aa) Potenzielle Fehler

 

Tz. 85

IAS 8.41 Satz 3 stellt klar, dass potenzielle Fehler in der Berichtsperiode, die entdeckt werden, be­vor der Abschluss zur Veröffentlichung genehmigt wird, auch in derselben Berichtsperiode zu kor­rigieren sind.[179] Der Begriff "Potenzielle Fehler in der Berichtsperiode" (potential current period errors) kon­kre­tisiert die Sorgfaltspflichten bei der Veröffentlichung eines (feh­lerfreien) Ab­schluss nach den IFRS. IAS 8.41 Satz 3 liefert dabei einen Anhaltspunkt für den Berichtigungs- und Wertaufhel­lungs­zeitraum (vgl. Kapitel 4). Auch ein bereits geprüfter Ab­schluss muss noch berichtigt werden, wenn vor der Genehmigung der Veröffentlichung (i. d. R. ist das der Fest­stellungs­zeitpunkt, vgl. Kapitel 4) entdeckt wird, dass er einen, bezogen auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung "poten­ziell" zukünftigen, Fehler enthalten könnte.

[179] Zur Unterscheidung der Fehlerarten: Zülch/Willms, in: MüKo-BilR, IAS 8 Rn. 49.

bb) Wesentliche Fehler

 

Tz. 86

Die IFRS knüpfen die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Darstellungsvorschriften in früheren Perioden an die Wesentlichkeit des Fehlers (vgl. IAS 8.42). Der Begriff des wesent­lichen Fehlers (material error) wird in IAS 8.5 definiert. Wesentlich ist nach IAS 8.5 ein Fehler, der, auch zusammen mit anderen Fehlern,[180]Einfluss auf die wirtschaftlichen Entschei­dungen des Abschlussadressaten haben kann. Das beurteilt sich nicht nach der absoluten und nicht allein nach der relativen Quan­tität eines Feh­lers sondern auch nach dessen Qualität.[181] Wesentlich können Fehler gleich­er­maßen beim An­satz, der Bewertung und dem Ausweis sein. Bei der Bewertung des Gewichts eines Fehlers ist auf den gedachten Blickwinkel des unternehmensbezogen zu bestim­menden typi­schen Ab­schlussadressaten abzustellen (vgl. IAS 8.6).[182] Dabei ist die Bedeutung der falsch darge­stellten oder unterlassenen Information und zugleich sowohl die Unter­nehmens­situation als auch die Marktsituation im Zeitpunkt der Abschlussaufstellung einzubeziehen. Bei einem Un­ter­nehm­en in einer Krisensituation sind die qualitativen Erwartungen der Abschluss­adressaten in den für die Unternehmensfortführung zentralen Abschnitten des Abschlusses größer und bereits ge­ring­fügige Fehler bei der Darstellung der Finanzlage wesentlich.[183] Wesent­lich sind quan­titativ relativ geringfügige Fehler auch, wenn sie sich auf die Einhaltung von Schwellen­werten, z. B. in Kre­dit­verträgen auswirken.[184] Umgekehrt können auch quantitativ verhältnismäßig große Fehler, die unter­ge­ordnete ein­malige Geschäfts­vorfälle oder Nebenbereiche der Unternehmenstätigkeit betreffen, unwe­sent­lich sein.[185]

Die Wesentlichkeit eines Fehlers kann für die Bestandteile des Abschlusses nur einheitlich beurteilt werden, weil ein Fehler nur einheitlich berichtigt werden kann.[186] Würde man die We­sentlichkeit isoliert für jeden Abschlussbestandteil beurteilen, käme es zu Inkonsistenzen der Abschlussbestandteile, wenn eine Fehlerkorrektur nur in einem Bestandteil vorgenommen würde.

 

BEISPIEL 1

Bei der Aufstellung des Abschlusses für das Geschäftsjahr X5 wird erkannt, dass ein wesent­licher Ver­mö­genswert des Unternehmens unzutreffend im kurzfristigen Vermögen statt im langfristigen Vermögen ausgewiesen worden ist. Die Bewertung wäre bei zutreffender Bilanzierung nur unwesentlich anders ausgefalle. Die Auswirkung des Fehlers auf den Erfolg ist daher un­wesentlich.

Lösung: Aus Sicht der Abschlussadressaten ist die Zuordnung wesentlicher Ver­mö­gens­werte zum kurz- oder langfristigen Vermögen stets wesentlich. Die Bilanz ist daher rückwirkend zu korrigieren. In der Erfolgsrechnung wirkt sich der Fehler nur unwesentlich aus. Trotzdem sind auch die Erfolgsrechnung und die anderen Teiles des Abschlusses rückwirkend zu korrigieren, weil sonst die Darstellung des Abschlusses inkonsistent würde.

Der Fehler muss in dem Geschäftsjahr wesentlich sein, in dem er verwirklicht worden ist.[187]

 

BEISPIEL 2

Bei Aufstellung des Jahresabschlusses im Geschäftsjahr X5 wird erkannt, dass ein Ver­mö­gens­wert seit dem Geschäftsjahr X3 unzutreffend im kurzfristigen Vermögen statt im langfristigen Ver­mögen ausgewiesen wird. Im Geschäftsjahr X3 war dieser Vermögenswert für das Un­ternehmen von untergeordneter Bedeutung. Im Jahr X4 erlangt der Vermögenswert zen­trale Bedeutung für das Unternehmen.

Lösung: Der Fehler ist rückwirkend im Geschäftsjahr X4 zu korrigieren, weil er erst in diesem Geschäftsjahr wesentlich geworden ist.

[180] Driesch, in: Beck IFRS-Hdb., § 45 Rn. 42; Jacobs, in: Beck HdR, B 102 Rn. 51.
[181] Küting u. a., DB Beilage Nr. 7/2007 zu Heft Nr. 45, 1 (10).
[182] Zur Fiktion des ordentlichen und gewissenhaften Ge­schäfts­leiters: Barnert, Der eingebildete Dritte: Eine Argumentationsfigur im Zivilrecht, Tübingen 2008.
[183] Zutreffend Blaum/Holzwarth/Wendlandt, in: Baetge u. a., IFRS-Ko, IAS 8 Rn. 137.
[184] Ähnlich Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, IFRS, § 24 Rn. 40.
[185] Zutreffend Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, IFRS, § 24 Rn. 40.
[186] Str., a. A. Blaum/Holzwarth/Wendlandt,...

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