Tz. 187

Die am 10.05.2016 eingefügten Bußgeldtatbestände in § 334 Abs. 2a HGB dienen der Umsetzung von Art. 30, 30a der Abschlussprüfungs-RL 2006/43/EG, zuletzt geändert durch RL 2014/56/EU. Die prüfungsbezogenen Pflichten der Mitglieder eines Prüfungsausschusses nach der Abschlussprüfungs-VO 537/2014/EU, die ab dem 17.06.2016 in allen EU-Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbares (Art. 288 Abs. 2 AEUV) Recht darstellt, werden dabei einer Sanktionierung unterworfen, da die EU insoweit keine eigene Rechtsetzungskompetenz besitzt.

 

Tz. 188

Das Gebrauchmachen von der Blanketttechnik (vgl. Tz. 18, 163) ist hier europarechtlich sogar zwingend. Regelte der nationale Gesetzgeber die von der Verordnung geforderten Verhaltensweisen im Tatbestand noch einmal selbst, würde er in einem Bereich tätig werden, den der europäische Gesetzgeber bereits besetzt hat. Selbst bei einer wortgetreuen Wiederholung der Verordnung bestünde die Gefahr einer unterschiedlichen Interpretation, da der europäische Ursprung der Verhaltensnorm so verschleiert würde.[230] Auch aus Sicht des deutschen Verfassungsrechts ist eine solche Verweisungstechnik an sich unbedenklich. Allerdings müssen sich Blankett und Ausfüllungsnorm, also der gemischt nationalstaatlich-europäische Gesamttatbestand, am Bestimmtheitsgrundsatz des Art 103 Abs. 2 GG (vgl. Tz. 163) messen lassen,[231] zumal das Gesetzlichkeitsprinzip auch in Art. 7 Abs. 1 Satz 1 EMRK und Art. 49 Abs. 1 Satz 1 EU-GrCh verankert ist. Ob die Anforderungen von den neuen Bußgeldblanketten durchgehend erfüllt werden, erscheint mitunter fraglich, da einzelne Pflichten von der ausfüllenden Verordnung z. T. doch eher vage beschrieben werden.

 

Tz. 189

Der Anwendungsbereich umfasst nur Unternehmen, die – weder kraft Gesetzes noch aufgrund Gesellschaftsvertrages – über einen Aufsichts- oder Verwaltungsrat verfügen, der den Anforderungen des § 100 Abs. 5 AktG genügt. Für Unternehmen, die über einen solchen Aufsichtsrat verfügen, finden sich Parallelvorschriften in den ebenfalls neuen § 20 Abs. 2a PublG, § 405 Abs. 3bd AktG, § 87 GmbHG, § 152 Abs. 1a GenG und § 332 Abs. 4a4c VAG. Zum tauglichen Täterkreis gehören die Mitglieder eines nach § 324 Abs. 1 Satz 1 HGB eingerichteten Prüfungsausschusses (audit committee). Folgende Verhaltenspflichten aus der Verordnung sind bußgeldbewehrt:

[230] EuGH, Urt. v. 10.10.1973, 34/73, Slg. 1973, 981 (990) (Variola); EuGH, Urt. v. 31.01.1978, 94/77, Slg. 1978, 99 (115 f.) (Zerbone); Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, Köln 2001, 199 f.; Schuster, Das Verhältnis von Strafnormen und Bezugsnormen aus anderen Rechtsgebieten, München 2012, 325 ff.
[231] Im Einzelnen Schuster, Das Verhältnis von Strafnormen und Bezugsnormen aus anderen Rechtsgebieten, München 2012, 327 ff.

aa) Die Überwachung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers betreffende Pflichten (Nr. 1)

 

Tz. 190

Jeweils geht es um Versäumnisse der Mitglieder des Prüfungsausschusses bei der Überwachung der Unabhängigkeit der Abschlussprüfer. Der Verweis auf Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 Abschlussprüfungs-VO betrifft die Prüfungshonorare. Wird ein Abschlussprüfer oder eine Prüfungsgesellschaft übermäßig vom geprüften Unternehmen abhängig (über 15 % der Gesamteinnahmen in drei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren), so muss der Prüfungsausschuss "anhand objektiver Gründe" entscheiden, ob der Abschlussprüfer oder die Prüfungsgesellschaft die Abschlussprüfung weiterhin durchführen kann, wobei die weitere Dauer auf maximal zwei Jahre beschränkt wird. Der Verweis auf Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 1 Abschlussprüfungs-VO betrifft die Erbringung von Nichtprüfungsleistungen. Zu denken ist etwa an Steuerberaterleistungen oder sonstige juristische Dienstleistungen. Der Prüfungsausschuss darf diese nur "nach gebührender Beurteilung" der Gefährdung der Unabhängigkeit und der angewendeten Schutzmaßnahmen gem. Art. 22b Abschlussprüfungs-RL 2006/43/EG billigen. Da die Kriterien für eine Entscheidung zumindest bei den ersten beiden Varianten z. T. nur ungenau beschrieben werden, dürfte insoweit mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. Tz. 188) eine Ahndung nur in Evidenzfällen (gänzlich unterbliebene Prüfung, Anwendung grob sachwidriger Kriterien) möglich sein. Art. 6 Abs. 2 Abschlussprüfungs-VO betrifft die regelmäßige Beurteilung der Gefährdungen durch den Prüfungsausschuss. Ein Abschlussprüfer oder eine Prüfungsgesellschaft erklärt demnach jährlich gegenüber dem Prüfungsausschuss, dass er unabhängig vom geprüften Unternehmen ist, und erörtert mit dem Prüfungsausschuss die Gefahren für seine Unabhängigkeit sowie die zur Verminderung dieser Gefahren angewendeten Schutzmaßnahmen. Die bußgeldbewehrte Pflicht des Mitglieds des Prüfungsausschusses liegt darin, die Erklärungen entgegenzunehmen und die genannten Erörterungen durchzuführen.

bb) Die Vorauswahl des Abschlussprüfers betreffende Pflichten (Nr. 2)

 

Tz. 191

Jeweils geht es um Versäumnisse der Mitglieder des Prüfungsausschusses bei der (Vor-)Auswahl von Abschlussprüfern oder Prüfungsgesellschaften. Der Verweis in Nr. 2 auf Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Abschlussprüfungs-VO betrifft die Empfehlung für die Bestellung von Abschlussprüfern oder P...

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