a) Überblick

 

Tz. 93

§ 242 HGB statuiert die Kardinalpflicht des Kaufmanns zur Aufstellung einer Bilanz, die sich aus dem Jahresabschluss (Abs. 1) und einer Gegenüberstellung der Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahrs, der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV, Abs. 2) zusammensetzt. Systematisch steht die Regelung zwischen den §§ 238241a HGB, die die technisch- formale Seite der Buchführung betreffen, und den §§ 264 ff. HGB, die für KapGes und besondere Personengesellschaften deutlich gesteigerte Anforderungen und insbesondere Transparenzpflichten statuieren.[124]

 

Tz. 94

Rechtsdogmatisch und rechtssystematisch sind die Buchführungs- und Bilanzierungspflicht und dem folgend die §§ 238 ff., §§ 242 ff., §§ 264 ff. HGB nach inzwischen herrschendem und zutreffendem Verständnis dem Privatrecht zuzuordnen (vgl. Kapitel 1 Tz. 178 ff.). Da allerdings die Buchführungspflicht dem Kaufmann jedenfalls auch im Allgemeininteresse auferlegt ist, ist das Bilanzrecht im Grundsatz zwingendes Privatrecht, das der Dispositionsbefugnis des einzelnen Privatrechtssubjekts (Einzelkaufmann, Gesellschaft) entzogen ist.

[124] Walz, in: Heymann, HGB, § 242 HGB Rn. 3.

b) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 95

Die Pflicht des Kaufmanns zur Aufstellung des Jahresabschlusses ergab sich nach altem Recht aus § 39 a. F. Mit dem BilRiLiG 1985 wurde die Pflicht zur Aufstellung einer GuV eingefügt. Die Befreiungsvorschrift für "kleine" Einzelkaufleute in Abs. 4 wurde durch das BilMoG 2009 eingeführt.[125]

[125] Braun, in: KK-RechnR, § 242 HGB Rn. 1

c) Geltungsbereich

 

Tz. 96

Zur Aufstellung der Eröffnungsbilanz zu Beginn des Handelsgewerbes sowie der Bilanz und der GuV jeweils am Ende des Geschäftsjahres sind alle Kaufleute verpflichtet. Die Verpflichtung ist also rechtsform- und branchenunabhängig. Hingegen gibt es für bestimmte Rechtsformen (KapGes und besondere Personengesellschaften, §§ 264 ff. HGB, eingetragene Genossenschaften, §§ 336 ff. HGB) ebenso wie für bestimmte Branchen insbesondere Kreditinstitute, §§ 340 ff. HGB, und Versicherungsunternehmen, §§ 341 ff. HGB, ergänzende Vorschriften für den Umfang des Jahresabschlusses.

 

Tz. 97

Für bestimmte "kleine" Einzelkaufleute ist nach Abs. 4 in Verbindung mit § 241a HGB eine Befreiung von der Aufstellungspflicht vorgesehen (zum Grund vgl. Tz. 85). Die Befreiung greift, wenn an zwei aufeinanderfolgenden Stichtagen die Umsatzerlöse des Einzelunternehmers nicht mehr als 600.000 EUR und der Jahresüberschuss nicht mehr als 60.000 EUR betragen. Im Jahr der Neugründung ist es ausreichend, wenn die Umsatz- und Jahresüberschussgrenzen zum ersten Abschlussstichtag nicht überschritten werden. Soweit die Grenzen zum ersten Bilanzstichtag nicht überschritten werden, entfällt auch die Pflicht zur Aufstellung einer Eröffnungsbilanz.

d) Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven

 

Tz. 98

Die Befreiung für kleine Einzelkaufleute in Abs. 4, die durch das BilMoG 2009 einführt wurde, fügt sich in die allgemeine Tendenz der Gesetzgebung ein, für kleine Unternehmen größenabhängige Erleichterungen und Befreiungen von der allgemeinen Rechnungslegungspflicht vorzusehen. Diese Entwicklung setzt sich in der Bilanzrichtlinie 2013 fort.[126]

[126] Kritisch zu der von ihm so bezeichneten "Inflation" der Größenklassen Luttermann, NZG 2013, 1128 (1131).

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