I. § 241a HGB

 

Tz. 81

 

§ 241a Befreiung von der Pflicht zur Buchführung und Erstellung eines Inventars

1Einzelkaufleute, die an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht mehr als jeweils 600 000 Euro Umsatzerlöse und jeweils 60 000 Euro Jahresüberschuss aufweisen, brauchen die §§ 238 bis 241 nicht anzuwenden. 2Im Fall der Neugründung treten die Rechtsfolgen schon ein, wenn die Werte des Satzes 1 am ersten Abschlussstichtag nach der Neugründung nicht überschritten werden.

1. Einleitung

a) Überblick

 

Tz. 82

§ 241a dient der Deregulierung der handelsrechtlichen Buchführungs- und Bilanzierungspflichten. Zu diesem Zweck löste der Gesetzgeber die strenge Koppelung der Buchführungspflicht an die Kaufmannseigenschaft in § 238 HGB partiell auf. Bei Einzelkaufleuten mit einem Umsatz von höchstens 600.000 EUR und einem Jahresüberschuss von nicht mehr als 50.000 EUR verzichtet der Gesetzgeber auf die Buchführung und die Aufstellung eines Inventars.[111]

[111] Erhöhung der Beiträge von 500.000 bzw. 50.000 auf 600.000 bzw. 60.000 durch Bürokratieentlastungsgesetz vom 28. Juli 2015, BGBl. I 1400.

b) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 83

§ 241a wurde neu durch das BilMoG 2009 in das HGB eingefügt. Eine Vorläufervorschrift gab es nicht. Auch von europäischer Seite gab es keinerlei Vorgaben. Eine redaktionelle Klarstellung durch Hinzufügung des Wortes "jeweils" vor den Betragsangaben brachte das BilRUG im Jahre 2015.[112]

[112] RegE BilRUG, 66.

c) Geltungsbereich

 

Tz. 84

Die Befreiung von der Buchführungs- und Inventarpflicht ist in subjektiver Hinsicht auf Einzelkaufleute beschränkt. Anwendbar ist § 241a HGB auf den Istkaufmann (§ 1 HGB), den Kannkaufmann (§ 2, § 3 Abs. 2 HGB) sowie den Kaufmann kraft Eintragung (§ 5 HGB). Hingegen sind Gewerbetreibende, deren Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordern, gemäß § 1 Abs. 2 HGB keine Kaufleute, weshalb sie schon deshalb einer Buchführungs- und Bilanzierungspflichten nicht unterliegen.

d) Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven

 

Tz. 85

Die Vorschrift des § 241a HGB, die neu durch das BilMoG 2009 in das HGB eingefügt wurde, ist in dem größeren Zusammenhang der gesetzgeberischen Bemühungen der jüngeren Zeit zu sehen, Rechnungslegung und Bilanzierungspflichten stärker an die individuelle Situation und insbesondere Leistungsfähigkeit der Kaufleute anzupassen. Die Größe des kaufmännischen Unternehmens ist das zentrale Differenzierungskriterium des Gesetzgebers, wobei Unternehmensgröße hier wie auch andernorts im Bilanzrecht durch die Kriterien der Umsatzerlöse und des Jahresüberschusses definiert wird. Im Ergebnis führt dies dazu, dass erstmalig in der neueren Handelsrechtsgeschichte Kaufmannseigenschaft und Buchführungspflicht nicht mehr vollständig Hand in Hand gehen. Der Gesetzgeber hat dies ausdrücklich mit der Notwendigkeit einer Deregulierung des Bilanzrechts und der Senkung der Kosten der Buchführung für Kleinunternehmer begründet.[113]

 

Tz. 86

Die ursprünglich diskutierte Befreiung auch kleiner Personenhandelsgesellschaften und Genossenschaften wurde wegen ungeklärter gesellschaftsrechtlicher Folgefragen zurückgestellt. Die Einbeziehung von Personenhandelsgesellschaft und Genossenschaften soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers auf der Grundlage der mit den Einzelkaufleuten gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen geprüft werden.[114]

[113] BR-Drucks. 344/08, BT-Drucks. 16/12407, 84.
[114] BR-Drucks. 344/08, 100; Ballwieser, in MüKo-HGB, § 241a HGB Rn. 2.

2. Erläuterung

a) Befreiungen für Einzelkaufleute

 

Tz. 87

§ 241 a HGB sieht eine Befreiung von der Pflicht zur handelsrechtlichen Buchführung und zur Aufstellung des Inventars ausschließlich für Einzelkaufleute vor. Sie brauchen §§ 238 bis 241 HGB nicht anzuwenden. Es handelt sich um ein Wahlrecht des Kaufmanns. Er kann sich auch dafür entscheiden, freiwillig handelsrechtliche Buchführung zu betreiben und zu Inventarisieren. Nach der Rechtsprechung des BFH fällt die Wahlentscheidung zu Gunsten der Einnahme-Überschussrechnung allerdings erst mit Abschlusserstellung, nicht schon mit der Aufstellung der Eröffnungsbilanz oder der Einrichtung der Buchführung.[115] Mit der Ausübung des Wahlrechts einher geht Befreiung von der Pflicht zur Erstellung eines Jahresabschlusses (§ 242 Abs. 4 HGB). Die Vorschrift des § 241 a HGB ist § 141 Abs. 1 AO nachgebildet, aber nicht mit diesem kongruent.[116] Konzeptionell ist er § 267 Abs. 4 HGB vergleichbar. Entscheidet sich der Kaufmann, der die Größenkriterien für eine Befreiung nach § 241a HGB erfüllt, gegen die Befreiung und für eine freiwillige Buchführung und Inventarisierung, hat er allerdings auch die Vorschriften des HGB betreffen die Buchführungs- und Inventarisierungspflichten zu beachten (Alles-oder-nichts-Lösung). Einen Mittelweg (Buchführung und Inventarisierung "light") nach Gutdünken des Kaufmanns darf es aus Gründen des Verkehrsschutzes nicht geben. Dies ist dem Kaufmann zuzumuten, denn er ist als Kaufmann i. S. v. § 241a HGB nicht gezwungen, Bücher zu führen und die Vorgaben zur Inventarisierung zu befolgen.

[116] Näher Ellerich, in: HdR, § 241a HGB Rn....

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