1. Begriffsverständnis

 

Tz. 59

Das Handelsrecht enthält keine Vorschriften zur Berichtigung und Änderung von Jahresabschlüssen. Ausgehend von dem Befund, dass die Bilanzierungsregeln des HGB Rechtsnormen und daher grds. einzuhalten sind (vgl. Tz. 6), spricht einiges dafür, dass Bilanzansätze korrigiert werden müssen, wenn sie fehlerhaft sind. Dies hätte mitunter praktisch erhebliche Konsequenzen. Andererseits werden Ansätze in der Bilanz mit Feststellung des Jahresabschlusses rechtsverbindlich.[121] Auf diesen Bilanzansätzen beruhen nicht nur mögliche Gewinnansprüche von Gesellschaftern, sondern auch die steuerliche Gewinnermittlung basiert auf ihnen. Aus diesem Grunde darf der Jahresabschluss nicht beliebig geändert werden, wenn er rechtsverbindlich geworden ist.

 

Tz. 60

Das Steuerrecht enthält für die steuerrechtliche Problematik in § 4 Abs.  2 Satz 1 EStG eine eigene Regelung. Danach darf der Steuerpflichtige die Bilanz auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt ändern, soweit sie nicht den GoB und den Vorschriften des EStG entspricht. Das gilt allerdings dann nicht mehr, wenn die Steuerfestsetzung bestandskräftig geworden ist. Darüber hinaus ist eine Änderung der Bilanz gem. § 4 Abs.  2 Satz 2 EStG nur zulässig, wenn ohnehin eine Berichtigung nach § 4 Abs.  2 Satz 1 EStG erforderlich ist und statt des bisher gewählten zulässigen Ansatzes auch ein anderer zulässig wäre, also ein steuerrechtliches Wahlrecht besteht.[122] Unterschieden wird terminologisch daher zwischen Bilanzberichtigung und Bilanzänderung. Bilanzberichtigung ist danach die erfolgswirksame Korrektur eines dem Grunde oder der Höhe nach fehlerhaften Bilanzansatzes. Bilanzänderungen in diesem Verständnis liegen vor, wenn ein zulässiger Bilanzansatz durch einen anderen, ebenfalls zulässigen Bilanzansatz ersetzt wird. Im Steuerrecht werden solche Änderungen oftmals vorgenommen, um Mehrergebnisse als Resultat einer Betriebsprüfung so weit wie möglich zu relativieren.

 

Tz. 61

Handelsrechtlich wird ebenfalls – zumindest in der Sache – zwischen Bilanzberichtigung und Bilanzänderung unterschieden,[123] allerdings mit einer leicht verschobenen inhaltlichen Bedeutung: Unter einer Bilanzänderung ist nicht nur das Ersetzen zulässiger Bilanzansätze durch andere zulässige Bilanzansätze zu verstehen. Vielmehr wird unter Bilanzänderung jede Änderung von Form und Inhalt des Jahresabschlusses verstanden; vor Feststellung besteht rechtlich kein Jahresabschlusses, weshalb vorher auch keine Änderung des Jahresabschlusses möglich ist (vorher kann lediglich die Bilanz geändert werden, was jederzeit möglich ist).[124] Teilweise wird statt von Bilanzänderung und Bilanzberichtigung auch von der Änderung fehlerfreier und der Korrektur fehlerhafter Jahresabschlüsse gesprochen.[125]

[121] Jacobs, in: Beck HdR, B 102 Rn. 3.
[122] Wied, in: Blümich, EStG, § 4 EStG Rn. 970.
[123] Schubert, in: BeckBilKo, § 253 HGB Rn. 802 und 830; Winnefeld, Bilanz-Hdb., Kap. I Rn. 1 ff.
[124] IDW RS HFA 6 Rn. 1 ff., WPg Supplement 2/2007, 77.
[125] Friedl/Buchner, StuB 2014, 138 (184 ff.).

2. Rechtsfolgen nichtiger Jahresabschlüsse

 

Tz. 62

Bei fehlerhaften Jahresabschlüssen ist danach zu differenzieren, ob der Fehler so gewichtig ist, dass der Jahresabschluss gem. § 256 Abs.  1 bis Abs.  5 AktG nichtig ist oder ob der Fehler nicht so gewichtig ist, dass eine Nichtigkeit angenommen werden muss. Kein Fehler liegt vor, wenn der Jahresabschluss unter Verkennung von Tatsachen aufgestellt und festgestellt worden ist, die für einen sorgfältigen Geschäftsleiter nicht erkennbar waren (subjektiver Fehlerbegriff)[126] (vgl. Tz. 21 ff.). Der Umgang mit nichtigen Jahresabschlüssen ist abzugrenzen von der anderweitigen Korrektur von Jahresabschlüssen. Ein gem. § 256 AktG nichtiger Jahresabschluss zeichnet sich dadurch aus, dass ein vermeintlicher Jahresabschluss festgestellt worden ist. Ein Jahresabschluss kann auch vor dem angestrebten Feststellungsbeschluss oder nach einem wirksamen Feststellungsbeschluss geändert werden. Auf diese Konstellationen wird im Anschluss eingegangen (vgl. Tz. 70 ff.). Leidet der Jahresabschluss an einem zur Nichtigkeit führenden Mangel, wurde er aber noch nicht angefochten bzw. ist darüber noch nicht rechtskräftig entschieden worden, kann er nur wie ein rechtlich zulässiger Jahresabschluss geändert werden.[127]

 

Tz. 63

Ist der Jahresabschluss nichtig, ist gem. § 253 Abs.  1 Satz 1 AktG der Gewinnausschüttungsbeschluss auch nichtig.[128] In der Konsequenz davon haben die Aktionäre den bezogenen Gewinn gem. § 62 AktG zu erstatten (vgl. Kapitel 20 Tz. 52). Ab dem Zeitpunkt der Heilung beruhen Feststellungsbeschluss, Gewinnverwendungsbeschluss und Dividendenauszahlung auf gesicherter Grundlage, sodass ein Anspruch aus § 62 AktG entfällt.[129]

 

Tz. 64

Nach Feststellung der Nichtigkeit ist der Jahresabschluss neu aufzustellen, weil er bislang nicht existiert hat.[130] Weil es für Fragen der Wertaufhellung allein auf den Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses ankommt (vgl. Tz. 28), ist es entscheidend, ob Umstände aus dem Geschäftsjahr, für das der Ja...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Merkt, Rechnungslegung nach HGB und IFRS (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge