a) Befreiungen für Einzelkaufleute

 

Tz. 87

§ 241 a HGB sieht eine Befreiung von der Pflicht zur handelsrechtlichen Buchführung und zur Aufstellung des Inventars ausschließlich für Einzelkaufleute vor. Sie brauchen §§ 238 bis 241 HGB nicht anzuwenden. Es handelt sich um ein Wahlrecht des Kaufmanns. Er kann sich auch dafür entscheiden, freiwillig handelsrechtliche Buchführung zu betreiben und zu Inventarisieren. Nach der Rechtsprechung des BFH fällt die Wahlentscheidung zu Gunsten der Einnahme-Überschussrechnung allerdings erst mit Abschlusserstellung, nicht schon mit der Aufstellung der Eröffnungsbilanz oder der Einrichtung der Buchführung.[115] Mit der Ausübung des Wahlrechts einher geht Befreiung von der Pflicht zur Erstellung eines Jahresabschlusses (§ 242 Abs. 4 HGB). Die Vorschrift des § 241 a HGB ist § 141 Abs. 1 AO nachgebildet, aber nicht mit diesem kongruent.[116] Konzeptionell ist er § 267 Abs. 4 HGB vergleichbar. Entscheidet sich der Kaufmann, der die Größenkriterien für eine Befreiung nach § 241a HGB erfüllt, gegen die Befreiung und für eine freiwillige Buchführung und Inventarisierung, hat er allerdings auch die Vorschriften des HGB betreffen die Buchführungs- und Inventarisierungspflichten zu beachten (Alles-oder-nichts-Lösung). Einen Mittelweg (Buchführung und Inventarisierung "light") nach Gutdünken des Kaufmanns darf es aus Gründen des Verkehrsschutzes nicht geben. Dies ist dem Kaufmann zuzumuten, denn er ist als Kaufmann i. S. v. § 241a HGB nicht gezwungen, Bücher zu führen und die Vorgaben zur Inventarisierung zu befolgen.

[116] Näher Ellerich, in: HdR, § 241a HGB Rn. 20 ff.

b) Voraussetzung der Befreiung

 

Tz. 88

Voraussetzung für die Befreiung ist kumulativ, dass an den Stichtagen (vgl. Kapitel 4 Tz. 113 ff.) zweier aufeinanderfolgender Geschäftsjahre der Umsatzerlös nicht mehr als 600.000 EUR und der Jahresüberschuss nicht mehr als 60.000 EUR betragen. Damit wird die zwingende Verknüpfung von Kaufmannseigenschaft und Buchführungs- und Inventarpflicht im Interesse von Kosteneinsparungen gelockert. Im Schrifttum wird diese gesetzgeberische Entscheidung mit dem Hinweis kritisiert, dass es für die Kaufmannseigenschaft gemäß § 1 Abs. 2 HGB auch auf das tatsächliche Erfordernis doppelter Buchführung ankomme.[117] Die von der Buchführungs- und Inventarisierungspflicht befreiten Kaufleute können im nächsten Geschäftsjahr ihre Rechnungslegung auf eine einfache Einnahmen-Überschuss-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG beschränken.[118] Das Erfordernis der Unterschreitung der Schwellenwerte in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren dient der Eliminierung von Zufallsmomenten und der Kontinuität der Rechnungslegung und soll einen jährlichen Wechsel von handels- zu steuerrechtlicher Rechnungslegung verhindern.[119] Zur Feststellung, ob die Schwellenwerte in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren überschritten wurden, genügt eine überschlägige Ermittlung nach den handelsrechtlichen Vorschriften und Grundsätzen. Hingegen ist die Aufstellung eines Jahresabschlusses nach Maßgabe der §§ 238 bis 241 HGB zur Feststellung des Bestehens einer gesetzlichen Verpflichtung zur Buchführung und Inventaraufstellung nicht erforderlich.

 

BEISPIEL 1

Kaufmann X, der sein Unternehmen bereits seit mehreren Jahren betreibt und bisher bilanziert hat, unterschreitet erstmals in dem Geschäftsjahr 01 und in dem darauf folgenden Geschäftsjahr 02 die Schwellenwerte nach § 241a Satz 1 HGB. Da die Vorschrift voraussetzt, dass die Schwellenwerte in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren unterschritten werden, erfüllt X den Tatbestand erst nach Ende des Geschäftsjahres 02. Daher ist er erst ab dem 01.01.03 von der Buchführungspflicht befreit.[120]

Betreibt X das Unternehmen nicht bereits seit mehreren Jahren, sondern hatte es in Geschäftsjahr eins neu gegründet, so ist er bereits für dieses Geschäftsjahr von der Buchführungs- und Inventarisierungspflicht befreit, denn gemäß § 241a Satz 2 HGB tritt die Befreiung bereits dann ein, wenn die Werte des Satz 1 am ersten Abschlussstichtag nach der Neugründung erfüllt sind.

 

BEISPIEL 2

Kaufmann Y unterschreitet mit seinem im Jahre 01 gegründeten Gewerbebetrieb zu den Abschlussstichtagen 01 und 02 die Schwellenwerte. Erstmals zum 31. Dezember 03 überschreitet er die Werte. Da er damit nicht an zwei aufeinanderfolgenden Stichtagen die Werte unterschreitet, ist er ab dem 1. Januar 03 zur Buchführung und Erstellung eines Abschlusses verpflichtet.[121]

[117] Kritik bei Schulze-Osterloh, DStR 2008, 63
[118] RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067 vom 30. Juli 2008, 46.
[119] RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067 vom 30. Juli 2008, 46.
[120] Hoffmann/Lüdenbach, HGB § 241a HGB Rn. 2.
[121] Zwirner/Froschhammer, in: Petersen/Zwirner/Brösel (Hrsg.), Systematischer Praxiskommentar Bilanzrecht, 3. Aufl., Köln 2015, § 241a HGB Rn. 25.

c) Neugründungen

 

Tz. 89

Für Neugründungen genügt das einmalige Unterschreiten der Werte gemäß § 241a Satz 1 HGB zum ersten Abschlussstichtag, Satz 2. Zunächst besteht also stets Buchführungs- und Inventarpflicht. Die Rechtsfolgen des Satzes 1 treten aber i...

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