a) Bilanz und Eröffnungsbilanz

 

Tz. 99

Abs. 1 Satz 1 statuiert die grundsätzliche Pflicht eines jeden Kaufmanns (zum Begriff siehe §§ 1 ff. HGB sowie vgl. Tz. 6 ff.) zur Aufstellung der Eröffnungsbilanz und der Jahresabschlussbilanz und regelt ihren Inhalt, soweit alle Kaufleute betroffen sind. Abs. 4 sieht eine Befreiung für "kleine" Kaufleute i. S. d. § 241a HGB vor. Für KapGes gelten weitergehende Anforderungen nach §§ 264 ff. HGB: So ist zusätzlich zur Bilanz und GuV ein Anhang zu erstellen (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB); es gilt eine besondere Frist für die Aufstellung des Jahresabschlusses (§ 264 Abs. 1 Satz 2 HGB); die Bilanz muss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens, Finanz und Ertragslage der Gesellschaft vermitteln (§ 264 Abs. 2 HGB); für die Gliederung ist ein festes Gliederungsschema vorgeschrieben (§ 266 HGB); es gelten zahlreiche besondere Vorschriften für Ansatz, Ausweis und Bewertung (§§ 267 ff. HGB). Die Bilanzierungskompetenz liegt beim Kaufmann, bei Handelsgesellschaften bei der Geschäftsleitung.[127] Der zu Beginn des Handelsgewerbes, also zu Beginn der Buchführungspflicht (vgl. dazu Tz. 30) aufzustellende Abschluss, die sogenannte Eröffnungsbilanz, basiert auf dem Eröffnungsinventar (§ 240 Abs. 1 HGB). Der für den Schluss des Geschäftsjahrs aufzustellende Abschluss, die Bilanz oder Jahresbilanz, beruht auf dem Schlussinventar (§ 240 Abs. 2 HGB). Nach Abs. 1 Satz 2 sind auf die Eröffnungsbilanz die für den Jahresabschluss geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sie sich auf die Bilanz beziehen. Das gilt insbesondere für Gliederung und Bewertung.[128] Die Aufstellungsfrist für die Eröffnungsbilanz ist in §§ 243 Abs. 3 und § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB geregelt.[129] Eine Fristverlängerung ist für kleine KapGes vorgesehen (§ 264 Abs. 1 Satz 3), gilt aber nicht für die Eröffnungsbilanz, denn insoweit fehlt es noch am ordnungsmäßigen Geschäftsgang i. S. v. § 243 Abs. 2 HGB. Von der Aufstellung der Bilanz ist begrifflich wie inhaltlich ihre Feststellung zu unterscheiden.[130] Speziell für die GmbH gilt: Die Eröffnungsbilanz fällt nicht unter § 46 Nr. 1 GmbHG, aber es besteht ein Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung im Hinblick auf Jahresabschluss.[131] Außerdem ist bei der GmbH eine zusätzliche Bilanz auf den Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister wegen der Differenzhaftung nötig.[132] Für die Bilanz nach § 242 HGB als solche besteht keine allgemeine Pflicht zur Abschlussprüfung i. S. v. § 316 HGB oder zur Offenlegung nach § 325 HGB. Diese Pflichten gelten vielmehr grundsätzlich nur für KapGes.[133]

 

Tz. 100

Die Bilanz i. S. v. Abs. 1 ist der für den Schluss eines jeden Geschäftsjahrs das Verhältnis des Vermögens und der Schulden des Kaufmanns darstellende Abschluss (Legaldefinition in Abs. 1 Satz 1). Bilanz ist also ein Abschluss, der auf der linken oder Aktivseite das Vermögen (Summe aller Aktiva), untergliedert in Anlage- und Umlaufvermögen (§ 247 Abs. 1 HGB), und auf der rechten oder Passivseite die Schulden (auch Kapital genannt, Summe aller Passiva), untergliedert in Eigenkapital und Fremdkapital (siehe § 247 Abs. 1 HGB), aufzeigt und gegenüberstellt. Aus der rechten Seite ist die Mittelherkunft (Eigenkapital, bei KapGes vor allem das Stamm- (GmbH) oder Grundkapital (AG); Fremdkapital), aus der linken Seite die Mittelverwendung ersichtlich. Aktiv- und Passivseite der Bilanz sind betragsmäßig definitionsgemäß stets exakt gleich groß. Bilanztechnisch wird das durch Ansatz des Bilanzverlustes auf der Aktivseite bzw. des Bilanzgewinns auf der Passivseite oder durch Ansatz des Jahresüberschusses bzw. des Jahresfehlbetrags auf der Passivseite (§ 266 Abs. 3 A. V. HGB) und des "nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrags" auf der Aktivseite (§ 268 Abs. 3 HGB) erreicht. Die sog Bilanzgleichung lautet: Aktiva = Passiva oder Vermögensformen = Vermögensquellen oder Vermögen = Kapital. Die sog erweiterte Bilanzgleichung lautet: Vermögen = Eigenkapital + Fremdkapital.

[127] Umstritten ist die Feststellungskompetenz bei der KG, näher Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 164 HGB Rn. 3 f.
[128] Zum Inhalt der Eröffnungsbilanz der GmbH und insbesondere zu Sacheinlagen, Unternehmenseinbringung und Gründungskosten näher Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 42 GmbHG Rn. 16 ff. und 45 ff.
[129] Näher Rodewald, BB 1993, 1693.
[130] Hüffer, in: Ulmer BilanzR, § 242 HGB Rn. 16 ff.
[131] Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 42 GmbHG Rn. 12 f.
[132] BGHZ 80, 129 (140).
[133] Bilanzmuster finden sich bei Kraft/Link, in: Hopt, Vertrags- und Formularbuch, Form III.A.1 (Eröffnungsbilanz), Form III. B.2 (Bilanz einer PersonenHdlGes); siehe ferner IDW HFA 2/97, WPg 1997, 235; Anzinger/Schleiter, DStR 2010, 395; Schulze-Osterloh, Eröffnungsbilanz des Einzelkaufmanns in: Kindler ua. (Hrsg.), Festschrift für Uwe Hüffer zum 70. Geburtstag, 2010, 917.

b) Rechtsnatur der Bilanz

 

Tz. 101

Die Bilanz ist nach der Rechtsprechung ein rechtsgeschäftliches Anerkenntnis i. S. d. §§ 780, 781 BGB unter mehreren sie gemeinsam Fes...

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