I. Aktienrecht

1. Der Grundfall – § 62 AktG und § 134 InsO

 

Tz. 52

Ist der JA nichtig, hat der Gewinnverwendungsbeschluss keine Grundlage (§ 253 Abs.  1 Satz 1 AktG). Der ausgeschüttete Gewinn kann gem. § 62 Abs.  1 Satz 1 AktG zurückgefordert werden. Weil es sich in diesem Fall um Gewinnanteile handelt, ist dieser Anspruch ausgeschlossen, wenn der Aktionär redlich war. Leicht fahrlässige Kenntnis von der fehlenden Bezugsberechtigung ist bereits schädlich.[178] Wird der nichtige JA geheilt, basiert der ausgeschüttete Gewinn auf einer wirksamen Grundlage, so dass § 62 AktG grundsätzlich ausscheidet.[179] Neben § 62 AktG ist stets § 134 InsO zu beachten.[180] Es fehlt die Rechtsgrundlage, so dass es sich um eine unentgeltliche Leistung handelt. Die Leistung kann – wegen der unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen – auch vom redlichen Aktionär zurückverlangt werden.[181] Ist der JA geheilt, ist der Gewinn allerdings nicht mehr unentgeltlich bezogen, sodass § 134 InsO ausscheidet.[182]

[178] Ausführlich Bayer, in: MüKo-AktG, § 62 AktG Rn. 69.
[179] Mock, Die Heilung fehlerhafter Rechtsgeschäfte, Tübingen 2014, 601 f.; Mylich, AG 2011, 765 (766).
[180] Ausführlich Mylich, AG 2011, 765 (767 ff.); ebenso für das AktG Westermann, in: Bürgers/Körber (Hrsg.), AktG, 3. Aufl., Heidelberg u. a. 2014, § 62 AktG Rn. 3; für das GmbH-Recht z. B. Verse, in: Scholz, GmbHG, § 31 GmbHG Rn. 34.
[181] Mylich, AG 2011, 765 (768).
[182] Mylich, AG 2011, 765 (768 f.).

2. Die vertraglich abhängige AG

 

Tz. 53

Handelt es sich bei der AG um eine durch Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag abhängige AG, muss gem. § 302 AktG ihr Jahresfehlbetrag durch das herrschende Unternehmen ausgeglichen werden; der Jahresüberschuss ist gem. § 301 AktG abzuführen. Wird unzutreffend hoher Jahresüberschuss abgeführt bzw. zu wenig vom Jahresfehlbetrag ausgeglichen, weil ein fehlerhafter JA vorlag, ist umstritten, welche Anspruchsgrundlagen heranzuziehen sind. § 62 AktG und § 302 AktG analog müssen nebeneinander angewendet werden.[183] § 62 AktG allein genügt nicht, weil Redlichkeit des herrschenden Unternehmens zum Ausschluss einer Rückforderung führt. Die Gewinnabführung gem. § 301 AktG ist einer Dividendenausschüttung vergleichbar, sodass § 62 Abs.  1 Satz 2 AktG auch hier angewendet werden kann.[184] Außerdem taugt § 62 AktG nicht zur Nachzahlung bei einem zu geringen Verlustausgleich. Auch verjährt ein Anspruch aus § 302 AktG gem. § 302 Abs.  4 AktG wegen der Bezugnahme auf die Eintragung der Beendigung des Unternehmensvertrags im Handelsregister z. T. deutlich später als ein solcher aus § 62 AktG (§ 62 Abs.  3 AktG). Hingegen bietet das Nebeneinander von § 62 AktG und § 302 AktG zudem die notwendige Flexibilität, um bei Redlichkeit eine Aufrechnung bzw. die Auflösung innervertraglich gebildeter Gewinnrücklagen zuzulassen (§ 302 Abs.  1 2. Halbsatz AktG) und bei Anwendbarkeit von § 62 AktG bei Übermaßabführung derartiges ggf. auszuschließen (§ 66 Abs.  2 i. V. m. Abs.  1 AktG).[185]

[183] Mylich, AG 2011, 765 (772 ff.); a. A. Brandes, Rückforderung übermäßig abgeführter Gewinne nach Beendigung eines Ergebnisabführvertrages, in: Hoffmann-Becking/Hüffer/Reichert (Hrsg.), Liber Amicorum für Martin Winter, Köln 2011, 43 (50 ff. und 55 ff.).
[184] Hennrichs, ZHR 174 (2010), 683 (700); Mylich, AG 2011, 765 (773 f.).
[185] Mylich, AG 2011, 765 (773).

3. Die faktisch abhängige AG

 

Tz. 54

Ist die AG nur faktisch abhängig, ist § 62 AktG bei der Auszahlung von Scheingewinnen nicht durch die §§ 311 ff. AktG verdrängt.[186] Daher kommen § 62 AktG und § 317 AktG nebeneinander zur Anwendung. § 317 AktG kann aber nur angewendet werden, wenn das herrschende Unternehmen Einfluss auf die Rechnungslegung der faktisch abhängigen AG genommen hat. Die Einflussnahme muss aber nicht kausal für den Fehler gewesen sein.[187] Zu beachten ist die zusätzliche Haftung der gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens, das die Einflussnahme veranlasst hat (§ 317 Abs.  3 AktG). § 134 InsO ist auch hier anwendbar.[188]

[186] Ausführlich zu diesem Problem, was bei der Diskussion um ein verdrängende Wirkung der §§ 311, 317 AktG zu §§ 57, 62 AktG nicht separat behandelt wird Mylich, AG 2011, 765 (769 ff.).
[187] Mylich, AG 2011, 765 (772).
[188] Mylich, AG 2011, 765 (769).

II. GmbH-Recht

 

Tz. 55

Wäre bei zutreffender Bilanzierung eine Unterbilanz ausgewiesen worden, wären Ausschüttungen an die GmbH-Gesellschafter unzulässig gewesen. § 31 GmbHG statuiert einen strengen Erstattungsanspruch, der sich auf die volle Höhe des an den Gesellschafter ausgezahlten Betrags beläuft.[189] § 31 Abs.  3 GmbHG statuiert eine Ausfallhaftung der Mitgesellschafter, die sich jedoch auf die Höhe des Stammkapitals beläuft, wobei der eigene Anteil nicht abgezogen werden kann.[190] Es ist zu beachten, dass es anders als bei der Geschäftsführerhaftung gem. § 43 Abs.  3 GmbHG nicht auf Verschulden des Gesellschafters ankommt. Anders als die Gesellschafterhaftung für Kapitalaufbringung ist die Haftung für unzulässige Einlagenrückgewähr nur eine schuldrechtliche und keine mitgliedschaftliche Verbindlichkeit, sodass ein Anteilserwerb...

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