I. § 331 HGB

 

Tz. 9

 

§ 331 Unrichtige Darstellung 

Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1. als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrats einer Kapitalgesellschaft die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft in der Eröffnungsbilanz, im Jahresabschluß, im Lagebericht oder im Zwischenabschluß nach § 340a Abs. 3 unrichtig wiedergibt oder verschleiert,
1a. als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft zum Zwecke der Befreiung nach § 325 Abs. 2a Satz 1, Abs. 2b einen Einzelabschluss nach den in § 315a Abs. 1 genannten internationalen Rechnungslegungsstandards, in dem die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft unrichtig wiedergegeben oder verschleiert worden sind, vorsätzlich oder leichtfertig offen legt,
2. als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrats einer Kapitalgesellschaft die Verhältnisse des Konzerns im Konzernabschluß, im Konzernlagebericht oder im Konzernzwischenabschluß nach § 340i Abs. 4 unrichtig wiedergibt oder verschleiert,
3. als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft zum Zwecke der Befreiung nach § 291 Abs. 1 und 2 oder nach § 292 einen Konzernabschluß oder Konzernlagebericht, in dem die Verhältnisse des Konzerns unrichtig wiedergegeben oder verschleiert worden sind, vorsätzlich oder leichtfertig offenlegt,
3a. entgegen § 264 Abs. 2 Satz 3, § 289 Abs. 1 Satz 5, § 297 Abs. 2 Satz 4 oder § 315 Abs. 1 Satz 6 eine Versicherung nicht richtig abgibt,
4. als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft oder als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs oder als vertretungsberechtigter Gesellschafter eines ihrer Tochterunternehmen (§ 290 Abs. 1, 2) in Aufklärungen oder Nachweisen, die nach § 320 einem Abschlußprüfer der Kapitalgesellschaft, eines verbundenen Unternehmens oder des Konzerns zu geben sind, unrichtige Angaben macht oder die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft, eines Tochterunternehmens oder des Konzerns unrichtig wiedergibt oder verschleiert.

1. Einleitung

a) Überblick

aa) Grundsätzliches

 

Tz. 10

Bei § 331 HGB handelt es sich um die zentrale Strafvorschrift des Rechnungslegungsrechts; sie erfasst mit den Nr. 1, 1a, 2, 3, 3a und 4 sechs verschiedene Varianten der unrichtigen Wiedergabe, Verschleierung oder Offenlegung der Verhältnisse einer KapGes bzw. eines Konzerns. Der Vorschrift liegt der Gedanke zu Grunde, dass die erhöhte Gefahr für den Rechtsverkehr, die von einer Haftungsbeschränkung ausgeht, mit erhöhten und sanktionsbewehrten Publizitätspflichten ausgeglichen werden muss (vgl. Tz. 1). So erklärt sich auch die Erweiterung des Schutzbereiches auf bestimmte Nicht-KapGes, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter (§ 335b HGB) vorhanden ist oder besonders sensible Geschäftsbereiche (§§ 340m, 341m HGB) betroffen sind.[24]Schutzgut ist nach zutreffender h. M.[25] das kollektive Vertrauen (der Gläubiger, Gesellschafter, Kapitalmarktteilnehmer, Anleger etc.) in die Richtigkeit, Vollständigkeit, Klarheit und Übersichtlichkeit der verbreiteten Informationen über die Verhältnisse der Gesellschaft. Die Gegenansicht[26] sieht allein das Vermögen als geschütztes Rechtsgut an; dies wird jedoch der Bedeutung der in der Bilanz enthaltenden Informationen für das Wirtschaftsleben nicht gerecht.[27]

[24] Dannecker, in: GroßKo-HGB, § 331 HGB Rn. 2.
[25] Dannecker, in: GroßKo-HGB, § 331 HGB Rn. 3; Quedenfeld, in: MüKo-HGB, § 331 HGB Rn. 1; Olbermann, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 331 HGB Rn. 7; Sorgenfrei, in: MüKo-StGB, § 331 HGB Rn. 1; Südbeck, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 331 HGB Rn. 3; Waßmer, in: MüKo-BilR, § 331 HGB Rn. 2; ausführlich auch Krämer, NZWiSt 2013, 286 (288 ff.), die selbst ein akzessorisches Schutzrichtungsmodell favorisiert.
[26] Altenhain, in: KK-RechnR, § 331 HGB Rn. 13; Hellmann/Beckemper, Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl., Stuttgart 2013, Rn. 384.
[27] Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht Besonderer Teil, 3. Aufl., München 2011, Rn. 464.

bb) Abstraktes Gefährdungsdelikt

 

Tz. 11

§ 331 HGB ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt; die Tat muss keine konkrete Rechtsgutsverletzung zur Folge haben. Der Handlungsunwert allein begründet (in jeder Tatvariante) die Strafwürdigkeit, da nach Wertung des Gesetzgebers bereits von diesem eine erhebliche Gefahr für die genannten Schutzgüter ausgeht.[28] Die Strafbarkeit wird somit, wie bei vielen anderen Wirtschaftsdelikten auch (z. B. §§ 264, 264a, 265b StGB), erheblich vorverlagert. Die Straflosigkeit des Versuchs (§ 23 Abs. 1 StGB) führt damit nicht zu Strafbarkeitslücken. Für die Vollendung wird aber immerhin gefordert, dass mindestens für einen der in Frage kommenden Adressaten die Möglichkeit zur Kenntnisnahme bestanden hat (vgl. Tz. 39 f.).

[28] Dannecker, in: GroßKo-HGB, § 331 HGB Rn. 11; Waßmer, in: MüKo-BilR, § 331 HGB Rn. 4.

cc) Sonderdelikt/Probleme bei Arbeitsteilung

 

Tz. 12

§ 331 HGB ist ein Sonderdelikt, d. h. als Täter kommt von vornherein (unabhängig von einer etwaigen Tat­herrschaft) nur ein beschränkter Adressatenkreis in Betracht, in erster Linie die Mitglieder des vertretungsberecht...

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