a) Vorliegen einer gemeinsamen Vereinbarung

 

Tz. 30

Nach IFRS 11.4 liegt eine gemeinsame Vereinbarung dann vor, wenn zwei oder mehrere Parteien gemeinschaftliche Kontrolle ausüben. Die Bestimmungen des IFRS 11.5 umfassen zwei Definitionsmerkmale:[34]

  • Die Parteien müssen aufgrund vertraglicher Vereinbarungen aneinander gebunden sein (IFRS 11.5(a)) und
  • in der vertraglichen Vereinbarung muss mindestens zwei Parteien das Recht auf gemeinschaftliche Kontrolle über das Bilanzierungsobjekt zugewiesen werden (IFRS 11.5(b)).
 

Tz. 31

Die Form der vertraglichen Vereinbarung wird durch IFRS 11 nicht limitiert. So sind schuldrechtliche Absprachen, die besonderen Formvorschriften unterliegen, nicht zwingend notwendig. Ebenso ist es möglich, dass vertragliche Vereinbarungen komplett in einem Gesellschaftsvertrag enthalten sind.[35]

Die Schriftform des Vertrags ist – wenngleich im Regelfall gegeben – nicht erforderlich. Auch eine BGB-Gesellschaft kann daher in den Anwendungsbereich des Standards fallen. Üblicherweise sind in der vertraglichen Vereinbarung gemäß IFRS 11.B4 der Gegenstand, die Dauer, die Einzelheiten zur Kontrolle des Unternehmens (d. h. die Festlegung der Entscheidungsprozesse) sowie ggf. die Kapitalbeiträge der Partner enthalten.[36]

 

Tz. 32

Im Hinblick auf das Definitionsmerkmal der gemeinschaftlichen Kontrolle drängt sich die Frage nach dem Objekt der Kontrolle auf. Die Antwort im Definitionskatalog des IFRS 11 ist in gewisser Weise zirkulär. So ist unter gemeinschaftlicher Kontrolle per definitionem die vertraglich vereinbarte, gemeinsam ausgeübte Führung einer Vereinbarung zu verstehen (IFRS 11.Anhang A). Insofern würde die Vereinbarung selbst das Kontrollobjekt der gemeinschaftlichen Vereinbarung darstellen. Dieses Zirkularitätsproblem lässt sich auflösen, indem wirtschaftliche Aktivitäten ungeachtet der Frage, ob sie über ein eigenes Rechtssubjekt – eine Gesellschaft – oder auf eine andere Art und Weise – etwa auf der Grundlage von Bruchteilseigentum – durchgeführt werden, als Kontrollobjekt betrachtet werden.[37]

Gemäß IFRS 11.Anhang A liegt eine gemeinschaftliche Kontrolle nur dann vor, wenn Entscheidungen über die relevanten Aktivitäten die

  • einstimmige Zustimmung
  • der an der gemeinschaftlichen Kontrolle beteiligten Parteien erfordern.

Nach den Bestimmungen des IFRS 11.B5 wird der Begriff der Kontrolle unter Verweis auf IFRS 10 definiert. Ausschlaggebend ist demnach, dass die Parteien wegen bestehender Rechte die Fähigkeit zur Lenkung der relevanten Aktivitäten haben, eigentümerähnlichen variablen Rückflüssen aus dem Engagement ausgesetzt sind und die bestehende Entscheidungsgewalt zur Beeinflussung der Rückflüsse eingesetzt werden kann.

 

Tz. 33

Zur Erfüllung des Kriteriums der gemeinschaftlichen Kontrolle fordert IFRS 11 keine Einstimmigkeit der Entscheidungen sämtlicher an der zu beurteilenden Einheit beteiligten Gesellschafter. Stattdessen kann es auch ausreichend sein, dass lediglich eine gemeinsame Zustimmung der für die Beurteilung des Vorliegens einer gemeinschaftlichen Vereinbarung relevanten Partnerunternehmen gegeben ist, sofern gewährleistet ist, dass diese Mehrheit durch keinen anderen einzelnen Partner erreicht werden kann. Insoweit kommt es nicht mehr auf die Zustimmung der nicht an der gemeinschaftlichen Vereinbarung beteiligten Gesellschafter an.[38]

 

BEISPIEL

Vorliegen von gemeinschaftlicher Kontrolle[39]

Im Gesellschaftsvertrag der XY-AG ist für sämtliche Entscheidungen – u. a. Geschäftsführerbestimmung oder Gewinnverwendung – ein Quorum von mindestens 75 % vorgeschrieben.

Fallvariante 1: Je 40 % werden durch die Gesellschafter A und B gehalten, während C 20 % hält. Somit üben A und B gemeinsame Kontrolle über die XY-AG aus. C ist nicht an der gemeinsamen Kontrolle beteiligt.

Fallvariante 2: Je 25 % werden von den Gesellschaftern A, B, C und D gehalten. Zwar beherrschen die Gesellschafter die XY-AG kollektiv, eine gemeinschaftliche Kontrolle ist jedoch nicht gegeben, da das Quorum von 75 % in verschiedenen Koalitionen zustande kommen kann (bspw. A, B und C oder A, C und D).

 

Tz. 34

Zur Auflösung von Pattsituationen können ggf. Regelungen vorgesehen sein, die keine einstimmige Entscheidungsfindung voraussetzen. Wenn diese Regelungen – bspw. Schiedsentscheide durch neutrale Dritte – auf Neutralität ausgerichtet sind, stehen diese Pattsituationen einer gemeinsamen Beherrschung nicht entgegen. Hätte eine Partei hingegen das Recht zu einem Schiedsentscheid, so wäre dies als schädlich einzustufen.[40]

Nicht notwendig ist es für eine gemeinschaftliche Vereinbarung im Sinne des IFRS 11, dass die Partnerunternehmen gleiche Beteiligungsverhältnisse aufweisen. Ausschlaggebend sind vielmehr die Rechte und Pflichten aus der gemeinschaftlichen Vereinbarung, die den beteiligten Partnerunternehmen zugewiesen sind.[41]

 

Tz. 35

Auch bei vorliegender Gleichberechtigung kann die Zahl der Partnerunternehmen nicht beliebig vermehrt werden. Sofern eine Gesellschaft bspw. über 20 Gesellschafter verfügt, die jeweils mit 5 % beteiligt sind, und bei der für sämtliche we...

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