a) Überblick

 

Tz. 214

§ 267a HGB setzt die Micro-Richtlinie der EU in deutsches Recht um.[323] Dadurch sollen besonders kleine Kapitalgesellschaften von den komplizierten und umfangreichen Vorgaben der §§ 264 ff. HGB entlastet werden, auch wenn sie schon bisher immerhin die Vorteile der Rechnungslegung für kleine Kapitalgesellschaften im Sinne von § 267 Abs. 1 HGB in Anspruch nehmen konnten (zu den Erleichterungen und Befreiungen siehe § 267 HGB, vgl. Tz. 185). Gläubiger, Kreditgeber, Geschäftspartner und Gesellschafter sind aufgrund der geringen Größe zumeist nicht auf besonders detaillierte Angaben angewiesen.[324]

 

Tz. 215

Weil aber von den drei Kriterien zwei überschritten sein müssen, sind auch hier Gestaltungen möglich, die zur extremen Überschreitung eines Kriteriums bei Unterbietung der anderen beiden Kriterien führen können. Der extremste Fall dürfte bei einer Holdinggesellschaft liegen, die ggf. durch den Ausweis der Anschaffungskosten für die Beteiligung an ihren Tochtergesellschaften eine extrem hohe Bilanzsumme ausweisen muss. Es existieren keine Arbeitnehmer und Dividenden sind keine Umsatzerlöse.[325] § 267a Abs. 3 Nr. 3 HGB schließt diesen Fall nun aber aus.

[323] Richtlinie 2012/6/EU v. 14.3.2012 zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG, ABl. 2012, L 81, 3.
[324] Skeptisch allerdings Suchan, in: MüKo-BilR, § 267a HGB Rn. 1.
[325] Siehe nur Hüttemann/Meyer, in: GroßKo-HGB, § 277 HGB Rn. 5; ausführlich Berndt/Gutsche, in: KK-RechnR, § 275 HGB Rn. 133 ff.

b) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 216

Die Vorschrift wurde im Jahre 2012 im Zuge des MicroBilG eingefügt. Der Gesetzgeber will sehr kleine Kapitalgesellschaften soweit wie möglich von den Aufgaben der Rechnungslegung entlasten.[326] Weil aber nur zwei der drei Größenmerkmale nicht überschritten sein müssen, kann es insbesondere bei vermögensverwaltenden (Holding-)Gesellschaften mit einer beliebig hohen Bilanzsumme vorkommen, dass diese als Kleinstgesellschaft gem. § 267a HGB zu qualifizieren sind. Darauf hat der Gesetzgeber mit einer Änderung der Vorschrift durch das BilRUG reagiert.

[326] Hüttemann/Meyer, in: GroßKo-HGB, § 267a HGB Rn. 4; ausführlich Suchan, in: MüKo-BilR, § 267a HGB Rn. 1 ff.

c) Geltungsbereich

 

Tz. 217

Die Vorschrift gilt für alle Kapitalgesellschaften im Sinne von § 264 HGB (AG, GmbH, KGaA, SE mit Inlandssitz) sowie für alle Personengesellschaften im Sinne von § 264a HGB.[327] Anders als bei § 267 HGB sind Genossenschaften nicht erfasst, vgl. § 336 Abs. 2 Satz 3 HGB, d. h. sie können nicht die Vorzüge einer Kleinstgesellschaft in Anspruch nehmen. Nach Art. 70 EGHGB findet die Vorschrift auf alle Jahresabschlüsse mit Stichtag 31.12.2012 und später Anwendung.[328]

[327] Reiner, in: MüKo-HGB, § 267a HGB Rn. 3.
[328] Reiner, in: MüKo-HGB, § 267a HGB Rn. 4.

d) Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven

 

Tz. 218

Die Vorschrift ist sehr jung und erfährt durch das BilRUG mit der Aussonderung von Unternehmensbeteiligungsgesellschaften oder Holdinggesellschaften bereits die erste grundlegende Korrektur. Der Anwendungsbereich gerade in der Vermögensverwaltung ist aber immer noch weitreichend. Zu denken ist an eine Immobiliengesellschaft. Gerade im Bereich der Wohnungsvermietung sind Gesellschaften mit Immobilienwerten von über 10.000.000 EUR denkbar, die mit weniger als 10 Arbeitnehmern auskommen und weniger als 700.000 EUR Mieterträge = Umsatzerlöse erzielen. Letztlich kann es passieren, dass gerade im Immobiliensektor unter Beachtung der Zahlen ein Immobilienbestand von mehr als 100.000.000 EUR in einer überschaubaren Anzahl an Kleinstkapitalgesellschaften unter Beachtung der Größenziffern des § 267a HGB untergebracht wird. Auch die Obergesellschaft selbst wird mangels entsprechender Arbeitnehmer bzw. mangels Umsatzes (sie erzielt nur Beteiligungserträge – das sind keine Umsätze; vgl. Tz. 196) zur Kleinstgesellschaft. Werden die Immobiliengesellschaften von der Obergesellschaft in der täglichen Arbeit angewiesen, kommt auch der Ausnahmetatbestand des § 267a Abs. 3 Nr. 3 HGB nicht in Betracht und § 267a HGB ist anwendbar.[329] Auch ein Konzernabschluss muss nicht errichtet werden, solange im Gesamtkonzern mehr als 250 Arbeitnehmer tätig sind oder mittels Nettomethode Umsätze von 40.000.000 EUR erreicht werden (§ 293 Abs. 2 HGB). Das bloße Überschreiten einer Kennzahl – nämlich der Bilanzsumme – ist wiederum unschädlich. Dass es im Bereich der Vermögensverwaltung noch zu Korrekturen der Vorschrift kommen wird, erscheint nicht als ausgeschlossen.

[329] Dazu RegE BilRUG, 73.

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