Tz. 64
§ 240 Abs. 4 HGB lässt vom Grundsatz der Einzelbewertung (vgl. Tz. 63) – wiederum aus Gründen der Vereinfachung und Aufwandsverringerung – eine weitere wichtige Ausnahme zu: Gleichartige Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens (§ 266 Abs. 2 B I HGB), die Teil des Umlaufvermögens i. S. v. § 247 Abs. 1 HGB sind, ferner andere gleichartige oder annähernd gleichwertige bewegliche Vermögensgegenstände des Anlage- oder Umlaufvermögens sowie Schulden können jeweils zu einer Bewertungsgruppe zusammengefasst werden (sogenannte Gruppenbewertung). Gleichartigkeit i. S. v. Abs. 4 bestimmt sich nach Warengattung oder Funktion der Vermögensgegenstände und setzt zusätzlich annähernde Wertgleichheit voraus. Annähernde Gleichartigkeit gibt Spielraum bis etwa 20 % zwischen höchstem und niedrigstem Einzelwert, setzt aber zusätzlich z. B. Sortimentsgleichheit voraus oder, dass Zu- und Abgänge der einzelnen Vermögensgegenstände in etwa der Zusammensetzung des Gruppenbestands entsprechen.[89] Allerdings erfasst die Entscheidung für die Gruppenbewertung zwingend alle gleichartigen Güter der jeweiligen Gruppe.[90] Für diese Vermögensgegenstände und Schulden gilt dann der gewogene Durchschnittswert , das heißt, sie werden nach dem gewogenen (nicht in anderer Weise ermittelten oder bekannten) Mittelwert der zu Anfang des Geschäftsjahres vorhandenen und während des Geschäftsjahres erworbenen Vermögensgegenstände bewertet. Zulässig sind der einfache und der gleitende gewogene Durchschnittswert.[91] Beim (einfachen) gewogenen periodischen Durchschnittswert werden Anfangs- und Zugangsmengen ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des Zugangs mit dem jeweiligen Preis multipliziert (siehe Beispiel 1). Die daraus folgenden Produkte sind in einer Summe zusammenzufassen. Ermittelt wird dadurch die Gesamtheit der gezahlten Preise. Anfangs und Zugangsmengen sind gleichfalls zu addieren. Die Summe der Preise dividiert durch die Summe der Mengen ist der einfache gewogene Durchschnittswert pro Stück (oder sonstige Mengeneinheit). Für den Ansatz in Inventar und Bilanz ist dieser Durchschnittswert pro Mengeneinheit mit der durch Inventur festgestellten Menge zu multiplizieren. Der gewogene gleitende Durchschnittswert wird im Wege einer fortlaufenden Rechnung ermittelt (vgl. Tz. 75, Beispiel 2). Hier wird der Durchschnittspreis nach jedem Zugang neu berechnet und der Bewertung des folgenden Abgangs zugrunde gelegt. Das Verfahren ist komplizierter, liefert aber genauere Ergebnisse als die einfache Berechnungsmethode und ist bei elektronischer Buchführung das am häufigsten angewandte Verfahren. Korrekturen nach dem Niederstwertprinzip gem. § 253 HGB sind zulässig.[92] Diese in Abs. 4 geregelte Durchschnittsbewertung war schon früher im Handelsrecht zulässig, im Steuerrecht war sie sogar die Regel. Sie darf allerdings nicht zu offenbar unrichtiger Bewertung führen, etwa wenn der Bestand im Geschäftsjahr auf null sinkt. Eine Durchschnittsbewertung ist dann nur für die später angeschafften Bestände zulässig. Unzulässig ist die Durchschnittsbewertung auch bei sinkenden Preisen im Laufe des Geschäftsjahrs. Hier kommt das Niederstwertprinzip zur Anwendung.[93] Abs. 4 ist auch auf den Jahresabschluss anwendbar (§ 256 Satz 2 HGB).
BEISPIEL 1
Beispiel für eine gewogene periodische Durchschnittsbewertung[94]
Anfangsbestand | 01.01.2001 | 150 Stück | zu 23 € | Gesamtwert | 3.450 € |
---|---|---|---|---|---|
+ Zugang | 10.04.2001 | 200 Stück | zu 22 € | Gesamtwert | + 4.400 € |
+ Zugang | 08.09.2001 | 150 Stück | zu 19 € | Gesamtwert | + 2.850 € |
+ Zugang | 02.12.2001 | 100 Stück | zu 25 € | Gesamtwert | + 2.500 € |
600 Stück | 13.200 € | ||||
- Abgang | 05.05.2001 | 420 Stück | zu 22 € | Gesamtwert | - 9.240 € |
Endbestand | 31.12.2001 | 180 Stück | zu 22 € | Gesamtwert | 3.069 € |
Der Durchschnittspreis beträgt 13.200 : 600 Stück = 22 je Stück. Mit diesem Preis werden sowohl die Abgänger als auch der Endbestand bewertet. |
BEISPIEL 2
Beispiel für eine gewogene gleitende Durchschnittsbewertung[95]
Anfangsbestand | 01.01.2001 | 100 Stück | zu 50,00 € | Gesamtwert | 5.000,00 € |
---|---|---|---|---|---|
+ Zugang | 10.04.2001 | 20 Stück | zu 60,00 € | Gesamtwert | + 1.200,00 € |
Gewogene Zwischensumme | 120 Stück | zu 51,67 € | Gesamtwert | 6.200,00 € | |
- Abgang | 18.04.2001 | 25 Stück | zu 51,67 € | Gesamtwert | - 1.291,75 € |
Gewogene Zwischensumme | 95 Stück | zu 51,67 € | Gesamtwert | 4.908,25 € | |
+ Zugang | 08.09.2001 | 40 Stück | zu 55,00 € | Gesamtwert | + 2.200,00 € |
Gewogene Zwischensumme | 135 Stück | zu 52,65 € | Gesamtwert | 7.108,25 € | |
- Abgang | 03.10.2001 | 80 Stück | zu 52,65 € | Gesamtwert | - 4.212,00 € |
Gewogene Zwischensumme | 55 Stück | zu 52,65 € | Gesamtwert | 896,25 € | |
+ Zugang | 02.12.2001 | 30 Stück | zu 45,00 € | Gesamtwert | 1.350,00 € |
Endbestand | 31.12.2001 | 85 Stück | zu 49,95 € | Gesamtwert | 4.246,25 € |
Nach jedem Zugang wird ein neuer Durchschnittspreis ermittelt und jeder Abgang mit diesem neuen Preis erfasst. |
Tz. 65
Unklar ist, ob das Gruppenbewertungsverfahren auch nach der Bilanzrichtlinie 2013 noch zulässig ist. Zweifel könnten sich deshalb ergeben, weil zwar das Festwertverfahren nach Abs. 3 (dazu näher vgl. Tz. 63), das in der Vierten EG-Richtlinie...
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