Tz. 567

Das Gesetz sieht in bestimmten Fällen ein Beibehaltungswahlrecht i. S. eines Verzichts auf die Vereinheitlichung der Bewertungsmethoden vor. Neben branchenspezifischen Beibehaltungswahlrechten[770] (Abs. 2 Satz 2) spielen vor allen Dingen

  • das Beibehaltungswahlrecht bei Geringfügigkeit der Auswirkung (Abs. 2 Satz 3) und
  • das Beibehaltungswahlrecht für Ausnahmefälle (Abs. 2 Satz 4) eine Rolle.

Eine Einschränkung erfahren die Ausnahmen nur im Kontext eines Verstoßes gegen die Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Ein Missbrauch der Wahlrechte widerspricht der Generalnorm des § 297 Abs. 2 HGB.

 

Tz. 568

Es liegt kein Verstoß gegen das Einheitlichkeitsgebot vor, wenn die Auswirkungen der Umbewertung für die tatsächliche Vermögens-, Finanz- und Ertragslage von nur untergeordneter Bedeutung wäre. Hierfür muss die Auswirkung quantifizierbar sein, um zu einer Einschätzung bzgl. der Wesentlichkeit gelangen zu können. Eine "überschlägige Ermittlung"[771] ist zur Erkenntnisgewinnung ausreichend, muss aber an jedem Stichtag neu vorgenommen werden. Praktische Relevanz wird zumeist bei kleinen Tochtergesellschaften im Ausland bestehen.[772]

Die Wesentlichkeitsgrenze orientiert sich am Konzernabschluss unter Beachtung einer Einzelbetrachtungs- und Gesamtbetrachtungsebene. Sofern isoliert ein unwesentlicher Sachverhalt (auf Aussageebene) vorliegt ist gleichsam zu prüfen, ob auf aggregierter (Abschluss-)Ebene die Auswirkung ebenfalls unwesentlich ist. Eine Angabe der unwesentlichen Abweichungen im Anhang ist nicht geboten.

 

Tz. 569

Letztverbleibend kann eine Umbewertung unterlassen werden, wenn zwar keine untergeordnete Bedeutung vorliegt, mithin aber die Gründe in der fortbestehenden Praktikabilität der Konsolidierung liegen. Unter Beachtung der Informationsfunktion des Konzernabschlusses lässt sich dies schlechterdings nicht begründen. Nach einhelliger Auffassung kann die Regelung demnach nur restriktiv aufzufassen sein.[773] Eine genaue Vorstellung des Gesetzgebers scheint hinsichtlich dieses "Ausnahmefalls" nicht zu bestehen.[774]

Insgesamt lassen sich nur wenige denkbare Situationen ausmachen, die diese Regelung im Sinn haben könnte:

 

BEISPIEL[775]

Die A-AG kauft kurz vor dem Bilanzstichtag ein Tochterunternehmen, das zum Bilanzstichtag bereits in den Konzernabschluss einbezogen werden soll. Die Umbewertung der Vermögensgegenstände und Schulden würde den Prozess der Konzernabschlussaufstellung aber unverhältnismäßig verzögern. Unter Beachtung von § 308 Abs. 2 Satz 4 HGB könnte das Einheitlichkeitsgebot durchbrochen und auf eine Anpassung der Bewertungsmethoden des neu erworbenen Tochterunternehmens verzichtet werden.

Zusammenfassend lassen sich die Ausnahmen wie folgt kategorisieren:

  • Unmöglichkeit der Umbewertung,
  • Unzumutbarkeit der Umbewertung oder
  • es ergeben sich finanzielle Nachteile für das Tochterunternehmen.[776]

Erster Fall ist in der Praxis wohl eher selten. Hingegen wäre der zweite Fall wahrscheinlicher. Entsprechende unzumutbare Situationen, die zu Ausnahmefällen führen können, wären aber auch unter Wesentlichkeits­aspekten oftmals nicht zu vereinheitlichen oder würden u. U. auch eine Nichteinbeziehung rechtfertigen.[777] Bei Tochterunternehmen die sich in Liquidation befinden liegt keine Ausnahme vor, da die Vereinheitlichung – Abkehr von den Liquidationswerten – aufgrund nicht gleichwertiger Sachverhalte nicht sachgerecht wäre.[778]

[770] Zu den branchenspezifischen Beibehaltungswahlrechten Grottel/Huber, in: BeckBilKo, § 308 HGB Rn. 24 ff.
[771] ADS, § 308 HGB Rn. 28.
[772] Senger, in: MüKo-BilR, § 308 HGB Rn. 32.
[773] Senger, in: MüKo-BilR § 308 HGB Rn. 35; Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 308 HGB Rn. 20; ADS, § 308 HGB Rn. 49; Müller/Kreipl, in: Bertram u. a., HGB, § 308 HGB Rn. 55; Wiedmann, in: Ebenroth u. a., HGB, § 308 HGB Rn. 16.
[774] Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 308 HGB Rn. 7.
[775] In Anlehnung an Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 308 HGB Rn. 20.
[776] Kirsch, in: Petersen u. a., BilanzR, § 308 HGB Rn. 48.
[777] Schulz, WPg 1990, 357 (361); Grottel/Huber, in: BeckBilKo, § 308 HGB Rn. 32.
[778] Kirsch, in: Petersen u. a., BilanzR, § 308 HGB Rn. 49; Müller/Kreipl, in: Bertram u. a., HGB, § 308 HGB Rn. 57.

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