Tz. 62

Besitzt das Berichtsunternehmen einen geringfügig unter 50 % liegenden Anteil an einem börsennotierten Unternehmen, so kann im Falle einer breiten Streuung der übrigen Aktien unter Kleinaktionären eine deutliche und nachhaltige Präsenzmehrheit in der Hauptversammlung vorliegen (IFRS 10.B42 ff.). In den diesbezüglichen Regelungen geht es insbesondere um die Größe des eigenen Anteils – d. h. wie nah dieser an der 50 %-Grenze liegt – sowie um die Streuung der anderen Anteile (IFRS 10.B42). In jedem Fall ist eine individuelle Untersuchung notwendig, bei der neben dem absoluten Stimmrechtsanteil auch die Nichtausübung der Stimmrechte der sonstigen Gesellschafter in der Vergangenheit zu berücksichtigen ist.[131]

Zur Illustration der Beurteilung führt der Standardsetzer in IFRS 10.B43 ff. folgende Anwendungsbeispiele an:

  • Beträgt der eigene Anteil 48 % und beläuft sich der Anteil sämtlicher Kleinaktionäre auf unter 1 %, so wird Beherrschung angenommen (IFRS 10.B43).
  • Beträgt der eigene Anteil 45 % und belaufen sich die Anteile zweier Aktionäre auf 26 % sowie der Anteil von drei weiteren Aktionären auf jeweils 1 %, so ist keine Beherrschung durch Stimmrechtsmehrheit anzunehmen (IFRS 10.B44).
  • Beträgt der eigene Anteil 45 % und belaufen sich die Anteile elf weiterer Aktionäre auf jeweils 5 %, so ist zunächst unklar, ob Beherrschung vorliegt (IFRS 10.B45).

Die Beispiele zeigen auf, dass nach Auffassung des Standardsetzers ausschließlich Präsenzmehrheiten mit evidenter Stimmrechtsdominanz uneingeschränkt ein de facto Control-Verhältnis bewirken. Zahlreiche andere Situationen sind hingegen weiterhin der Beurteilung durch das bilanzierende Unternehmen unterworfen, wobei IFRS 10.B45 diesbezüglich heranzuziehende Indikatoren enthält. Hierbei ist insbesondere das Abstimmungsverhalten der sonstigen Anteilseigner in der Vergangenheit von Relevanz.[132]

[131] Lüdenbach/Freiberg, PiR 2012, 41 (46 f.); Brune, in: Beck IFRS-Hdb., § 30 Rn. 40.
[132] Brune, in: Beck IFRS-Hdb., § 30 Rn. 40.

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