a) Überblick

 

Tz. 2

Der zweite Abschnitt des dritten Buches enthält ergänzende Vorschriften für Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften ohne eine natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter. Der erste Unterabschnitt statuiert ergänzende Vorschriften zum Jahresabschluss (§ 242 Abs. 3 HGB), ergänzt diesen um einen Anhang (§ 264 Abs. 1 Satz 1, §§ 284 ff. HGB) und fordert zusätzlich einen Lagebericht (§ 264 Abs. 1 Satz 1, § 289 HGB). Der zweite Unterabschnitt (§§ 290 ff. HGB) regelt den Konzernabschluss, der zwingend als Muttergesellschaft eine Gesellschaft im Sinne von §§ 264, 264a HGB voraussetzt.[1] Der dritte Unterabschnitt (§§ 316 ff. HGB) regelt eingehend die Abschlussprüfung einschließlich des Verfahrens und der Haftung. Der vierte Unterabschnitt (§§ 325 ff. HGB) regelt die Offenlegung. Der fünfte Unterabschnitt (§ 330 HGB) enthält eine Verordnungsermächtigung für Formblätter und andere Vorschriften und der sechste Unterabschnitt (§§ 331 ff. HGB) statuiert Straf- und Bußgeldvorschriften sowie Zwangsgelder).

 

Tz. 3

Diese Regelungen sind nötig, weil keine natürliche Person den Gläubigern der Gesellschaft unbeschränkt haftet. Die Minderung des Haftungsrisikos der Gesellschafter geht einher mit einer Verstärkung der Gläubigerinformation durch bestimmte Ausweispflichten (erster und zweiter Unterabschnitt), Prüfungspflichten durch Experten (dritter Unterabschnitt) und Offenlegungspflichten (vierter Unterabschnitt). Die ergänzenden Vorschriften zur Bilanz (§§ 266 bis 274 HGB) sind zum Teil eng verknüpft mit Kapitalschutzvorschriften bzw. Kapitalschutzfragen des Gesellschaftsrechts. § 268 Abs. 8 HGB (§ 268 HGB) enthält eine sachlich deplatzierte Gewinnverwendungsvorschrift, die eigentlich in die gesellschaftsrechtlichen Gesetze gehört. § 272 HGB regelt den Ausweis des Kapitals mit enormen Auswirkungen auf den Ausschüttungsumfang in der GmbH und insbesondere in der AG. § 274 HGB (§ 274 HGB) erfasst die latenten Steuern, die nach Aufgabe der Maßgeblichkeit für das Umwandlungsrecht durch das SEStEG[2] und der umgekehrten Maßgeblichkeit durch das BilMoG enorme Bedeutung gewonnen haben. Die korrekte Zuordnung latenter Steuern insbesondere bei Personengesellschaften und bei steuerlicher Organschaft hat erhebliche Auswirkungen auf den ausschüttungsfähigen Gewinn. Das gilt auch für die korrekte Verrechnung aktiver und passiver latenter Steuern.

[1] Senger/Hoehne, in: MüKo-BilR, § 290 HGB Rn. 10.
[2] Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 7.12.2006 (BGBl. I 2782).

b) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 4

§ 264 Abs. 1 HGB transformiert Art. 2 Abs. 1 der 4. EG-Richtlinie in deutsches Recht.[3] § 264 Abs. 2 HGB transformiert Art. 2 Abs. 3 und 4 der 4. EG-Richtlinie in deutsches Recht. Dabei handelt es sich um einen Kompromiss zwischen der deutschen Sichtweise, dass der Jahresabschluss in die GoB eingebettet ist, und der angelsächsischen Idee des true and fair view.[4]

[3] ADS, § 264 HGB Rn. 1.
[4] ADS, § 264 HGB Rn. 5.

c) Geltungsbereich

 

Tz. 5

Die Vorschrift hat keinen echten Geltungsbereich; vielmehr definiert sie den Geltungsbereich der §§ 264 ff. HGB.

d) Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven

 

Tz. 6

Die Vorschriften §§ 264 bis 264d HGB sind in einem Gefüge zu sehen. Es geht um die Frage, welche Gesellschaftsformen den Sondervorschriften der §§ 264 ff. HGB unterworfen werden sollen. Im Blickpunkt stehen dabei insbesondere Scheinauslandsgesellschaften, aber auch Hybridformen wie z. B. die Scheinauslandsgesellschaft & Co. Das Verständnis von § 264 Abs. 2 HGB – overriding principle (oberster Grundsatz) mit Korrekturfunktion gegenüber den GoB, overriding principle bei Vorrang der GoB oder völlige Abkoppelung von der Bilanz – wird sich nicht einvernehmlich klären lassen. Bei der Diskussion um § 264 Abs. 3 HGB wird sich zeigen, dass Richtlinienvorgaben praktisch nicht vernünftig umzusetzen sind, ohne Systembrüche im deutschen Recht herbeizuführen.

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