Tz. 77

Nach Abs. 3 ist es zulässig, die Inventur auch ohne mengenmäßige Bestandsfortschreibung vom Bilanzstichtag zeitlich weg zu verlagern, und zwar sowohl zurück als auch vorwärts (vor- oder nachverlagerte Stichtagsinventur). Erlaubt ist also die wertmäßige Rückrechnung oder Fortschreibung des Bestands ohne ein zu einem einzigen Zeitpunkt erstelltes Gesamtinventar. Voraussetzung sind ein aktuelles Inventar ("besonderes Inventar" i. S. d. § 241 Abs. 3 HGB), dass nicht früher als drei Monate vor und nicht später als zwei Monate nach Schluss des Geschäftsjahrs angefertigt wurde und das entweder durch körperliche Bestandsaufnahme oder durch permanente Inventur nach Abs. 2 aufgestellt wurde (Abs. 3 Nr. 1). Voraussetzung ist ferner, dass aufgrund dieses besonderen Inventars durch Anwendung eines den GoB entsprechenden Fortschreibungs- oder Rückrechnungsverfahrens gesichert ist, dass der am Schluss des Geschäftsjahrs vorhandene Bestand der Vermögensgegenstände für diesen Zeitpunkt ordnungsgemäß bewertet werden kann. Auch hier sind jene Grenzen zu beachten, die bereits nach Abs. 2 gelten (vgl. Tz. 76).[107] Da es für die vor- bzw. nachverlegte Stichtagsinventur keiner eigentlichen Bestandsführung im Sinne einer Lagerbuchführung bedarf, kommt dieses Inventurverfahren auch bei weniger komplex organisierten Unternehmen in Betracht. Insbesondere im Groß- und Einzelhandel, typischerweise etwa in der Apothekenbranche. Im Groß- und Einzelhandel müssen die Waren zur Ermittlung der betreffenden Spannen mit ihren unterschiedlichen Rohgewinnmargen in die Berechnung eingeführt werden.

 

BEISPIEL

Für den Lebensmitteleinzelhandel bietet sich eine Differenzierung an, die zwischen Tiefkühlkost und Frischetheke, alkoholischen und alkoholfreien Getränken etc. unterscheidet. Maßgeblich für die Gliederungs­tiefe im Einzelfall ist die wirtschaftliche Struktur des Unternehmens.[108]

[107] Dazu IDW-HFA 1/90, WPg 1990, 143.
[108] Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 241 Rn. 22.

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