aa) Die Befangenheit im Kontext des Unabhängigkeitsgebots

 

Tz. 93

Die im öffentlichen Interesse wahrgenommene Funktion des Abschlussprüfers verlangt eine unabhängige Berufsausübung. Das in § 319 Abs. 2 HGB angesprochene und in §§ 20 ff. BS WP/vBP näher konkretisierte Gebot zur Unbefangenheit bei der Durchführung von Abschlussprüfungen steht in enger Verbindung zum Unabhängigkeitsgebot und ist von diesem kaum unterscheidbar. Die zusätzlichen allgemeinen berufsrechtlichen Vorgaben sind im Zuge der Auslegung des § 319 Abs. 2 HGB von besonderer Bedeutung.[110]

Während § 319 Abs. 2 HGB generelle Regelungen zu Auswahl und Person des Wirtschaftsprüfers bzw. vereidigten Buchprüfers in seiner Funktion als Abschlussprüfers enthält, die in § 319 Abs. 3 HGB mit absoluten Ausschlussgründen konkretisiert werden, differenzieren die Vorschriften des Berufsrechts der Wirtschaftsprüfer zwischen allgemeinen Berufspflichten für alle Arten von Tätigkeiten (§§ 1 bis 19 BS WP/vBP) und den besondere Berufspflichten bei der Durchführung von Prüfungen und der Erstattung von Gutachten (§§ 20 ff BS WP/vBP). Insgesamt wird das Unabhängigkeits-/Unbefangenheitsgebot explizit in den folgenden Vorschriften angesprochen:

Im Hinblick auf die allgemeinen Berufspflichten und die Anforderungen an die Person des Wirtschaftsprüfers bzw. vereidigte Buchprüfer nennt die BS WP/vBP u. a. folgende konkretisierenden Aspekte, bei deren Vorliegen eine Prüfung der Besorgnis der Befangenheit erforderlich ist:

In § 319 Abs. 2 und 3 HGB und §§ 20ff BS WP/vBP werden beispielhafte Tatbestände, die eine Besorgnis der Befangenheit bei der Durchführung von Abschlussprüfungen darstellen können, näher ausgeführt.

Sofern ein Verstoß gegen §§ 319 Abs. 2Abs. 4 HGB besteht, wird der geprüfte Abschluss allerdings nicht nichtig (§ 246 Abs. 1 Nr. 3 AktG). Der in der Person des Abschlussprüfers bestehende Mangel hat insoweit keine Auswirkung auf den geprüften Abschluss. Allerdings wird der Abschlussprüfungsauftrag schuldrechtlich nichtig (§ 134 BGB). Der Abschlussprüfer verliert daher seinen Vergütungsanspruch und handelt ordnungswidrig nach § 334 Abs. 2 HGB.

Zudem dürfte regelmäßig eine Berufspflichtverletzung vorliegen, die gem. §§ 67 ff. WPO berufsgerichtlich verfolgt wird.

[110] Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 319 HGB Rn. 8.
[111] Schmidt, in: BeckBilKo, § 319 HGB Rn. 27. Weiterführend mit zahlreichen Beispielen Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 319 HGB Rn. 15–25.

bb) Die "Besorgnis" der Befangenheit

 

Tz. 94

Für einen Ausschluss von der Abschlussprüfung ist bereits die Besorgnis des Vorliegens von Befangenheit ausreichend (§ 49 WPO). Die Unabhängigkeit muss aus der Perspektive eines sachverständigen Dritten unter Plausibilitätsaspekten als gegeben angesehen werden, d. h. es darf kein Zweifel an der Unbefangenheit des Abschlussprüfers bei Dritten aufgrund von objektiven Tatbeständen bestehen. Ob Befangenheit tatsächlich besteht, ist somit nicht entscheidend. Andererseits gilt es nicht als ausreichend für die Auslösung von Befangenheit, sofern lediglich ein Verdachtsmoment – d. h. ein Gefühl oder eine Ahnung – vorliegt.[112]

 

Tz. 95

In § 319 Abs. 2 HGB führt der Gesetzgeber Beziehungen geschäftlicher, finanzieller oder persönlicher Art als Gründe für eine Besorgnis der Befangenheit an, wobei diese Aufzählung nicht abschließend ist. Als "Umstände" in diesem Sinne werden in § 319 Abs. 3 HGB konkrete absolute Ausschlussgründe aufgezählt und in § 21 Abs. 2 Satz 2 BS WP/vBP die nachfolgenden Tatbestände hervorgehoben und in den Folgeparagraphen (§§ 23, 23a, 23b und 24 BS WP/vBP) konkretisiert:[113]

  • Eigeninteresse
  • Selbstprüfung
  • Interessenvertretung
  • persönliche Vertrautheit
 

Tz. 96

Nach § 21 Abs. 2 Satz 3 BS WP/vBP führt das Vorliegen solcher Umstände, die nicht absolute Ausschlussgründe i. S. v. § 319 Abs. 3 HGB darstellen, nicht zu einer Beeinträchtigung der Unbefangenheit, wenn die Umstände selbst für die Urteilsbildung offensichtlich unwesentlich sind oder zusammen mit Schutzmaßnahmen (§ 22 BS WP/vBP) insgesamt unbedeutend sind. Dies entspricht der Abwägung einer möglichen Befangenheit nach § 319 Abs. 2 HGB und somit der Beachtung aller einzelfallbezogenen Umstände. Hierbei sind das Interesse des gewählten Prüfers an der Durchführung der Abschlussprüfung auf der einen Seite sowie das Interesse eines unbefangenen Prüfers auf der anderen Seite in die Abwägung einzubeziehen.[114]

 

BEISPIEL

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