aa) Vorlagepflichten

 

Tz. 149

Die Vorlagepflichten beziehen sich (vgl. den Wortlaut von Abs. 3 Satz 1) auf:[261]

  • Jahresabschlüsse (sog. Handelsbilanz I)
  • Einzelabschlüsse nach § 325a Abs. 2 HGB (IFRS-Einzelabschluss für Offenlegungszwecke)
  • (Teil-)Konzernabschlüsse
  • Lageberichte zum Einzel- oder (Teil-)Konzernabschluss
  • Prüfungsberichte zu den Einzel- oder (Teil-)Konzernabschlüssen
  • Zwischenabschlüsse, sofern diese nach § 299 HGB aufgrund eines abweichenden Abschlussstichtages auf den Konzernabschlussstichtag aufzustellen waren

Form und Inhalt der vorzulegenden Unterlagen bestimmen sich grundsätzlich nach dem (gegebenenfalls ausländischen) Recht des Tochterunternehmens. Ist danach z. B. die Aufstellung eines Abschlusses oder die Erstellung eines Lageberichts (wie z. B. im Falle des § 264b HGB) nicht erforderlich, kann das Mutterunternehmen gleichwohl (gestützt auf das Auskunftsrecht nach Abs. 3 Satz 2) die Vorlage der entsprechenden Informationen (und damit im Ergebnis die Erstellung der entsprechenden Dokumentation) verlangen.[262]

[261] Vgl. zum organisatorischen Ablauf der Erstellung eines Konzernabschlusses Rapp, DB 2013, 948 (950 ff.).
[262] Vgl. dazu Winkeljohann/Deubert, in: BeckBilKo, § 294 HGB Rn. 22 (m. w. N.).

bb) Auskunftspflichten

 

Tz. 150

Nach Abs. 3 Satz 2 kann das Mutterunternehmen von jedem Tochterunternehmen alle für die Aufstellung des Konzernabschlusses/Konzernlageberichts erforderlichen Aufklärungen und Nachweise verlangen. Die so statuierten Auskunftspflichten sind umfassend zu verstehen. Jeder nur mittelbare Zusammenhang zwischen dem gewünschten Informationen und dem Abschluss/Lagebericht des Mutterunternehmens reicht aus. Beispiele (nicht abschließend) für zulässige Auskunftsbegehren sind:[263]

  • ergänzende Angaben, die zur Aufstellung der an die konzerneinheitlichen Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden angepassten Jahresabschlüsse (Handelsbilanz II) erforderlich sind
  • für die Kapitalkonsolidierung (§ 301 HGB), Schuldenkonsolidierung (§ 303 HGB), Zwischenergebniseliminierung (§ 304 HGB), Aufwands- und Ertragskonsolidierung (§ 305 HGB) sowie die Bilanzierung latenter Steuern (§ 306 HGB) erforderliche Informationen
  • Informationen über Ereignisse zwischen Abschlussstichtag und Aufstellungszeitpunkt
  • Erstellung einer Kapitalflussrechnung, eines Eigenkapitalspiegels und/oder einer Segmentberichterstattung
[263] Vgl. Winkeljohann/Deubert, in: BeckBilKo, § 294 HGB Rn. 24; Senger/Hoehne, in: MüKo-BilR, § 294 HGB Rn. 32; Kindler, in: GroßKo-HGB, § 294 HGB Rn. 16, 18.

cc) Frist

 

Tz. 151

Auch wenn die Vorlagefrist ausschließlich in Abs. 3 Satz 1 geregelt ist, gilt sie nicht nur für die Vorlagepflichten nach Satz 1, sondern auch für die Auskunftspflichten nach Satz 2. Nur so ist sichergestellt, dass das Mutterunternehmen rechtzeitig über die notwendigen Unterlagen/Informationen verfügt. Die Vorlage muss unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB) erfolgen.

Da das Mutterunternehmen die Unterlagen/Informationen innerhalb der für sie geltend gesetzlichen Fristen (i. d. R. fünf Monate nach Abschlussstichtag) benötigt, laufen für ein Tochterunternehmen nach anwendbarem (ggf. ausländischen) Recht geltende längere (oder nicht vorhandenen) Fristen faktisch ins Leere. Somit ist das Tochterunternehmen verpflichtet, sich insoweit an die Vorgaben des Mutterunternehmens zu halten.[264] Die Gewährung eines Kostenerstattungsanspruchs gegen das Mutterunternehmen zumindest in Fällen unverhältnismäßigen Mehraufwands erscheint geboten.[265]

[264] Winkeljohann/Deubert, in: BeckBilKo, § 294 HGB Rn. 23; Senger/Hoehne, in: MüKo-BilR, § 294 HGB Rn. 31.
[265] Vgl. Winkeljohann/Deubert, in: BeckBilKo, § 294 HGB Rn. 23; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 294 HGB Rn. 3.

dd) Durchsetzbarkeit

 

Tz. 152

Der Vorlage- bzw. Auskunftsanspruch des Mutterunternehmens ist (ggf. im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes) gerichtlich durchsetzbar. Bei ausländischen Tochterunternehmen sind nach allgemeinen Grundsätzen die Gerichte am Sitz des Tochterunternehmens zuständig; für diese Fälle empfehlen sich Vereinbarungen zugunsten des deutschen Gerichtsstands.[266]

 

Tz. 153

Beruft sich das Tochterunternehmen auf Schutzklauseln/Abwehrrechte nach in- oder ausländischem Recht (Geheimhaltungspflichten; Gleichbehandlungsgrundsatz etc.), ist im Rahmen einer Interessenabwägung dem Rechnungslegungsinteresse des Mutterunternehmens grundsätzlich Vorrang einzuräumen.[267] Zu den Folgen faktischer Durchsetzungshindernisse (z. B. aufgrund fortwährender Verweigerungshaltung des Tochterunternehmens) auf die Einbeziehung in den Konsolidierungskreis vgl. Tz. 141.

 

Tz. 154

In zeitlicher Hinsicht sollte Abs. 3 (ggf. analog) fortgelten, wenn das Tochterunternehmen im laufenden Jahr aus dem Konsolidierungskreis ausgeschieden ist, sodass (formal) zum Zeitpunkt der Aufstellung des Konzernabschlusses (und damit zum Zeitpunkt des Vorlage-/Auskunftsbegehrens) kein Mutter-Tochter-Verhältnis (mehr) besteht. Andernfalls wäre das Rechnungslegungsinteresse des Mutterunternehmens unangemessen beeinträchtigt.[268] Gegebenenfalls kommt bei Nichtbefolgung eine N...

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