Tz. 123

Wenn ein Wirtschaftsprüfer über die Prüfungstätigkeit hinaus in dem zu prüfenden Geschäftsjahr an der Entwicklung, Einrichtung und Einführung von Rechnungslegungsinformationssystemen mitgewirkt hat und diese Tätigkeit nicht von untergeordneter Bedeutung ist, schließt § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB diesen von der Abschlussprüfung eines Unternehmens von öffentlichem Interesse aus.

Unter Rechnungslegungsinformationssystem ist ein auf die rechnungslegungsrelevanten Informationen und Steuerungsgrößen ausgerichtetes System zu verstehen, in dem manuelle oder IT-gestützte Verfahren zur Erfassung, Verarbeitung und Auswertung der Geschäftsvorfälle hinterlegt sind. Unabhängig von der Unternehmensgröße werden diese Verfahren heutzutage überwiegend in integrierten oder separaten IT-Systemen abgebildet. Wegen der großen Bedeutung dieses Systems für das Managementsystem sind in diesem umfassende und zahlreiche Kontrollen enthalten, welche sich zu einem (internen) Kontrollsystem verdichten lassen. Das interne Kontrollsystem ist, sofern es eine Ausrichtung auf das Rechnungswesen aufweist, im Rahmen der Durchführung der Abschlussprüfung notwendigerweise zu prüfen und wird vom Abschlussprüfer i. d. R. auch für eigene prüferische Zwecke genutzt.

Elemente des Rechnungslegungsinformationssystems sind bspw.:

  • die kaufmännische Buchführung (Finanzbuchhaltung)
  • die Nebenbücher (u. a. Anlagebuchführung oder Lohn- und Gehaltsabrechnung)
  • Inventare
  • die Kostenrechnung
  • die Planungsrechnung
  • Berichtswesen (Reportingsystem)
  • die Produktions- und Lagersteuerung[159]
 

Tz. 124

Sofern der Abschlussprüfer an der Entwicklung, Einrichtung oder Einführung von Rechnungslegungsinformationssystemen mitgewirkt hat, besteht die Gefahr, dass eine unvoreingenommene Wahrnehmung seiner Aufgaben im Rahmen der Abschlussprüfung nicht mehr möglich ist. In diesem Fall ist eine Beurteilung der eigens geleisteten Arbeiten erforderlich, sodass ein Verstoß gegen das Selbstprüfungsverbot gegeben ist. Für die Frage, welche Tätigkeiten gestattet sind, ist folglich eine Orientierung am Regelungszweck – bestehend in der Vermeidung der Selbstprüfung – geboten.[160]

Eine Mitwirkung führt lediglich in solchen Fällen zum Ausschluss, in denen diese nicht nur von untergeordneter Bedeutung war. Dies geht zwar nicht explizit aus dem Wortlaut des § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB hervor, jedoch ergibt sich dies unter Hinzuziehung der Bestimmungen des § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 lit. b) HGB.[161]

Die in § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB genannten Mitwirkungshandlungen – Entwicklung, Einrichtung oder Einführung – sind nicht als abschließend zu verstehen. So führt u. a. auch die Mitwirkung an der Überarbeitung bzw. Neuausrichtung von Rechnungslegungsinformationssystemen zu einem Ausschluss. Entgegen des Gesetzeswortlauts beschränkt sich ein Ausschluss zudem nicht auf Fälle, in denen sich die Mitwirkung auf mehrere Rechnungslegungsinformationssysteme oder ein sich geschlossenes Teilsystem erstreckt.[162]

In Abgrenzung dazu berührt eine bereits während der Durchführung eines Projekts vorgenommene prüferische Beurteilung der Entwicklung, Einführung, Änderung oder Erweiterung IT-gestützter Rechnungslegungssysteme nicht die Unabhängigkeit und Unbefangenheit des Abschlussprüfers (projektbegleitende Prüfung). In diesem Falle kann eine Einbindung des Abschlussprüfers als projektbegleitender Prüfer aufgrund seiner unabhängigen Stellung, seiner fachlichen Qualifikation und seines Verständnisses des Unternehmens dazu beitragen, frühzeitig Risiken aus dem Projekt zu erkennen und diesen rechtzeitig entgegenzusteuern.

Durch das AReG wurde § 319a Abs. 1 Nr. 3 HGB gestrichen. Zukünftig wird über Art. 5 Abs. 1 Buchst. a Ziffer e) die "Gestaltung und Umsetzung interner Kontroll- oder Risikomanagementverfahren, die bei der Erstellung und/oder Kontrolle von Finanzinformationen oder Finanzinformationstechnologiesystemen zum Einsatz kommen", verboten. Auch, wenn der Wortlaut über die bisherige Beschreibung des § 319a Abs. 1 Nr. 3 HGB hinausgeht, kann davon ausgegangen werden, dass sich inhaltlich um eine entsprechende Vorgabe handelt (vgl. IDW Positionspapier zu Inhalten und Zweifelsfragen der EU-Verordnung und der Abschlussprüfungsrichtlinie (erstmalig überarbeitete Fassung mit Stand: 11.04.2016)).

Das Verbot, entsprechende Gestaltungs- und Beratungsleistungen zu erbringen gilt bereits für das Geschäftsjahr vor den Prüfungen von Geschäftsjahren, die am oder nach dem 17.06.2016 beginnen.

 

Tz. 125

Im AReG wird ebenfalls das Mitgliedstaatenwahlrecht zur Gestattung von Bewertungsleistungen i. S.v Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 lit. f) der EU-VO ausgeübt (§ 319a Abs. 1 Nr. 3 HGB-E i. d. F. d. AReG). Unter Beachtung von Berichtspflichten in der Berichterstattung an den Prüfungsausschuss gem. Art. 11 EU-VO (§ 319a Abs. 1 Satz 3 HGB-E i. d. F. d. AReG) und der Notwendigkeit, das diese Leistungen keine direkten oder nur unwesentlichen Auswirkungen auf den geprüften Abschluss haben dürfen, können sie durch den Abschlussprüfer erbra...

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