1. Das Regelungsgefüge des § 256 AktG

 

Tz. 53

Wie bereits ausgeführt, regelt das HGB die Folgen von Bilanzierungsfehlern für die Wirksamkeit des Jahresabschlusses selbst nicht. § 256 AktG, der analog für die GmbH gilt, soweit er passt,[100] schließt diese Lücke. Bei Vorliegen bestimmter Bilanzierungsfehler, die wesentlich sind, erklärt er den festgestellten Jahresabschluss für nichtig. Dieses Schicksal teilt gem. § 253 Abs.  1 Satz 1 AktG dann auch der auf ihm beruhende Gewinnverwendungsbeschluss. In Abs.  6 regelt die Vorschrift Heilungsmöglichkeiten nichtiger Jahresabschlüsse.

Gem. § 256 Abs.  1 Nr. 1 AktG ist der Jahresabschluss nichtig, wenn gläubigerschützende Vorschriften verletzt werden. Das sind grds. die Vorschriften, die der Kapitalerhaltung und Ausschüttungsbegrenzung dienen.[101] Dazu zählen insbesondere die Ansatz- und Bewertungsvorschriften, aber auch die Gliederungsvorschriften der §§ 238 ff. HGB. Die Vorschrift des § 256 Abs.  1 Satz 1 AktG ist im Zusammenhang mit § 256 Abs.  4 und 5 AktG zu lesen. § 256 Abs.  5 AktG legt fest, dass Verstöße gegen Bewertungsvorschriften nur unter zusätzlichen Voraussetzungen zur Nichtigkeit führen. Nach h. M. fallen auch die Ansatzvorschriften unter § 256 Abs.  5 AktG, obwohl sie nicht ausdrücklich genannt sind.[102] Aus § 256 Abs.  4 AktG ergibt sich ferner, dass auch für Verstöße gegen Gliederungsvorschriften besondere Anforderungen gelten, um die Nichtigkeit des Jahresabschlusses herbeizuführen. Satzungsverstöße sind von § 256 Abs.  1 Nr. 4 AktG erfasst .

Es gibt nur wenige Fälle, die allein unter § 256 Abs.  1 Nr. 1 AktG zu subsumieren sind.[103] Erfasst ist vor allem das Fehlen des Anhangs,[104] was aber gerade bei kleinen GmbHs praktisch häufig vorkommt.[105] Der Lagebericht gehört nicht zum Jahresabschluss; folglich führt sein Fehlen nicht zur Nichtigkeit gem. § 256 Abs.  1 Nr. 1 AktG.

[100] Statt aller Hüffer, in: MüKo-AktG, § 256 AktG Rn. 88; Rölike, in: Spindler/Stilz, AktG-Ko, § 256 AktG Rn. 5.
[101] Rölike, in: Spindler/Stilz, AktG-Ko, § 256 AktG Rn. 23.
[102] Koch, in: Hüffer, AktG, § 256 AktG Rn. 7.
[103] Früchtl, in: Wachter (Hrsg.), AktG-Ko, 2. Aufl., Köln 2014, § 256 AktG Rn. 12.
[104] Koch, in: Hüffer, AktG, § 256 AktG Rn. 7.
[105] Daher ist es eine Erleichterung für betroffene Unternehmen, dass KleinstKapG auf seine Aufstellung nunmehr verzichten können, dazu näher Schülke, NZG 2013, 1375 (1376).

2. Verstöße gegen Gliederungsvorschriften (§ 256 Abs.  4 AktG)

 

Tz. 54

Die Gliederungsvorschriften der §§ 266 ff. HGB dienen der Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses und damit, wenn auch nicht primär, zumindest auch dem Gläubigerschutz. Erfasst sind[106]

§ 256 Abs.  4 HGB bestimmt, dass abweichend von Abs.  1 Nr. 1 ein zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führender Verstoß gegen diese Gliederungsvorschriften nur dann vorliegt, wenn seine Klarheit und Übersichtlichkeit dadurch wesentlich beeinträchtigt wird.

Als mögliche Gliederungsverstöße kommen in Betracht:

  • Fehlen der Bilanz oder der GuV.
  • Bilanz oder GuV sind nicht hinreichend tief gegliedert.
  • Vermögensgegenstände, Eigenkapital oder Verbindlichkeiten sind an falscher Stelle aufgeführt.[107]

Die praktische Relevanz des § 256 Abs.  4 AktG ist heute gering. In Zeiten elektronischer Erstellung ist die Gliederung der Bilanz technisch vorgegeben, sodass es zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Klarheit und Übersichtlichkeit i. d. R. nicht kommen kann.

[106] Koch, in: Hüffer, AktG, § 256 AktG Rn. 22.

3. Verstöße gegen Ansatz- und Bewertungsvorschriften (§ 256 Abs.  5 AktG)

 

Tz. 55

Der Jahresabschluss ist gem. § 256 AktG nichtig, wenn ein Fall wesentlicher Überbewertung vorliegt. Überbewertung liegt vor, wenn Vermögensgegenstände zu hoch und Schulden (Verbindlichkeiten und Rückstellungen) zu niedrig bewertet sind. Dem steht gleich, wenn Schulden gar nicht angesetzt wurden, obwohl dies erforderlich war.[108]

Die Überbewertung muss sich nach § 256 Abs.  5 Nr. 1 AktG auf Posten beziehen. Gemeint sind damit die Posten des § 266 HGB. Es ist also nicht auf einzelne Vermögensgegenstände abzustellen, sondern zu prüfen, ob ein Posten zu hoch ausgewiesen ist. Nach h. M. können Bewertungsfehler innerhalb eines Postens daher kompensierend wirken.[109] Nach überzeugender Ansicht dürfen aber nur solche Vermögensgegenstände und Schulden zum Ausgleich herangezogen werden, die fehlerhaft bewertet worden sind.[110] Die Gegenansicht lässt es ausreichen, dass der Posten stille Reserven enthält.[111]

 

Tz. 56

Unterbewertung liegt demgegenüber vor, wenn Vermögensgegenstände zu niedrig oder Schulden zu hoch bewertet sind. Auch hier sind Ansatzfehler erfasst, obwohl die Vorschrift des § 256 Abs.  5 AktG nur von Bewertungsfehlern spricht.[112] Auch kommt es, wie bei der Überbewertung, auf den Bilanzposten als Ganzen an: der Posten, und nicht nur einzelne Vermögensgegenstände und Schulden, müsse...

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