Tz. 75

Wegen der starken Formalisierung der Pflichtpublizität bedarf es zu ihrem Schutz für den Fall der freiwilligen Publikation des Abschlusses gewisser Vorkehrungen, um das Publikum vor der Annahme zu schützen, es handle sich bei der freiwilligen Offenlegung um eine Pflichtpublikation. Abs. 2 regelt die freiwillige Publizität, die also nicht durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung vorgeschrieben ist. Hier ist zu unterscheiden: Wird ein Abschluss freiwillig, aber unter vollständiger Beachtung der nach Abs. 1 vorgeschriebenen Form publiziert, bedarf es keines Zusatzes (arg. e contrario § 328 Abs. 2 Satz 1 HGB). Anders verhält es sich, wenn die freiwillige Publikation nicht in der nach Abs. 1 vorgeschriebenen Form erfolgt. In diesen Fällen ist jeweils in einer Überschrift darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um eine der gesetzlichen Form entsprechende Veröffentlichung handelt (Abs. 2 Satz 1).[82] Ob dafür die bloße Überschrift "Kurzfassung" genügt, ist umstritten.[83] Dagegen spricht, dass ohne weiteres nicht erkennbar ist, an welcher Stelle gekürzt wurde. Erforderlich wäre danach ein Zusatz, aus dem sich ergibt, welche Dokumente gekürzt wurden. Unzulässig ist es bei freiwilliger Publizität, den Bestätigungsvermerk hinzuzufügen (Abs. 2 Satz 2). Ist jedoch aufgrund gesetzlicher Vorschriften eine Prüfung erfolgt, so ist das Ergebnis anzugeben (Abs. 2 Satz 3). Abs. 2 gilt auch für Übersetzungen eines in deutscher Sprache erstellten Abschlusses. Anzugeben ist schließlich, ob die Unterlagen bei dem Betreiber des Bundesanzeigers eingereicht worden sind (Abs. 2 Satz 4). Damit erhält das Publikum Auskunft über die Möglichkeit, die Originalunterlagen in ungekürzter Fassung beim Bundesanzeiger einzusehen und unproblematisch abzurufen. Im Schrifttum wird in Abs. 2 eine Schutzlücke gesehen, weil die Vorschrift – was unzweifelhaft zutrifft – nicht verbietet, irreführende Ausführungen zu publizieren.[84] Folgt man allerdings der zutreffenden Auffassung, wonach es sich bei § 328 Abs. 1 HGB um Ausprägungen allgemeiner Grundsätze der Unternehmenspublizität handelt, die insbesondere den allgemeinen Grundsatz der Richtigkeit und Verlässlichkeit enthalten, erstreckt sich das Verbot der Publikation irreführende Ausführungen auch auf die freiwillige Offenlegung.[85]

[82] Formulierungsvorschläge bei Reinholdt, Kommentar zu § 328 HGB, in: Petersen/Zwirner/Brösel (Hrsg.), Systematischer Praxiskommentar Bilanzrecht, 2. Aufl., Köln 2014, Rn. 20 und 24.
[83] Dafür Wiedmann, Kommentar zu § 328 HGB, in: Bilanzrecht, 2. Aufl., München 2003, Rn. 9; dagegen Zetzsche, in: KK-­RechnR, § 328 HGB Rn. 69.
[84] Etwa ADS, § 328 HGB Rn. 86 ff.; Kersting, in: GroßKo-HGB, § 328 HGB Rn. 32; Fehrenbacher, in: MüKo-HGB, § 328 HGB Rn. 30.
[85] Zetzsche, in: KK-RechnR, § 328 HGB Rn. 75.

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