I. § 323 HGB

 

Tz. 14

 

§ 323 Verantwortlichkeit des Abschlußprüfers

(1) Der Abschlußprüfer, seine Gehilfen und die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft sind zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung und zur Verschwiegenheit verpflichtet; § 57b der Wirtschaftsprüferordnung bleibt unberührt. Sie dürfen nicht unbefugt Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse verwerten, die sie bei ihrer Tätigkeit erfahren haben. Wer vorsätzlich oder fahrlässig seine Pflichten verletzt, ist der Kapitalgesellschaft und, wenn ein verbundenes Unternehmen geschädigt worden ist, auch diesem zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Mehrere Personen haften als Gesamtschuldner.

(2) Die Ersatzpflicht von Personen, die fahrlässig gehandelt haben, beschränkt sich auf eine Million Euro für eine Prüfung. Bei Prüfung einer Aktiengesellschaft, deren Aktien zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, beschränkt sich die Ersatzpflicht von Personen, die fahrlässig gehandelt haben, abweichend von Satz 1 auf vier Millionen Euro für eine Prüfung. Dies gilt auch, wenn an der Prüfung mehrere Personen beteiligt gewesen oder mehrere zum Ersatz verpflichtende Handlungen begangen worden sind, und ohne Rücksicht darauf, ob andere Beteiligte vorsätzlich gehandelt haben.

(3) Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit besteht, wenn eine Prüfungsgesellschaft Abschlußprüfer ist, auch gegenüber dem Aufsichtsrat und den Mitgliedern des Aufsichtsrats der Prüfungsgesellschaft.

(4) Die Ersatzpflicht nach diesen Vorschriften kann durch Vertrag weder ausgeschlossen noch beschränkt werden.

(5) (weggefallen)

1. Einleitung

a) Überblick

 

Tz. 15

§ 323 HGB regelt die Haftung des Abschlussprüfers. Die Vorschrift enthält nicht nur einen § 280 BGB vergleichbaren Haftungstatbestand, sondern präzisiert die Anforderungen, erweitert den Kreis der Haftungsadressaten gegenüber den allgemeinen zivilrechtlichen Maßstäben durch Gewährung eines Direktanspruchs gegen Gehilfen und Vertreter, beschränkt die Haftsumme und versagt einen Haftungsausschluss bzw. eine Haftungsbeschränkung im Vorfeld. § 323 HGB ist jedoch nicht die einzige Haftungsvorschrift, sodass im Anschluss weitere Anspruchsgrundlagen untersucht werden müssen.

b) Geltungsbereich

 

Tz. 16

Der Abschlussprüfer haftet gem. § 323 Abs.  1 Satz 3 HGB sowohl der Kapitalgesellschaft bzw. einer gem. § 264a HGB gleichgestellten Gesellschaft als auch einem verbundenen Unternehmen, wenn bei der Abschlussprüfung durch vorsätzliche oder fahrlässige Pflichtverletzung Schäden verursacht worden sind. Die Vorschrift findet auch bei anderweitiger Bilanzprüfung Anwendung, soweit es sich um gesetzlich zwingend vorgeschriebene Prüfungen handelt. Da sind: Gründungsprüfung (§ 49 AktG), Sonderprüfung (§§ 144, 258 Abs.  5 Satz 1 AktG), Prüfung bei Unternehmensverträgen bzw. Eingliederung (§§ 293d Abs.  2, 320 Abs.  3 AktG), Bilanzprüfung bei der nominellen Kapitalerhöhung (§ 209 Abs.  4 Satz 2 AktG, § 57f Abs.  3 Satz 2 GmbHG), Gründungsprüfung gem. § 53 AktG oder Prüfungen bei Umwandlungsvorgängen nach dem UmwG (§ 11 Abs.  2 UmwG).[40] Trotz fehlenden Verweises soll § 323 HGB auch bei der Verschmelzung mit Nachgründungscharakter und der Kapitalerhöhung bei Sacheinlagen einschlägig sein.[41] § 323 HGB soll hingegen nicht bei freiwilligen Abschlussprüfungen anwendbar sein (vgl. Tz. 37). Handelt es sich aber um eine prüfungspflichtige Gesellschaft, die gem. § 264 Abs.  3 HGB disponieren kann, bleibt die Vorschrift relevant, wenn nur auf Teile des zweiten Abschnitts vom dritten HGB-Buch für die verbleibende Prüfung verzichtet wird.[42]

[40] Ausführliche Übersichten bei ADS, § 323 HGB Rn. 6; Bormann/Greulich, in: MüKo-BilR, § 323 HGB Rn. 19 ff.
[41] ADS, § 323 HGB Rn. 7; Bormann/Greulich, in: MüKo-BilR, § 323 HGB Rn. 22.
[42] ADS, § 323 HGB Rn. 9.

c) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 17

Mit der erstmaligen Einführung einer Pflichtprüfung für Aktiengesellschaften wurde die Abschlussprüferhaftung in § 262 g des HGB 1931 geregelt (damaliger Gesetzesentwurf: § 124 HGB). Wegen der Gefahr enormer Schäden bei kleinsten Pflichtverletzungen bestanden Schwierigkeiten, die Abschlussprüfer zu versichern, sodass als Haftungsgrenze für fahrlässige Pflichtverletzungen 100.000 RM festgelegt wurde.[43] Die Vorschrift wurde ohne Änderungen in § 141 AktG 1937 überführt.[44] § 168 AktG 1965 erweiterte den Kreis der Anspruchsberechtigten auf abhängige bzw. beherrschende Unternehmen, soweit sie durch Pflichtverletzungen bei der Abschlussprüfung einen Vermögensschaden erlitten hatten.[45] Durch das BiRiLiG wurde die Pflichtprüfung für alle Kapitalgesellschaften eingeführt, soweit es sich nicht um kleine i. S. d. § 267 Abs.  1 HGB handelt. Die Haftsumme wurde auf 500.000 DM erhöht.[46] Diese als zu niedrig empfundene Summe wurde durch das KonTraG vom 27.04.1998 auf zwei Mio. DM angehoben.[47] Für Aktiengesellschaften mit Börsenzulassung wurde acht Mio. DM als Haftungshöchstbetrag festgelegt.

[43] Ebke, in: MüKo-HGB, § 323 HGB Rn. 4.
[44] Ebke, in: MüKo-HGB, § 323 HGB Rn. 5.
[45] Ebke, in: MüKo-HGB, § 323 HGB Rn. 5.
[46] Ebke, in:...

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