aa) Auslegung der Norm

 

Tz. 188

Nach Abs. 1 Nr. 3 braucht ein Tochterunternehmen nicht in den Konzernabschluss einbezogen werden, wenn die Anteile des Tochterunternehmens ausschließlich zum Zwecke ihrer Weiterveräußerung gehalten werden. Ein bloßes Abstellen auf das subjektive Element der Weiterveräußerungsabsicht könnte zu einem exzessiven Gebrauch verleiten.[315] Nach h. M. ist insoweit eine restriktive Auslegung geboten. Insbesondere sind objektive Anhaltspunkte für den maßgeblichen subjektiven Willen erforderlich.[316] Da die Norm auf das rechtliche Halten einer Beteiligung abstellt, wird sie regelmäßig nur bei Konsolidierungen aufgrund von Abs. 2 Nr. 1 bis 3 in Betracht kommen.[317]

 

Tz. 189

Nach h. M. bezieht sich die Norm über den Wortlaut hinaus nicht nur auf eine Veräußerung der Anteile des Tochterunternehmens (share deal) sondern auch auf den Tausch gegen Anteile an einem anderen Unternehmen sowie auf die Veräußerung des gesamten Reinvermögens des Tochterunternehmens (asset deal).[318] Der wirtschaftliche Effekt ist jeweils der Gleiche.

[315] Winkeljohann/Deubert, in: BeckBilKo, § 296 HGB Rn. 16.
[316] Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 296 HGB Rn. 4.
[317] Kindler, in: GroßKo-HGB, § 296 HGB Rn. 13.
[318] DRS 19.95.

bb) Absicht zur Weiterveräußerung

 

Tz. 190

Der Begriff der Weiterveräußerung ist wirtschaftlich im Sinne eines Bilanzabgangs zu verstehen. Dazu wird regelmäßig die Übertragung des rechtlichen, im Einzelfall aber schon die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums (§ 246 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz HGB) ausreichen. Zwar suggeriert der Wortlaut des Abs. 1 Nr. 3, dass alle Anteile veräußert werden sollen. Entscheidend ist jedoch, dass sich die Veräußerungsabsicht auf eine solche Anzahl von Anteilen bezieht, dass nach Veräußerung eine Konsolidierung nach § 290 HGB nicht möglich wäre.[319] Da es auf ein Ausscheiden aus dem Konsolidierungskreis ankommt, sind nur beabsichtigte Veräußerungen an außerhalb des Konzerns stehende fremde Dritte relevant.[320]

 

Tz. 191

Entscheidend zur Bestimmung der Absicht ist der Wille des Veräußernden. Dieser Wille muss durch objektive Anhaltspunkte belegbar sein und das Projekt muss tatsächlich realisierbar sein. Objektive Anhaltspunkte für eine Veräußerungsabsicht sind z. B.:[321]

  • Ausweis im Umlaufvermögen (wird z. T. als zwingend notwendig erachtet)
  • Abschluss von Verträgen, Vorverträgen (nicht ohne weiteres ausreichend sind demgegenüber Letters of Intent, Term Sheets etc.)
  • Kaufoptionen, Wandlungsrechte (wenn mit Ausübung realistisch zu rechnen ist)
  • Einleitung von Verkaufsverhandlungen oder Bieterverfahren
  • Beauftragung eines Maklers
  • Fassen von Vorstands-, Aufsichtsrats- oder Gesellschafterbeschlüssen
  • Weiterveräußerungsauflagen von Wettbewerbsbehörden
 

Tz. 192

Die Anteile müssen ausschließlich zum Zwecke ihrer Weiterveräußerung gehalten werden. Schädlich sind daher

  • die (wenn auch nur vorübergehende) Einflussnahme auf die Finanz- oder Geschäftspolitik, die auf eine Integration des Tochterunternehmens in den Konzernverbund abzielt;
  • Maßnahmen, die das Tochterunternehmens in einem verkaufsfähigen Zustand bringen sollen.

Unschädlich sind demgegenüber normale Geschäftsbeziehungen zum Tochterunternehmen und Maßnahmen, die auf die bloße Aufrechterhaltung der Verkaufsfähigkeit abzielen.[322]

Die Weiterveräußerungsabsicht muss bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs bestanden haben. Wurde das Unternehmen bereits in den Konzernabschluss einbezogen, scheidet Abs. 1 Nr. 3 von Vornherein aus.[323] In einem solchen Fall kann die Norm auch nicht künstlich herbeigeführt werden. Beispiel nach DRS 19.97: Das gesamte Reinvermögen eines bereits konsolidierten Tochterunternehmens soll im Wege des Asset Deals veräußert werden. In einem ersten Schritt werden sämtliche Vermögensgegenstände auf ein neu gegründetes Tochterunternehmen übertragen, dessen Anteile dann veräußert werden sollen. Abs. 1 Nr. 3 ist nicht anwendbar.

[319] DRS 19.96.
[320] DRS 19.96.
[321] Vgl. DRS 19.98; Winkeljohann/Deubert, in: BeckBilKo, § 296 HGB Rn. 27 f.
[322] DRS 19.97; Ebeling/Ernst, in: Beck HdR, C 210 Rn. 53.
[323] DRS 19.97; ADS, § 296 HGB Rn. 23.

cc) Zeitliche Aspekte

 

Tz. 193

Das Gesetz sieht eine zeitliche Befristung des Einbeziehungswahlrechts nicht vor. Eine zunehmende Haltedauer (ab ca. 3 Jahren) spricht jedoch gegen eine ausschließliche Weiterveräußerungsabsicht. Die Voraussetzungen der Norm sind an jedem Konzernabschlussstichtag erneut zu prüfen.[324]

[324] DRS 19.99.

dd) Mögliche Fallgruppen

 

Tz. 194

Hauptanwendungsbereich der Norm ist der Finanzsektor. Mögliche Anwendungsfälle sind:[325]

  • Emissionskonsortien
  • Paketübernahmen durch Banken zwecks Platzierung
  • Sanierungsbeteiligungen von Kreditinstituten (s. dazu auch § 340j HGB)
  • Aufbringung von Startkapital (seed money) als Anschubfinanzierung (insbesondere in neu gegründete Publikumsfonds)

Im Industriesektor kommt die Norm allenfalls in Sonderkonstellationen in Betracht:[326]

Bei Akquisition einer Unternehmensgruppe steht von Vornherein fest, dass bestimmte Teilbereiche nicht zur Konzernpolitik passen und daher unmittelbar weiterveräußert werden sollen

[325] Vgl. Merkt, in: Baumbach/H...

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