I. § 240 HGB

 

Tz. 50

 

§ 240 Inventar

(1) Jeder Kaufmann hat zu Beginn seines Handelsgewerbes seine Grundstücke, seine Forderungen und Schulden, den Betrag seines baren Geldes sowie seine sonstigen Vermögensgegenstände genau zu verzeichnen und dabei den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden anzugeben.

(2) 1Er hat demnächst für den Schluß eines jeden Geschäftsjahrs ein solches Inventar aufzustellen. 2Die Dauer des Geschäftsjahres darf zwölf Monate nicht überschreiten. 3Die Aufstellung des Inventars ist innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit zu bewirken.

(3) 1Vermögensgegenstände des Sachanlagevermögens sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe können, wenn sie regelmäßig ersetzt werden und ihr Gesamtwert für das Unternehmen von nachrangiger Bedeutung ist, mit einer gleichbleibenden Menge und einem gleichbleibenden Wert angesetzt werden, sofern ihr Bestand in seiner Größe, seinem Wert und seiner Zusammensetzung nur geringen Veränderungen unterliegt. 2Jedoch ist in der Regel alle drei Jahre eine körperliche Bestandsaufnahme durchzuführen.

(4) Gleichartige Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens sowie andere gleichartige oder annähernd gleichwertige bewegliche Vermögensgegenstände und Schulden können jeweils zu einer Gruppe zusammengefaßt und mit dem gewogenen Durchschnittswert angesetzt werden.

1. Einleitung

a) Überblick

 

Tz. 51

Nach § 240 HGB trifft den Kaufmann eine Pflicht zur Inventur und, darauf gestützt, zur Errichtung eines Inventars.[65] Während in Abs. 1 sowie in Abs. 2 Satz 1 und 3 die Durchführung der Inventur und die Aufstellung des Inventars geregelt sind, begrenzt Abs. 2 Satz 2 die Dauer des Geschäftsjahres. Abs. 3 und Abs. 4 erlauben Inventarisierungsvereinfachungen für Gegenstände des Sachanlagevermögens, die regelmäßig ersetzt werden und insgesamt wertmäßig von nachrangiger Bedeutung sind, sowie für gleichartige Gegenstände des Vorratsvermögens. Der Zweck des Inventars liegt in der Dokumentation, die ihrerseits dem Gläubiger- und Gesellschafterschutz, der Beweissicherung und Beweisführung und der Vorbereitung von Jahresabschluss und Konzernabschluss dient.[66]

[65] Grundlegend und monografisch Quick, Inventur, Düsseldorf 2000.
[66] Ballwieser, in: MüKo-HGB, § 240 HGB Rn. 2.

b) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 52

Die Regelungen in § 240 Abs. 1 und 2 HGB gehen auf § 39 Abs. 1 und 2 a. F. zurück, während Abs. 3 im Wesentlichen § 40 Abs. 4 Nr. 2a a. F. entspricht. Die Einschränkungen gegenüber dem früheren Recht sind auf Art. 38 der Vierten EG-Richtlinie zurückzuführen, die ausdrückliche Einbeziehung der Schulden in Abs. 4 geht auf das VersRiLiG von 1994 zurück.[67]

[67] BT-Drucks. 12/7646, 2.

c) Geltungsbereich

 

Tz. 53

§ 240 HGB verpflichtet jeden Kaufmann, ein Inventar aufzustellen. Eine Ausnahme für bestimmte Einzelkaufleute enthält § 241a HGB (vgl. Tz. 84). Der subjektive Anwendungsbereich stimmt also mit demjenigen der §§ 238 und 239 HGB überein. Der Stichtag für das Eröffnungsinventar ist der Zeitpunkt, in dem eine kaufmännische Betriebsorganisation erforderlich wird.[68]

[68] Pöschke, in GroßKo-HGB, § 240 HGB Rn. 4.

d) Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven

 

Tz. 54

Noch nicht geklärt ist die Frage, welche Bedeutung die Bilanzrichtlinie 2013 für die Inventarpflicht nach § 240 HGB hat. Während die Regelung zur Festbewertung in § 240 Abs. 3 textlich weitgehend an Art. 38 der Vierten EG-Richtlinie angelehnt ist, der sich in Art. 12 Abs. 9 der Bilanzrichtlinie 2013 wiederfindet, geht die Gruppenbewertungsregelung in Abs. 4 auf Art. 40 Abs. 1 der Vierten EG-Richtlinie zurück, der nicht in die Bilanzrichtlinie 2013 übernommen wurde (vgl. Tz. 65).

2. Erläuterung

a) Inventar, Inventur, Inventarpflicht, Eröffnungsinventar

 

Tz. 55

Zur Buchführungspflicht eines jeden Kaufmanns gehört die Inventarpflicht. Konsequent gilt die durch BilMoG eingeführte Befreiung des § 241a HGB für "kleine" Kaufleute auch hier. Inventar ist das genaue Verzeichnis aller Vermögensgegenstände und Schulden mit Angabe ihrer Werte (Abs. 1). Das Gesetz spricht vom Anfangs- oder Eröffnungsinventar, das zu Beginn des Handelsgewerbes, das heißt zu Beginn der Buchführungspflicht (vgl. Tz. 30) aufzustellen ist und die Grundlage der Eröffnungsbilanz (vgl. Tz. 99) bildet. Abs. 2 regelt das Inventar zum Schluss des Geschäftsjahrs.[69]

 

Tz. 56

Die Inventur ist der Vorgang der Aufstellung des Inventars. Sie verlangt herkömmlich bei körperlichen Gegenständen (Sachen, Urkunden) eine physische Bestandsaufnahme am Stichtag (Stichtagsinventur). Diese Anforderung ist auch bei noch stichtagsbezogener Bestandsaufnahme, in der Regel bis zu zehn Tage vorher oder nachher, erfüllt (sog. ausgeweitete Stichtagsinventur).[70] Dies gilt entsprechend im Steuerrecht. Maßgeblich sind die Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur (GoI), die Teil der GoB sind, insbesondere der Grundsatz der Klarheit, der Wahrheit, der Vollständigkeit (vgl. Kapitel 4 Tz. 139 f.) und im Ausgangspunkt die Grundsätze der Einzelerfassung und -bewertung. Allerdings bringen die Abs. 3 und 4 sowie § 241 HGB bestimmte Erleichterungen von der Pflicht zur körperlichen Einzelbestandsaufnahme am Stichtag (vgl. Tz. 75 ff.).[71]

 

Tz. 57

Der handelsrechtliche Begriff des Vermögensge...

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