Tz. 41

Am stärksten in der Diskussion steht der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.[134] Das beruht darauf, dass Dritte mit dem Jahresabschluss in Berührung kommen und diese Informationen als Grundlage für ihr Verhalten als Anleger oder Kreditgläubiger nehmen. Notwendige Voraussetzungen für die Einbeziehung in die Schutzwirkungen eines fremden Vertrags sind die Leistungsnähe des Dritten, ein Einbeziehungsinteresse des Gläubigers, die Erkennbarkeit der Einbeziehung für den Leistungsschuldner und die Schutzbedürftigkeit des Dritten.[135] Wegen der Informationsfunktion des JA kommen Dritte grundsätzlich wie die Gesellschaft selbst mit dem geprüften JA in Berührung.[136] Zumeist wird es auch im Interesse der Gesellschaft als Gläubigerin des JA liegen, durch Vorzeigen des JA Dritte mit der Prüfungsleistung in Berührung kommen zu lassen.[137] Der Bundesgerichtshof hat den Einbeziehungswillen aber abgelehnt, wenn die BaFin einen Abschlussprüfer mit einer Sonderprüfung beauftragt.[138]

 

Tz. 42

Letztlich ist der kritische Kern einer vertraglichen Dritthaftung die Erkennbarkeit für den Abschlussprüfer als Schuldner der Prüfungsleistung, inwieweit Dritte einbezogen werden sollen.[139] Als Maßstab wird die Wertung des § 323 Abs.  2 HGB herangezogen, dass der Abschlussprüfer für einen Bestätigungsvermerk gerade nicht unbegrenzt haften soll.[140] Damit verbunden ist die fehlende Erkennbarkeit für den Abschlussprüfer im Hinblick auf die Vielzahl Dritter, die mit dem geprüften JA in Berührung kommen und z. B. eine Gläubigerstellung gegenüber der Gesellschaft begründen.[141] Weder kommt dem Bestätigungsvermerk eine besondere Bedeutung für eine Dritthaftung zu,[142] noch muss ein Abschlussprüfer damit rechnen, dass zumindest die Hausbank ihre Entscheidungen auf den geprüften JA stützen wird.[143] Eine Schutzwirkung zugunsten (bestimmter) Dritter ist allenfalls dann anzunehmen, wenn der Abschlussprüfer weiß, dass bestimmte Dritte den konkreten JA als Entscheidungsgrundlage heranziehen werden.[144] Selbst das ist ausgeschossen, wenn die Entscheidung einer Bank zur Kreditausreichung erhebliche Zeit nach Prüfung des JA fällt, so dass die kausale Verknüpfung zwischen Heranziehung des JA und der Kreditvergabeentscheidung nicht mehr gewahrt ist.[145] Diese Prinzipien gelten ebenso bei einer freiwilligen Abschlussprüfung.[146] Hingegen sind bei einem Prospektprüfungsvertrag die Anleger in die Schutzwirkungen einbezogen,[147] weil § 323 HGB als Wertungsvorschrift gerade nicht heranzuziehen ist.[148]

 

Tz. 43

Diese Sichtweise wird von der ganz überwiegenden Meinung in der Literatur geteilt.[149] Für die Nichteinbeziehung Dritter in den Prüfungsvertrag wird einerseits auf Wortlaut und Gesetzesgeschichte hingewiesen, woraus sich ergebe, dass verbundene Unternehmen einbezogen werden sollen, es aber bei diesen bleibe.[150] Ungeachtet dessen ordnet § 11 Abs.  2 Satz 2 UmwG nach einem Verweis auf § 323 HGB spezialgesetzlich ausdrücklich die Einbeziehung der Anteilseigner in die Vertragswirkungen für den dort geregelten Fall (Verschmelzungsprüfer) an.[151]

[134] Umfassend zum Diskussionsstand z. B. Ebke, in: MüKo-HGB, § 323 HGB Rn. 132 ff.; Schmidt/Feldmüller, in: BeckBilKo, § 323 HGB Rn. 194 ff.
[135] Gottwald, in: MüKo-BGB, § 328 BGB Rn. 167.
[136] Bormann/Greulich, in: MüKo-BilR, § 323 HGB Rn. 137.
[137] A. A. Bormann/Greulich, in: MüKo-BilR, § 323 HGB Rn. 138 ff., wo die Fragen zur Haftungsbegrenzung nicht als solche der Erkennbarkeit für den Abschlussprüfer als Schuldner, sondern als solche des Einbeziehungswillens behandelt werden.
[139] Wie vorliegend wohl auch Gottwald, in: MüKo-BGB, § 328 BGB Rn. 240; a. A. Bormann/Greulich, in: MüKo-BilR, § 323 HGB Rn. 138 ff., die diese Probleme als eine Frage der Einbeziehung durch den Leistungsgläubiger ansehen.
[141] Ebke, in: MüKo-HGB, § 323 HGB Rn. 161.
[142] BGH v. 11.11.2008, III ZR 317/07, juris (Rn. 5).
[144] BGH v. 2.4.1998, III ZR 245/96, BGHZ 138, 257 (262); BGH v. 6.4.2006, III ZR 256/04, BGHZ 167, 155 (164 Rn. 15); Schmidt/Feldmüller, in: BeckBilKo, § 323 HGB Rn 204.
[147] BGH v. 24.4.2014, III ZR 156/13, NZG 2014, 741 (743 Rn. 21); zuvor bereits BGH v. 14.6.2007, III ZR 300/05, NZG 2007, 663 (665 Rn. 21); ausführlich Meixner/Schröder, Wirtschaftsprüferhaftung, Rn. 616 ff.
[149] ADS, § 323 HGB Rn. 196 ff.; Bormann/Greulich, in: MüKo-BilR, § 323 HGB Rn. 135 ff.; Ebke, in...

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