I. Überblick

 

Tz. 1

Bilanz- oder Rechnungslegungsdelikte finden sich in verschiedenen Gesetzen. Die hier kommentierten Straftatbestände des § 331 HGB (Unrichtige Darstellung) und des § 332 HGB (Verletzung der Berichtspflicht), die Bußgeldtatbestände in § 334 HGB und die Ordnungsgeldvorschriften in den §§ 335, 335 a HGB vereinheitlichen in Bezug auf KapGes die Sanktionierung der Verletzung der in den §§ 242 ff. HGB niedergelegten gesetzlichen Verpflichtungen. Den Vorschriften liegt der Gedanke zu Grunde, dass die erhöhte Gefahr für den Rechtsverkehr, die von einer Haftungsbeschränkung ausgeht, mit erhöhten und sanktionsbewehrten Publizitätspflichten ausgeglichen werden muss.[1] Adressaten der Regelungen sind die Repräsentanten des Unternehmens, in erster Linie die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrats, darüber hinaus die unabhängigen Abschlussprüfer und ihre Gehilfen (zum Sonderdelikt vgl. Tz. 12 ff., 161 f.). In § 335b HGB wird die Anwendbarkeit auf weitere Gesellschafts- und Unternehmensformen (OHG und KG ohne natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter) erweitert. Die publizitätspflichtigen Unternehmen verdienen ebenfalls Schutz, und zwar hinsichtlich ihrer Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse; dies wird durch § 333 HGB (Verletzung der Geheimhaltungspflicht) gewährleistet.

 

Tz. 2

Zur Deliktsnatur, Regelungstechnik und weiteren allgemeinen Fragestellungen siehe die Kommentierungen zu § 331 HGB (vgl. Tz. 10 ff.), § 334 HGB (vgl. Tz. 160 ff.) und §§ 335, 335a HGB (vgl. Tz. 208 ff.). Zum Straf-, Ordnungswidrigkeiten- und Ordnungsgeldverfahren sowie den möglichen Rechtsfolgen für Täter, Teilnehmer und Unternehmen vgl. Tz. 70 ff., 194 ff., 220 ff.

 

Tz. 3

Verweisungen auf die §§ 331335c HGB finden sich in den (hier nicht mitkommentierten) branchenspezifischen §§ 340m340o, 341m341p HGB (Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute, Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds). Nicht im klassischen Sinne Bestandteil der Rechnungslegung, aber parallel ausgestaltet sind die Vorgaben für Unternehmen des Rohstoffsektors in §§ 341x, 341y HGB. Vergleichbare Strafvorschriften außerhalb des HGB finden sich in § 400 AktG, § 82 GmbHG, § 147 GenG, § 313 UmwG, § 17 PublG (Unrichtige Darstellung) und § 403 AktG, § 150 GenG, § 314 UmwG, § 18 PublG (Verletzung der Berichtspflicht); sie kommen meist nur subsidiär zur Anwendung. Die bilanzgestützte Kursmanipulation wird zudem nach den §§ 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 11 i. V. m. 20a Abs. 1 WpHG sanktioniert. Weit größte praktische Bedeutung haben die bilanz- und inventarbezogenen §§ 283 Abs. 1 Nr. 5–7, 283b StGB;[2] diese kommen unabhängig von der Rechtsform, aber nur im Insolvenzfall bei jedem zur Anwendung, der zur Führung von Handelsbüchern gesetzlich verpflichtet ist. Dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen dienen die § 404 AktG, § 85 GmbHG, § 151 GenG, § 315 UmwG, § 19 PublG und vor allem § 203 StGB sowie § 17 UWG.

[1] Dannecker, in: GroßKo-HGB, Vor § 331 HGB Rn. 2; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht Besonderer Teil, 3. Aufl., München 2011, Rn. 446.
[2] Vgl. dazu die einschlägigen Kommentierungen: Fischer, StGB, § 283 StGB Rn. 19 ff., § 283b StGB Rn. 4; Heine/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 283 StGB Rn. 28 ff., § 283b StGB Rn. 1 ff.; Wegner, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Hdb. Wirtschaftsstrafrecht, VII/1 Rn. 142 ff.

II. Entstehungsgeschichte

 

Tz. 4

Die §§ 331 ff. HGB gehen auf verschiedene europäische Harmonisierungsmaßnahmen zurück.[3] Als Umsetzung der vierten, siebten und achten EG-RL zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts[4] wurden sie durch das BiRiLiG v. 19.12.1985 im dritten Buch des HGB zusammenfassend geregelt. Die bisherigen spezialgesetzlichen Strafvorschriften (vgl. Tz. 3) wurden dabei ersetzt bzw. überlagert.[5] Neu waren die Ordnungswidrigkeitentatbestände des § 334 HGB, die Verstöße gegen einzelne Rechnungslegungsnormen ahnden. § 335 HGB wurde zunächst als Zwangsgeldvorschrift ausgestaltet, mit dem Ziel die Erfüllung bilanzrechtlicher Vorschriften durch eine solche Beugemaßnahme zu erzwingen.[6]

 

Tz. 5

Die §§ 331 ff. HGB erfuhren danach zahlreiche Änderungen und Erweiterungen,[7] etwa auf bestimmte Gesellschafts- und Unternehmensformen durch das BankBiRiLiG v. 30.11.1990[8] (§ 340m HGB), das KWG-ÄndG v. 21.12.1992[9] (Erweiterung von §§ 331 Nr. 1, 2, 332 Abs. 1 HGB um den Zwischen- und Konzernabschluss), das VersRiLiG v. 24.06.1994 (§ 341 m HGB), das KapCoRiLiG v. 24.02.2000 (§ 335b HGB) oder, zwecks Anpassung an internationale Bedürfnisse, etwa durch das BilReG v. 04.12.2004 (Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards, § 331 Nr. 1a HGB). In jüngerer Zeit wurde durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG),[10] als Reaktion auf den Enron-Skandal in den USA, in Anlehnung an den Sarbanes-Oxley-Act 2002[11] in § 331 Nr. 3a HGB ein oft als "Bilanzeid" bezeichneter Tatbestand geschaffen. Das Zwangsgeldverfahren wurde durch das EHUG v. 10.11.2006, im Wege dessen auch das Registerwesen umfassend reformiert wurde, in ein Ordn...

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