Tz. 21

Das HGB enthält die Vorschriften über die Buchführung (§§ 238 ff. HGB) nur zum Teil und verweist im Übrigen auf die GoB (so ausdrücklich § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB). Den GoB kommt damit zentrale Bedeutung zu. Sie gelten allerdings nicht nur für die eigentliche Buchführung (GoB i. e. S. des § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB), sondern auch für die elektronische Buchführung ("auf Datenträger", § 239 Abs. 4 Satz 1 HGB), ebenso für die Art und Weise der gesamten Rechnungslegung, so für Inventurverfahren (§ 241 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 HGB), für die Aufstellung der Bilanz (§ 243 Abs. 1 HGB), für Bewertungsverfahren (§ 256 Satz 1 HGB), für die Aufbewahrung auf Bildträgern (§ 257 Abs. 3 Satz 1 HGB) und schließlich auch für den Inhalt der Bilanz (true and fair view, § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB). Dabei sind formelle GoB (Buchführungs- und Bilanzierungstechnik, z. B. die doppelte Buchführung, vgl. dazu Tz. 24 ff.) und materielle GoB (etwa allgemeine Bilanzierungsgrundsätze, vgl. Tz. 22 ff. und besondere Regeln zu Gliederung, Ansatz und Bewertung) zu unterscheiden. Zur Rechtsnatur der GoB vgl. Tz. 22 ff., vgl. Kapitel 1 Tz. 84 ff. und vgl. Kapitel 4 Tz. 94 ff.).

 

Tz. 22

Da die GoB als unbestimmter Rechtsbegriff zu qualifizieren sind, ermitteln letztverbindlich die Gerichte ihren Inhalt, wegen des Grundsatzes der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz insbesondere die Finanzgerichte, wobei die Auslegung der revisionsrichterlichen Prüfung unterliegt. Das führt dazu, dass der BFH bei der Auslegung der GoB eine zentrale Rolle spielt.

 

Tz. 23

Die GoB sind Regeln, nach denen der Kaufmann zu verfahren hat, um zu einer den gesetzlichen Zwecken der Information und der Zahlungsbemessung (vgl. Kapitel 1 Tz. 210 ff., 216 ff.) entsprechenden Buchführung und Bilanz zu gelangen. Sie sind indessen nicht als Regeln misszuverstehen, die der tatsächlichen Bilanzierungspraxis entsprächen. Zwar kann für ihre Ermittlung die tatsächliche Übung der Kaufleute eine wichtige Erkenntnisquelle sein, aber diese Übung vermag nicht die GoB rechtsschöpferisch zu gestalten.[31] Denn nach herrschender Ansicht ist für die Gewinnung der GoB nach der deduktive Methode zu verfahren, d. h., sie sind aus den tragenden Bilanzrechtsgrundsätzen herzuleiten. Nicht maßgebend ist demgegenüber die induktive Methode, die die GoB aus der Anschauung ordentlicher, ehrenwerter Kaufleute ableiten will. Daran hat auch das BilMoG 2009 nichts geändert.[32] Inhaltliche Anhaltspunkte für die GoB geben außer dem Gesetz und der Rechtsprechung z. B. die Fachgutachten und Stellungnahmen des IDW, die Fachliteratur (insbesondere die gesicherten Erkenntnisse der Betriebswirtschaftslehre), die Standards (DRS) des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) nach § 342 HGB (speziell im Bereich der Konzernrechnungslegung) sowie die IFRS.[33]

[31] BFH, BStBl. III 1967, 609; BFH GrS, BStBl. II 1969, 291 (292).
[32] Zu den Unterschieden beider Methoden Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 107 ff.
[33] Winnefeld, Bilanz-Hdb, Kapitel D Rn. 30 ff.; Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 107 ff.; Kirsch, StuB 2008, 453; Moxter, WPg 2009, 7; Rammert/Thies, WPg 2009, 34, Hennrichs, WPg 2011, 861.

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