Tz. 32

Die handelsrechtliche Buchführungspflicht ist mit Sanktionen recht unterschiedlicher Art und Natur bewehrt, die zum Teil im Handelsrecht selbst, zum Teil aber auch außerhalb des Handelsrechts vorgesehen sind. Ob man diese Sanktionen als handelsrechtliche[40] oder sonstige Sanktionen qualifiziert, spielt für die Praxis keine Rolle.

[40] Siehe aber Wiedmann, in: Wiedmann/Böcking/Gros (Hrsg.), Bilanzrecht, 3. Aufl., München 2014, § 238 HGB Rn. 36, der die Sanktionen pauschal als nicht handelsrechtlich qualifiziert.

aa) Zivilrechtliche Sanktionen

 

Tz. 33

Die Missachtung der GoB kann in besonderen Fällen zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen. Darüber hinaus macht die Verletzung der Buchführungspflicht den Vorstand oder Geschäftsführer der Gesellschaft in der Regel schadensersatzpflichtig nach § 93 Abs. 2 AktG, § 43 Abs. 2 GmbHG.[41] Die Vorschriften der §§ 238 ff. HGB sind nicht Schutzgesetze i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten Dritter.[42] Daher scheidet ein Anspruch nach dieser Norm aus. Wer sich im Vertrauen auf falsch geführte Bücher an einem kaufmännischen Unternehmen beteiligt, kann für daraus folgende Verluste nicht einen ausgeschiedenen, früher für die Buchführung Verantwortlichen haftbar machen.[43] In Betracht kommt aber ein Schadensersatzanspruch aus Auskunft oder Bescheinigung, gestützt auf Vertrag oder Verschulden bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo) gem. § 311 Abs. 2 und 3 HGB sowie § 826 BGB.

[41] BGH, NJW 1974, 1468; NJW 1986, 54, (55).
[42] RGZ 73, 30, (34).
[43] BGH, BB 1964, 1272, (1273); offen gelassen hingegen von BGHZ 125, 366, (377) (im Ergebnis aber ebenfalls abgelehnt).

bb) Steuerrechtliche Sanktionen

 

Tz. 34

Die Verletzung der handelsrechtlichen Buchführungspflicht stellt wegen der Maßgeblichkeit zugleich eine Verletzung der steuerrechtlichen Buchführungspflicht dar. Mängel der Buchführung beeinträchtigen die steuerrechtliche Beweiskraft der Bücher (Umkehrschluss aus § 158 AO). Die Folge ist, dass der steuerliche Gewinn vom Finanzamt geschätzt werden kann (§ 162 Abs. 2 AO)[44]. Zudem kann die Finanzverwaltung die Buchführungspflicht durch Zwangsgeld erwirken (§ 328 Abs. 1 AO). Die vorsätzliche oder leichtfertige Verletzung der Buchführungspflicht stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, und zwar in Gestalt der Steuergefährdung gemäß § 379 AO, soweit es sich nicht um eine leichtfertige Steuerverkürzung gemäß § 378 AO handelt.[45]

[44] FG München, BeckRS 2005, 26018304.
[45] Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die gesetzliche Begrenzung der Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen GoB für die steuerliche Gewinnermittlung siehe BVerfG, DStRE 2009, 922.

cc) Strafrechtliche Sanktionen

 

Tz. 35

Die Verletzung der Buchführungspflicht nach §§ 238 ff. HGB ist auch strafsanktionsbewehrt: Sie kann strafbar sein etwa bei Zahlungseinstellung oder Insolvenz (sog. Insolvenzstraftaten, §§ 283 Abs. 6, 283 b Abs. 3 StGB), insbesondere im Fall des Bankrott (§ 283 Abs. 1 Nr. 5, 6, 7 StGB) oder in den Fällen des § 283 b Abs. 1 Nr. 1–3 StGB.[46] Die Strafbarkeit entfällt bei rechtlicher oder tatsächlicher Unmöglichkeit zur Buchführung oder Bilanzierung.[47] Schließlich kann eine unrichtige Darstellung nach § 331 HGB strafbar oder als Ordnungswidrigkeiten mit Geldbuße geahndet werden (§ 334 HGB, vgl. Kapitel 21 Tz. 160 ff.).[48]

[46] Dazu BGH, NJW 1979, 1418: NJW 1981, 2206; OLG Düsseldorf, NJW 1980, 1292.
[48] Pohl, wistra 1996, 14; Wolf/Nagel, StuB 2006, 621.

dd) Verwaltungsrechtliche Sanktionen

 

Tz. 36

Schließlich kann die Verletzung der Buchführungspflicht bei einer KapGes zugleich eine Verletzung der Offenlegungspflicht aus §§ 325 ff. HGB darstellen, was mit der Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Mitglieder des Vertretungsorgans der buchführungs- und offenlegungspflichtigen KapGes durch das Bundesamt für Justiz gem. § 335 Abs. 1 HGB geahndet werden kann.

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