Tz. 120

Durch das BilMoG wurde der Aufgabenkreis des privaten Rechnungslegungsgremiums um die in § 342 Abs. 1 Nr. 4 HGB enthaltene Aufgabe der Erarbeitung von Interpretationen der internationalen Rechnungslegungsstandards im Sinne des § 315 Abs. 1 HGB erweitert. Im Juni 2010 kündigte das DRSC den mit dem BMJ geschlossenen Standardisierungsvertrag zum 31.12.2010. Begründet wurde dies vor allem mit der fehlenden Gewährleistung der zukünftigen Finanzierung sowie mit der vom DRSC als unbefriedigend empfundenen "Orchestrierung der nationalen Meinungsbildung" im Zusammenhang mit der dem DRSC übertragen Aufgabe der Vertretung Deutschlands in internationalen Standardisierungsgremien.[122] Im Anschluss war zunächst nicht klar, ob das DRSC oder eine vergleichbare Institution die Aufgaben nach § 342 HGB fortführen würden bzw. ob auf der zweiten Stufe ein Rechnungslegungsbeirats im Sinne von § 342a HGB eingerichtet werden würde. Zwar kam es in der Folge bis zum 01.01.2011 weder zur Anerkennung eines anderen privaten Gremiums noch zum Abschluss eines neuen Standardisierungsvertrags mit dem DRSC, so dass eigentlich die vom DRSC übernommenen Aufgaben auf das BMJ bzw. auf den von ihm einzusetzenden Standardisierungsrat zu übertragen gewesen wären. Indessen führte das DRSC seine Arbeit im Laufe des Jahres 2011 fort, und es gab sich am 20.07.2011 eine neue Satzung, mit der eine verlässliche Finanzierungsgrundlage geschaffen werden sollte. Am 02.12.2011 wurde sodann ein neuer Standardisierungsvertrag zwischen dem DRSC und dem BMJ geschlossen.[123]

 

Tz. 121

In der Literatur hat man sich kritisch mit der Frage der "Normsetzungsbefugnis" des DRSC auseinander gesetzt. Manche meinen, von einer Normsetzungsbefugnis des DRSC könne nicht die Rede sein.[124] Allerdings ist dieser Einwand undifferenziert. Die eigentliche Frage lautet, ob das DRSC Rechtsnormen setzen kann, ob also die vom DRSC verlautbarten Standards Bindungswirkung haben, genauer: welche Art von Bindungswirkung sie entfalten können und insbesondere, ob sie gesetzesgleich binden können.[125] Letzteres wird man in der Tat verneinen müssen.[126] Dem DRSC ist nicht etwa eine Kompetenz zur Schaffung objektiven Rechts übertragen, wie sie der Gesetzgeber nach Art. 80 Abs. 1 GG vielfach in Gestalt der Verordnungsermächtigung der Exekutive eingeräumt hat. Dies aber wäre Voraussetzung dafür, dass das DRSC Rechtsnormen setzen kann.[127]

 

Tz. 122

Ebenso wurde die durchaus berechtigte, allerdings ungeklärte Frage aufgeworfen, ob die Übertragung der Standardsetzungskompetenz auf ein privates Rechnungslegungsgremium für die Weiterentwicklung von Grundsätzen über die Konzernrechnungslegung nach den Erfahrungen mit der Konzernrechnungslegung nach §§ 290 ff. HGB, IFRS US-GAAP und der Rolle dieser Systeme im Kontext der ausgebliebenen Konzernrechnungslegung in der Finanzkrise von 2007–2010 bei den sogenannten Zweckgesellschaften (Special Purpose Vehicles) eine schadensmindernde, rechtsgestaltende, zukunftsweisende oder aber problemlösende Rechtsidee gewesen ist.[128]

[122] Ebke/Paal, in: MüKo-HGB, § 342 Rn. 4; Hoffmann/Lüdenbach, NWB-Kommentar Bilanzierung, 7. Aufl., 2016, § 342a HGB Rn. 1.
[123] Abrufbar auf der Homepage des DRSC.
[124] Nachweise bei Ebke/Paal, in: MüKo-HGB, § 342 Rn. 4.
[125] So etwa Budde/Steuber, DStR 1998, 1181; Beisse, BB 1999, 2180 (2185); Böcking/Orth, DB 1998, 1873 (1877); Harder, DB 1996, 923 (924); Moxter, DB 198, 1425 (1427).
[126] Zutreffend Ebke/Paal, in: MüKo-HGB, § 342 Rn. 22 m. w. N.
[127] Ebenso Ebke/Paal, in: MüKo-HGB, § 342 Rn. 22 m. w. N.
[128] Claussen/Mock, in: KK-RechnR, § 342 HGB Rn. 5.

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