a) Überblick
Tz. 152
Die ordnungsgemäße Auftragsabwicklung von Abschlussprüfungen hängt wesentlich von den Informationen und Unterlagen ab, die dem Prüfer zur Verfügung gestellt werden. Vor diesem Hintergrund muss gewährleistet sein, dass der Abschlussprüfer Zugriff auf sämtliche für seine Tätigkeit erforderlichen Informationen und Unterlagen erhält. Dies soll durch die Bestimmungen des § 320 HGB sichergestellt werden.[187] Im Wesentlichen bezieht sich der Regelungsinhalt auf Folgendes:
- Verpflichtung der gesetzlichen Vertreter, dem Abschlussprüfer den Jahresabschluss bzw. Lagebericht vorzulegen (Vorlagepflicht) und ihm Auskunftsrechte bzgl. sämtlicher für die Auftragsdurchführung benötigter schriftlicher Unterlagen sowie das Recht auf Auskünfte und Nachweise einzuräumen (§§ 320 Abs. 1, 2 Satz 1 HGB)
- sachliche sowie zeitliche Erweiterung der dem Prüfer zustehenden Rechte sowie Einräumung dieser Rechte analog bei Mutter- und Tochterunternehmen (§ 320 Abs. 2, Satz 2 und 3 HGB)
- Ausdehnung der in § 320 Abs. 1 und 2 HGB kodifizierten Pflichten der gesetzlichen Vertreter des zu prüfenden Unternehmens auf die Prüfung des Konzernabschlusses sowie gegenüber den Abschlussprüfern des Mutter- und der Tochterunternehmen (§ 320 Abs. 3 HGB)
- Verpflichtung des bisherigen Abschlussprüfers zur Berichterstattung über die Prüfungsergebnisse an den neuen Abschlussprüfer bei Abschlussprüferwechsel (§ 320 Abs. 4 HGB)
- Möglichkeit des Abschlussprüfers eines Tochterunternehmens, die nach Abs. 2 erhaltenen Unterlagen u. U. an den Prüfer des Konzerns weiterzugeben (§ 320 Abs. 5 HGB, eingefügt durch das AReG)
b) Entstehungsgeschichte
Tz. 153
Die in § 320 HGB vorgesehenen Rechte und Pflichten wurden durch das BilMoG (2009) um das Auskunftsrecht des Abschlussprüfer gegenüber dem bisherigen Abschlussprüfer erweitert (Abs. 4). Ergänzend ist in Umsetzung von Art. 23 Abs. 5 der überarbeiteten Abschlussprüfungsrichtlinie durch das AReG (2016) in Abs. 5 die Befugnis für Abschlussprüfer intrakommunitärer Tochterunternehmen hinzugekommen, Unterlagen der Prüfung an Abschlussprüfer eines in einem Drittstaat ansässigen Mutterunternehmens zu übermitteln. Hierbei ist dem Abschlussprüfer des Tochterunternehmens ein Ermessensspielraum eingeräumt worden.[188]
c) Geltungsbereich
Tz. 154
Der Anwendungsbereich des § 320 HGB erstreckt sich auf gesetzliche Jahres- und Konzernabschlussprüfungen gem. § 316 HGB. Ein Anwendungsgebot besteht entsprechend auch für Nachtragsprüfungen gem. § 316 Abs. 3 HGB. Durch Verweisungen in anderen Gesetzen ist § 320 HGB auch anzuwenden für Abschlussprüfungen gemäß
- §§ 6 Abs. 1 und 14 Abs. 1 PublG,
- § 324a HGB (IFRS-Einzelabschluss),
- § 340a Abs. 1 HGB (Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute) und
- § 341 Abs. 1 HGB (Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds).[189]
§ 320 HGB gilt sinngemäß auch für Prüfungen von
- Abhängigkeitsberichten gem. § 313 Abs. 1 Satz 3 AktG,
- Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln gem. § 209 Abs. 4 Satz 2 AktG, §§ 57 f. GmbHG und
- Verschmelzungen gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 UmwG.[190]
Keine Anwendung findet § 320 HGB für Genossenschaften. Den Abschlussprüfern von Genossenschaften werden aufgrund der speziellen genossenschaftlichen Bestimmungen des § 57 Abs. 1 GenG allerdings materiell vergleichbare Rechte wie dem Abschlussprüfer gem. § 320 HGB eröffnet.
Grundsätzlich liegen auch freiwillige Prüfungen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 320 HGB. Hier ist im Prüfungsvertrag die analoge Anwendung des § 320 HGB zu vereinbaren.[191]
d) Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven
Tz. 155
Die Bestimmungen des § 320 HGB stellen zwingendes Recht dar. Dies bedeutet, dass die Gesellschaft bzw. ihre Organe sowie die verbundenen Unternehmen von ihren aus § 320 HGB resultierenden Pflichten weder durch gesellschaftsvertragliche bzw. in der Satzung enthaltene Bestimmungen noch durch den mit dem Abschlussprüfer geschlossenen Prüfungsvertrag befreit werden können. Ebenso ausgeschlossen ist eine Einschränkung der gesetzlichen Vorgaben. Gleiches gilt bezüglich der für den bisherigen Abschlussprüfer nach § 320 Abs. 4 HGB geltenden Pflichten.[192] Die Grenzen des § 320 HGB sind durch die Formulierung "soweit für die sorgfältige Prüfung notwendig" gesetzt. Was notwendig ist, entscheidet allein der Abschlussprüfer unter Berücksichtigung des in §§ 316, 317 HGB beschriebenen Prüfungsauftrages und unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Prüfung.
Die in § 320 HGB kodifizierten Pflichten sind grundsätzlich erweiterbar. Dies dürfte in der Praxis mit Blick auf die ohnehin bereits weit gefassten Rechte von Abschlussprüfern jedoch allenfalls im Hinblick auf die Pflichten des bisherigen Abschlussprüfers von Relevanz sein. Mit diesem könnte bspw. vereinbart werden, im Falle seiner Ersetzung über die gesetzlichen Vorgaben hinausgeh...
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