I. § 241 HGB

 

Tz. 70

 

§ 241 Inventurvereinfachungsverfahren

(1) 1Bei der Aufstellung des Inventars darf der Bestand der Vermögensgegenstände nach Art, Menge und Wert auch mit Hilfe anerkannter mathematisch-statistischer Methoden auf Grund von Stichproben ermittelt werden. 2Das Verfahren muß den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen. 3Der Aussagewert des auf diese Weise aufgestellten Inventars muß dem Aussagewert eines auf Grund einer körperlichen Bestandsaufnahme aufgestellten Inventars gleichkommen.

(2) Bei der Aufstellung des Inventars für den Schluß eines Geschäftsjahrs bedarf es einer körperlichen Bestandsaufnahme der Vermögensgegenstände für diesen Zeitpunkt nicht, soweit durch Anwendung eines den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechenden anderen Verfahrens gesichert ist, daß der Bestand der Vermögensgegenstände nach Art, Menge und Wert auch ohne die körperliche Bestandsaufnahme für diesen Zeitpunkt festgestellt werden kann.

(3) In dem Inventar für den Schluß eines Geschäftsjahrs brauchen Vermögensgegenstände nicht verzeichnet zu werden, wenn

  1. der Kaufmann ihren Bestand auf Grund einer körperlichen Bestandsaufnahme oder auf Grund eines nach Absatz 2 zulässigen anderen Verfahrens nach Art, Menge und Wert in einem besonderen Inventar verzeichnet hat, das für einen Tag innerhalb der letzten drei Monate vor oder der ersten beiden Monate nach dem Schluß des Geschäftsjahrs aufgestellt ist, und
  2. auf Grund des besonderen Inventars durch Anwendung eines den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechenden Fortschreibungs- oder Rückrechnungsverfahrens gesichert ist, daß der am Schluß des Geschäftsjahrs vorhandene Bestand der Vermögensgegenstände für diesen Zeitpunkt ordnungsgemäß bewertet werden kann.

1. Einleitung

a) Überblick

 

Tz. 71

Gegenüber den Anforderungen, die sich aus § 240 Abs. 1 und Abs. 2 HGB aus der Pflicht zur Einzelerfassung durch Vollaufnahme zum Bilanzstichtag als Grundform der Inventur ergeben, erlaubt die Regelung des § 241 HGB unterschiedliche Vereinfachungen. Gestattet werden Stichprobeninventur (Abs. 1), permanente Inventur (Abs. 2) sowie vor- oder nachverlegte Inventur (Abs. 3). Die Stichprobeninventur verzichtet auf die Vollaufnahme und gewährt eine betriebswirtschaftliche Erleichterung des Inventurverfahrens. Hingegen erlauben die permanente Inventur und die vor- oder nachverlegte Inventur Ausnahmen vom Prinzip der Stichtagsbezogenheit. Betriebswirtschaftlich gesehen beziehen sich diese Vereinfachungen auf das Inventursystem. Im Unterschied zum Festwertverfahren nach § 240 Abs. 3 HGB gestatten die Vereinfachungen nach § 241 HGB hingegen nicht, auf die Einzelerfassung zu verzichten. Vielmehr erfolgt die Einzelerfassung nur in einem anderen, vereinfachten Verfahren oder zu einem anderen Zeitpunkt als nach den allgemeinen Grundsätzen.

b) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 72

Mit der Vorschrift des § 241 HGB übernimmt das Gesetz im Wesentlichen die Regelungen des § 239 Abs. 2a–4 HGB a. F.

c) Geltungsbereich

 

Tz. 73

§ 241 HGB teilt den subjektiven Anwendungsbereich der §§ 238 ff. HGB.

d) Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven

 

Tz. 74

Anders als das Festbewertung- und das Gruppenbewertungsverfahren nach § 240 Abs. 3 und Abs. 4 HGB sind die Inventarisierungserleichterungen des § 241 HGB nicht Gegenstand europäischer Harmonisierungsmaßnahmen. Daher stellt sich die Frage nach möglichen Auswirkungen der Bilanzrichtlinie 2013 insoweit nicht.

2. Erläuterung

a) Stichprobenverfahren

 

Tz. 75

Abs. 1 Satz 1 erlaubt ein anerkanntes mathematisch-statistisches Stichprobenverfahren. Voraussetzung ist gem. Abs. 2 Satz 1, dass es den GoB (vgl. Kapitel 1 Tz. 84 ff. und vgl. Kapitel 4 Tz. 125 ff.) entspricht und ein Inventar mit dem gleichen Aussagewert wie bei körperlicher Bestandsaufnahme ermöglicht (Abs. 1 Satz 3).[102] Zu unterscheiden ist zwischen Schätzverfahren (freie oder geschichtete Mittelwertschätzung; gebundene Schätzung) und Testverfahren (insbes. Sequentialtest). Notwendig ist dazu, dass die Stichprobeninventur richtig, vollständig und nachprüfbar erfolgt. Gefordert wird Aussageäquivalenz, und zwar mit einem Sicherheitsgrad von 95 % und relativen Stichprobenfehlern von höchstens 1 % des Werts der Grundgesamtheit.[103]

 

BEISPIEL[104]

Bei der geschichteten Mittelwertschätzung wird aus den Inventurbuchungen einer Produktschicht (mit Werten von 10, 12, 14, 16 und 18 EUR) ein Mittelwert für die Schicht gebildet (14 EUR); das Produkt aus diesem und der Anzahl der Schichtelemente (100) ergibt den Schätzwert der Schicht (1.400 EUR).

Die Summe der Schätzwerte pro Schicht und der Inventurbuchungen des Vollerhebungsraums ergibt den Schätzwert der Lagergesamtheit.

[102] IDW HFA 1/1981; Gans, DStR 1995, 306, ders./Quick, DStR 1995, 1162; Eckmann/Peters, DB 1996, 488.
[103] ADS, § 241HGB Rn. 14; Stichprobenverfahren für die Vorratsinventur bei IDW-HFA 1/81 i. d. F. von 1990, WPg 1990, 649; IDW PS 301 Rn. 12, WPg 2003, 715; siehe ebenso IDW-HFA 1/90 C IV, WPg 1990, 143.
[104] Weitere Beispiele bei Hömberg, DB 1985, 2057; Burkel, BB 1987, 29.

b) Permanente Inventur

 

Tz. 76

Abs. 2 gestattet die Inventur durch Fortrechnung des einmal festgestellten Istbestandes auf Grund der Buchungsunterlagen (perm...

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