. 237

Wie die IAS-VO gilt die Norm für alle Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1.1.2005 beginnen.

d) Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven

 

Tz. 238

Infolge der Ersetzung des § 292a HGB durch die Norm in 2004 entfiel die befreiende Wirkung anderer "nach international anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen" (in erster Linie: nach US-GAAP) aufgestellter Konzernabschlüsse. Die Beschränkung der befreienden Wirkung auf Konzernabschlüsse nach IFRS wurde als praktikabel akzeptiert; eine Ausweitung auf andere Bilanzierungsregime ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.

Art. 5 IAS-VO erlaubt den Mitgliedstaaten, die befreiende Wirkung von nach IFRS aufgestellten Abschlüssen über Konzernabschlüsse, die von kapitalmarktorientierten Unternehmen aufgestellt werden, hinaus auszudehnen. Hiervon hat der deutsche Gesetzgeber nur restriktiv Gebrauch gemacht. Insbesondere sieht ...

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