aa) Regelungsgehalt

 

Tz. 56

Nach § 331 Nr. 3a HGB macht sich strafbar, wer eine pflichtmäßige Versicherung zum Jahresabschluss (§ 264 Abs. 2 Satz 3 HGB) und zum Lagebericht (§ 289 Abs. 1 Satz 5 HGB) bzw. beim Konzern zum Konzernabschluss (§ 297 Abs. 2 Satz 4 HGB) und zum Konzernlagebericht (§ 315 Abs. 1 Satz 6 HGB) nicht richtig abgibt. Die Vorschrift betrifft nur bestimmte kapitalmarktorientierte Unternehmen i. S. d. § 2 Abs. 7 WpHG. Die gesetzlichen Vertreter haben bei der Unterzeichnung des (Konzern-)Abschlusses bzw. des (Konzern-)Lageberichts zusätzlich eine schriftliche Bestätigung abzugeben, dass dieser "nach bestem Wissen" ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage bzw. des Geschäftsverlaufs vermittelt, sog. Bilanzeid. Der Begriff ist an sich irreführend, da sich die Versicherung weder auf die Bilanz beschränkt, noch einen Eid i. e. S. darstellt.[96]

 

Tz. 57

Die kriminalpolitische Notwendigkeit der im Jahre 2007 nach Vorbild des US-amerikanischen Sarbanes-Oxley Act 2002[97] eingeführten Vorschrift ist zweifelhaft,[98] da sich die Verantwortlichen auch ohne die gesonderte Versicherung bereits wegen der unrichtigen Angaben nach den Nr. 1–2 HGB strafbar machen. Mit § 331 Nr. 3a HGB ist der deutsche Gesetzgeber allerdings seiner Verpflichtung zur Umsetzung der Transparenz-RL 2004/109/EG[99] nachgekommen. Diese sollte nach weltweiten Bilanzskandalen wohl primär der Wiedergewinnung des Anlegervertrauens in die Rechnungslegung dienen.[100] Gegenüber den Verantwortlichen kommt der besonderen Bekräftigung immerhin eine verschärfte Appell-, Warn- und Abschreckungsfunktion zu.[101] Ein eigenständiger, strafrechtlich relevanter Anwendungsbereich ist dennoch kaum erkennbar (vgl. Tz. 59, 73).

[96] Zutr. Fleischer, Bilanzeid, 21.
[97] Ausführlich zum historischen Hintergrund Fleischer, Bilanzeid, 21 ff.; zur US-amerikanischen Regelung auch Altenhain, in: KK-RechnR, § 331 HGB Rn. 117; Park, Der strafbare Bilanzeid gem. § 331 Nr. 3a HGB, in: Jung/Luxenburger/Wahle (Hrsg.), Festschrift für Egon Müller, Baden-Baden 2008, 531 (533 ff.).
[98] Dannecker, in: GroßKo-HGB, § 331 HGB Rn. 164; Waßmer, in: MüKo-BilR, § 331 HGB Rn. 86.
[99] ABl. 2004, L 390, 38.
[100] Senger, in: MüKo-BilR, § 297 HGB Rn. 124.
[101] Waßmer, in: MüKo-BilR, § 331 HGB Rn. 87.

bb) Voraussetzungen

 

Tz. 58

Zum tauglichen Täterkreis gehören die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs (vgl. Tz. 30, nicht jedoch die Aufsichtsratsmitglieder) von KapGes, die Inlandsemittenten im Sinne des § 2 Abs. 7 WpHG sind, aber nicht unter § 327a HGB fallen. Tatsächlich betroffen sind damit vor allem die Vorstandsmitglieder einer börsennotierten AG. Zum Problem des faktischen Organs vgl. Tz. 13 f. (i. d. R. dürfte aber das formelle Organ die Versicherungen abgeben), zur Möglichkeit der Teilnahme vgl. Tz. 16. Tatmittel ist die schriftliche (und gem. § 126 BGB mit eigenhändiger Namensunterschrift versehene) Bekräftigung der Richtigkeit des Jahresabschlusses (§ 264 Abs. 2 Satz 3 HGB, vgl. Tz. 33), des Lageberichts (§ 289 Abs. 1 Satz 5 HGB), des Konzernabschlusses (§ 297 Abs. 2 Satz 4 HGB, vgl. Tz. 49) oder des Konzernlageberichts (§ 315 Abs. 1 Satz 6 HGB). Ob auch der unrichtige Bilanzeid zu Abschlüssen nach IAS/IFRS (vgl. Tz. 45 f.) von der Vorschrift umfasst wird, ist umstritten. Insoweit muss jedoch ausreichen, dass die §§ 264 Abs. 2 Satz 3, 297 Abs. 2 Satz 4 HGB (allein auf die Pflichten nimmt § 331 Nr. 3a HGB Bezug) von den §§ 315a, 325 Abs. 2a HGB ausdrücklich für anwendbar erklärt werden.[102] Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG ist insoweit nicht erkennbar.

 

Tz. 59

Als Tathandlung muss die Versicherung nicht richtig abgegeben worden sein, wobei es hinsichtlich der Richtigkeit auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt. Unter den Wortlaut des Tatbestandes ließe sich zwar auch die objektiv zutreffende, nur nach dem Vorstellungsbild des Erklärenden unrichtige Bekräftigung subsumieren.[103] Schutzgut wäre dann (über § 331 Nr. 1–2 HGB hinaus) auch das Vertrauen in die subjektive Redlichkeit von Unternehmens­verantwortlichen. Eine solche Auslegung, die faktisch auf eine Pönalisierung des hier sonst straflosen (untauglichen) Versuchs hinausliefe, wäre jedoch mit der Systematik der Vorschrift und vergleichbarer Delikte (§§ 153 ff. StGB) kaum vereinbar.[104] Wie bei den anderen Varianten ist die Strafbarkeit auf erhebliche Verstöße beschränkt (vgl. Tz. 36). Eine Ausweitung der Strafbarkeit auf unwesentliche Verstöße wäre zwar eine Möglichkeit, § 331 Nr. 3a HGB einen eigenen Anwendungsbereich zu eröffnen (vgl. Tz. 57), unter Strafwürdigkeitsgesichtspunkten und mit Blick auf das zugrunde liegende Europarecht erscheint dies jedoch nicht sachgerecht.[105]

 

Tz. 60

Die bloße Nichtabgabe der Versicherung steht nicht unter Strafe und kann auch nicht mittels Ordnungsgeld (vgl. Tz. 214 zu § 335 HGB) durchgesetzt werden. Sie kann aber u. U. als Ordnungswidrigkeit gem. § 39 Abs. 2 Nr. 24 WpHG geahndet werden. Seit dem 26.11.2015 gilt dies auch für den Konzernabschluss, da die Fehlve...

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