I. § 327a HGB

 

Tz. 58

 

§ 327a Erleichterung für bestimmte kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften

§ 325 Abs. 4 Satz 1 ist auf eine Kapitalgesellschaft nicht anzuwenden, wenn sie ausschließlich zum Handel an einem organisierten Markt zugelassene Schuldtitel im Sinn des § 2 Absatz 1 Nummer 3 des Wertpapierhandelsgesetzes mit einer Mindeststückelung von 100.000 Euro oder dem am Ausgabetag entsprechenden Gegenwert einer anderen Währung begibt.

1. Einleitung

a) Überblick

 

Tz. 59

§ 327a HGB schließt den Kreis der Vorschriften, die abweichend von der Grundnorm des § 325 HGB Erleichterungen für bestimmte Unternehmen vorsehen. Ausgangspunkt ist § 325 Abs. 4 Satz 1 HGB, der für kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften im Sinne des § 264d HGB eine Verkürzung der Einreichungsfrist von einem Jahr (vgl. § 325 Abs. 1a Satz 1 HGB) vorsieht. Von dieser Ausnahme macht § 327a HGB wiederum eine Rückausnahme zugunsten solcher kapitalmarktorientierter Kapitalgesellschaften, die ausschließlich mit besonders groß gestückelten Schuldtiteln Handel betreiben. Für diese Gesellschaften bleibt es bei der Einjahresfrist nach § 325 Abs. 1a Satz 1 HGB.

b) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 60

Die Bestimmung des § 327a HGB wurde auf Anregung des BT-Rechtsausschusses eingefügt durch das EHUG 2006.[72] Inhaltlich beruht dies auf einer Ausnahmebestimmung in Art. 8 Abs. 1 Buchst. b) der EU-Transparenzrichtlinie von 2004.[73]

[72] Bericht und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/2781, 154.
[73] 2004/109/EG.

c) Geltungsbereich

 

Tz. 61

Privilegiert durch § 327a HGB werden Kapitalgesellschaften und Kapitalgesellschaften & Co. i. S. v. § 264a HGB, ferner eingetragene Genossenschaften (vgl. § 339 Abs. 2 HGB). Es muss sich um kapitalmarktorientierte Emittenten handeln, weil nur diese Gesellschaften den Tatbestand des § 325 Abs. 4 Satz 1 HGB erfüllen. Anders als die Erleichterungen nach § 326 HGB und § 327 HGB gilt § 327a HGB auch für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen. Zwar verweisen die Vorschriften für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen in §§ 340l, 341 l HGB nur auf die Vorschriften der § 325 Abs. 25, § 328 und § 329 Abs. 1 HGB. Allerdings ergibt sich über § 325 Abs. 4 Satz1 HGB der Verweis auf § 327a HGB.[74]

[74] Überzeugend Zetzsche, in: KK-RechnR, § 327a HGB Rn. 10; anders Kersting, in: GroßKo-HGB, § 327a HGB Rn. 2.

d) Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven

 

Tz. 62

Die in § 327a HGB vorgesehene Privilegierung kapitalmarktorientierter Kapitalgesellschaften, die nur mit besonders groß gestückelten Schuldtiteln handeln, geht zurück auf § 37z WpHG, der die von § 327a HGB erfassten Unternehmen von der Verpflichtung zur Erstattung eines Jahresfinanzberichts ausnimmt. Ihrerseits geht diese Privilegierung in § 37z WpHG auf die EU-Transparenzrichtlinie von 2004 zurück, die in Art. 8 Abs. 1 Buchst. b) ohne nähere Begründung in dem korrespondierenden 15. Erwägungsgrund der Richtlinie einer Ausnahme von der Pflicht zur Halbjahresfinanzberichterstattung für den Großhandel mit Einzelstückelungen von mindestens 50.000 EUR vorsieht. In der Literatur wird gemutmaßt, dass dadurch der Handel von großen Einzelstückelungen begünstigt werden solle.[75] Materiell lässt sich die Privilegierung in § 327a HGB wohl nur mit der Überlegung stützen, dass das Bedürfnis des Kapitalmarkts an zeitnaher Information, dem die Regelung des § 325 Abs. 4 Satz 1 HGB durch eine Verkürzung der regulären Jahresfrist auf vier Monate Rechnung trägt, bei Unternehmen, die ausschließlich in großen Stückelungen handeln, geringer ausfällt. Eine ökonomische Stütze für diese These ist allerdings nicht ersichtlich.

[75] Hönsch, Kommentar zu § 37z WpHG, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG: Kommentar, 6. Aufl., Köln 2012, Rn. 2.

2. Erläuterung

a) Schuldtitel

 

Tz. 63

§ 327a HGB befreit kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften, die ausschließlich zum Handel an einem organisierten Markt zugelassene Schuldtitel mit einer Mindeststückelung 50.000 EUR oder dem am Ausgabetag entsprechenden Gegenwert einer anderen Währung begeben, von der verkürzten Einreichungsfrist des § 325 Abs. 4 Satz1 HGB und unterwirft sie der regulären Einreichungsfrist nach § 325 Abs. 1a Satz 1 HGB von maximal einem Jahr. Den Begriff des Schuldtitels definiert das WpHG nicht. Vielmehr nennt es in seinem § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG eine Reihe von Erscheinungsformen der Schuldtitel, nämlich

  • Genussscheine,
  • Inhaberschuldverschreibungen,
  • Orderschuldverschreibungen,
  • Zertifikate, die Schuldtitel vertreten sowie
  • sonstige Wertpapiere, die zum Erwerb oder zur Veräußerung von Aktien oder ähnlichen Wertpapieren berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, die in Abhängigkeit von

    • Wertpapieren,
    • Währungen,
    • Zinssätzen,
    • anderen Erträgen,
    • Waren,
    • Indices oder
    • Messgrößen

bestimmt sind.

Eine typisierende Betrachtung wird als Schuldtitel jede am Markt handelbare Forderung bzw. jede Begründung eines fungiblen, zirkulationsfähigen und marktgängigen schuldrechtlichen Forderungsrechts vermögensrechtlichen Inhalts qualifizieren.[76] Verbriefung ist kein Merkmal des Wertpapierbegriffs im Sinne des § 327a HGB. Wegen der fehlenden Zirkulationsfähigkeit ist danach ein Schuldscheindarlehen ...

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