Tz. 38

Die Haftung des Abschlussprüfers aus § 323 Abs.  1 Satz 3 HGB beschränkt sich einerseits auf die Haftung gegenüber der geprüften Gesellschaft bzw. verbundenen Unternehmen und ist andererseits gem. § 323 Abs.  2 HGB bei fahrlässig verursachter Pflichtverletzung der Höhe nach beschränkt. Daher werden in Rechtsprung und Literatur weitere Anspruchsgrundlagen diskutiert, mit denen die Haftung des Abschlussprüfers erweitert werden kann. Hintergrund ist die Informationsfunktion des JA, die bei Gläubigern und Anlegern zu Fehlvorstellungen führen kann, wenn der JA fehlerhaft ist. Das Kardinalproblem bei vertraglichen Ansprüchen ist die mögliche Sperrwirkung von § 323 Abs.  1 Satz 3 HGB.[121] Für deliktische Ansprüche kommt es darauf an, inwieweit Vorschriften als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs.  2 BGB taugen bzw. die strengen Voraussetzungen von § 826 BGB erfüllt sind.

[121] Ebke, in: MüKo-HGB, § 323 HGB Rn. 120; Habersack/Schürnbrand, in: GroßKo-HGB, § 323 HGB Rn. 53.

1. Vertragliche Anspruchsgrundlagen

 

Tz. 39

Ein Auskunftsvertrag kommt nicht allein deswegen zustande, weil der Auskunftsempfänger ein besonderes Interesse an der Auskunft hat und der Erklärende besondere Sachkunde aufweist.[122] Es muss ein Bindungswille hinzukommen, der vornehmlich über einen persönlichen Kontakt hergestellt wird, z. B. wenn der Abschlussprüfer Zusicherungen abgibt bzw. verspricht, Anregungen des Auskunftsempfängers nachzuprüfen.[123] Eine derartige Kontaktaufnahme kann bei einer Pflichtprüfung so gut wie nie angenommen werden; insbesondere genügt nicht die bloße Übersendung eines Mehrfachexemplars des Prüfungsberichts.[124] Der Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) scheidet grundsätzlich aus.[125]

 

Tz. 40

§ 311 Abs.  3 BGB kommt ebenfalls nicht zur Anwendung. Die Fallgruppe der Sachwalterhaftung kommt nicht zur Anwendung, weil der Abschlussprüfer bei der Pflichtprüfung so gut wie nie ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt oder an der Abschlussprüfung ein besonderes persönliches Eigeninteresse hat.[126] Das zu erwartende Honorar kann nicht zum Eigeninteresse führen.[127] Das ist allenfalls dann anders, wenn ein Abschlussprüfer z. B. an Vertragsverhandlungen teilnimmt und zugunsten des einen Verhandlungspartners auftritt und den JA in besonderer Weise erläutert;[128] die bloße Teilnahme an Vertragsverhandlungen genügt noch nicht.[129] So wurde eine Haftung des Abschlussprüfers gegenüber den GmbH-Gesellschaftern angenommen, wenn der Abschlussprüfer bei der Abschlussprüfung wusste, dass diese ihre Anteile veräußern werden und der geprüfte JA Grundlage für Verhandlungen und Kaufpreis ist.[130] Ob die Expertenhaftung auf § 311 Abs.  3 BGB gestützt werden kann, ist umstritten. Letztlich ist die Vorschrift nicht einschlägig, weil eine etwaige Dritthaftung ausschließlich auf den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gestützt werden kann, der eigenständigen Charakter hat.[131] Auch weitere vertragliche und vorvertragliche Ansprüche sind zu verwerfen[132] – so z. B. auch Haftung für vorvertragliches Vertrauen.[133]

[122] BGH v. 17.9.1985, VI ZR 73/84, NJW 1986, 180 (181); Ebke, in: MüKo-HGB, § 323 HGB Rn. 127.
[124] Ebke, in: MüKo-HGB, § 323 HGB Rn. 127.
[125] Ebke, in: MüKo-HGB, § 323 HGB Rn. 131.
[126] Ebke, in: MüKo-HGB, § 323 HGB Rn. 114; i. Erg. auch Schmidt/Feldmüller, in: BeckBilKo, § 323 HGB Rn. 222.
[127] Schmidt/Feldmüller, in: BeckBilKo, § 323 HGB Rn. 223.
[128] Schmidt/Feldmüller, in: BeckBilKo, § 323 HGB Rn. 222.
[130] BGH v. 28.5.1997, III ZR 277/95, BB 1997, 1685; als Vorinstanz OLG Stuttgart v. 25.7.1995, 12 U 57/94, WPK-Mitt. 1995, 222.
[131] Ebke, in: MüKo-HGB, § 323 HGB Rn. 117 f.; i. Erg. auch Schmidt/Feldmüller, in: BeckBilKo, § 323 HGB Rn. 225 ff.; a. A. Habersack/Schürnbrand, in: GroßKo-HGB, § 323 HGB Rn. 57 m. w. N. in Fn. 171.
[132] Ebke, in: MüKo-HGB, § 323 HGB Rn. 169 f.

2. Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

 

Tz. 41

Am stärksten in der Diskussion steht der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.[134] Das beruht darauf, dass Dritte mit dem Jahresabschluss in Berührung kommen und diese Informationen als Grundlage für ihr Verhalten als Anleger oder Kreditgläubiger nehmen. Notwendige Voraussetzungen für die Einbeziehung in die Schutzwirkungen eines fremden Vertrags sind die Leistungsnähe des Dritten, ein Einbeziehungsinteresse des Gläubigers, die Erkennbarkeit der Einbeziehung für den Leistungsschuldner und die Schutzbedürftigkeit des Dritten.[135] Wegen der Informationsfunktion des JA kommen Dritte grundsätzlich wie die Gesellschaft selbst mit dem geprüften JA in Berührung.[136] Zumeist wird es auch im Interesse der Gesellschaft als Gläubigerin des JA liegen, durch Vorzeigen des JA Dritte mit der Prüfungsleistung in Berührung kommen zu lassen.[137] Der Bundesgerichtshof hat den Einbeziehungswillen aber abgelehnt, wenn die BaFin einen Abschlussprüfer mit einer Sonderprüfung beauf...

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