Tz. 218

Betrachtet man die Verhängung eines Ordnungsgelds (nicht die bloße Androhung) als repressives Instrument i. w. S. (vgl. Tz. 208), ist ein schuldhaftes Verhalten zu fordern.[263] Der Grundsatz, dass eine Strafe nur verhängt werden kann, wenn dem Täter seine Tat persönlich zum Vorwurf gemacht werden kann („nulla poena sine culpa”), genießt als Teil der Menschenwürdegarantie (Art. 1 Abs. 1 GG) Verfassungsrang.[264] Ausreichend ist aber jede vorwerfbare Pflichtverletzung i. S. v. Vorsatz oder Fahrlässigkeit.[265] Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum schließt analog § 17 Satz 1 StGB eine Ahndung aus, wobei spätestens nach Androhung ein solcher kaum noch denkbar ist (zu den ohnehin hohen Anforderungen vgl. Tz. 43 zu § 331 HGB).[266] Zu fordern ist ein eigenes Verschulden des Organmitglieds,[267] was relevant wird, wenn die Nichtoffenlegung auf einem Versehen eines Angestellten oder Beauftragten (z. B. Steuerberater) beruht (keine entsprechende Anwendung von § 278 BGB). Ein eigenes Verschulden kann im letzteren Fall aber auch in einem Organisations-, Auswahl-, Überwachungs- oder Instruktionsfehler liegen.[268]

 

Tz. 219

Ist die KapGes selbst Adressat des Ordnungsgeldes, wird ihr das Organverschulden (aber nur dieses) wie bei § 30 OWiG, § 31 BGB zugerechnet. Zur Unmöglichkeit, die nach zutreffender Ansicht bereits die Tatbestandsmäßigkeit ausschließt, vgl. Tz. 216. Zur Verschuldensprüfung nach § 335 Abs. 5 Satz 1 HGB vgl. Tz. 225.

[263] Dannecker/Kern, in: GroßKo-HGB, § 335 HGB Rn. 28; Waßmer, in: MüKo-BilR, § 335 HGB Rn. 53; vgl. auch BVerfG v. 25.10.1966, 2 BvR 506/63, BVerfGE 20, 323; BVerfG v. 14.07.1981, 1 BvR 575/80, BVerfGE 58, 159 (162) zu § 890 ZPO; a. A. Quedenfeld, in: MüKo-HGB, § 335 HGB Rn. 16.
[264] BVerfG v. 26.05.1981, 2 BvR 215/81, BVerfGE 57, 250 (275); BVerfG v. 15.07.1989, 2 BvL 4/87, BVerfGE 80, 244 (255); BVerfG v. 30.06.2009, 2 BvE 2/08 u. a., BVerfGE 123, 267 (413).
[265] LG Bonn v. 23.07.2010, 11 T 246/10, NZG 2010, 1276 (1277); LG Bonn v. 06.06.2013, 31 T 59/13; a. A. (bedingter Vorsatz) Grottel/Hoffmann, in: BeckBilKo, § 335 HGB Rn. 16.
[266] LG Bonn v. 13.09.2012, 32 T 1023/11; vgl. auch BVerfG v. 25.10.1966, 2 BvR 506/63, BVerfGE 20, 323; ausführlich Dann­ecker/Kern, in: GroßKo-HGB, § 335 HGB Rn. 29; Kießling, Das Ordnungsgeldverfahren wegen Verletzung von Jahresabschluss­publizitäts­pflichten gemäß § 355 HGB, Baden-Baden 2014, 257 ff.
[267] LG Bonn v. 23.05.2012, 38 T 1532/10.
[268] LG Bonn v. 21.01.2011, 35 T 1158/10; vgl. auch Gruber, in: Krüger/Rauscher (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, Bd.  2, 4. Aufl., München 2012, § 890 ZPO Rn. 22 m. w. N.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Merkt, Rechnungslegung nach HGB und IFRS (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge