Tz. 16

Stimmrecht bedeutet das Recht, in der Versammlung der Gesellschafter (z. B. bei der Hauptversammlung der AG) die gesetzlichen und satzungsmäßigen Rechte, die mit dem Unternehmensanteil verbunden sind, auszuüben.[28]

Die Mehrheit der Stimmrechte ist gegeben, wenn einem Unternehmen die einfache (= absolute) Mehrheit (50 % plus 1) der Stimmrechte formal direkt oder indirekt zusteht.[29] Welcher Teil der Stimmrechte einem Unternehmen zusteht, bestimmt sich nach dem Verhältnis der Zahl der Stimmrechte, die es aus den ihm gehörenden Anteilen ausüben kann, zur Gesamtzahl aller Stimmrechte (Abs. 4; vgl. Tz. 32). Satzungsmäßig vereinbarte Mehrstimmrechte (bei einer AG jedoch gem. § 12 Abs. 2 AktG unzulässig) sowie Stimmrechtsbegrenzungen (sog. Höchststimmrechte) sind zu berücksichtigen.[30] Stimmrechtslose Anteile zählen nicht mit (anders, wenn und soweit ihnen für bestimmte Fälle das Stimmrecht nach §§ 140, 141 AktG zuwächst);[31] eine von der Höhe der Stimmrechte abweichende Kapitalbeteiligung ist folglich unbeachtlich.[32]

Die Stimmrechtsmehrheit muss rechtlich abgesichert sein. Bloße Präsenzmehrheiten auf der Hauptversammlung sowie potenzielle Stimmrechte o. Ä. erfüllen Abs. 2 Nr. 1 nicht.[33] In diesen Fällen kann jedoch eine Konsolidierung nach Abs. 1 in Betracht kommen (vgl. Tz. 30).

 

Tz. 17

Umstritten ist, ob Abs. 2 Nr. 1 eine Gesellschafterstellung voraussetzt. Für ein solches Erfordernis spricht der Wortlaut des durch das BilMoG 2009 (möglicherweise versehentlich) nicht angepassten Abs. 4, der insoweit auf die dem Mutterunternehmen "gehörenden Anteile" abstellt.[34] Nach anderer Auffassung soll eine gleichzeitige Gesellschafterstellung nicht erforderlich sein.[35] Praktisch relevant könnte dies für die Frage sein, ob Stimmrechtsvollmachten (z. B. das Depotstimmrecht von Banken) dem Bevollmächtigten eine Beherrschung (mit den damit verbundenen Folgen) vermitteln (vgl. Tz. 19).

 

Tz. 18

Nach herrschender Auffassung vermittelt eine einfache Stimmrechtsmehrheit dem Mutterunternehmen selbst dann eine Beherrschungsmöglichkeit, wenn die wesentlichen Entscheidungen per Satzung an eine qualifizierte Mehrheit (z. B. 75 % oder Zustimmung eines Mitgesellschafters) gebunden sind (sog. formaljuristische Auslegung der Stimmrechtsmehrheit nach Abs. 2 Nr. 1).[36] In diesem Fall kann jedoch auf eine Einbeziehung der Gesellschaft in den Konzernabschluss nach § 296 Abs. 1 Nr. 1 HGB verzichtet werden (vgl. Tz. 170 ff.).

 

Tz. 19

Die Relevanz von Stimmrechtsbeschränkungen ist umstritten. Handelt es sich um dinglich wirkende Ausübungsbeschränkungen, besteht weitgehend Einigkeit, dass diese zu beachten sind. Dies betrifft insbesondere:

Schuldrechtliche Stimmrechtsbeschränkungen sind demgegenüber bei konsequenter formaljuristischer Auslegung der Stimmrechtsmehrheit nach Abs. 2 Nr. 1 unbeachtlich.[38] Hierzu zählen insbesondere:

  • Stimmbindungsverträge
  • Stimmrechtsvollmachten
  • Entherrschungsverträge[39]
[28] Busse von Colbe, in: MüKo-HGB, § 290 HGB Rn. 31.
[29] DRS 19.21.
[30] Busse von Colbe, in: MüKo-HGB, § 290 HGB Rn. 35.
[31] Kindler, in: GroßKo-HGB, Vor § 290 HGB Rn. 34.
[32] DRS 19.21.
[33] DRS 19.22.
[34] Busse von Colbe, in: MüKo-HGB, § 290 HGB Rn. 32; Senger/Hoehne, in: MüKo-BilR, § 291 HGB Rn. 70.
[35] DRS 19.25.
[36] DRS 19.23; s. zum Meinungsstand Kindler, in: GroßKo-HGB, Vor § 290 HGB Rn. 37 m. w.N.
[37] DRS 19.24.
[38] DRS 19.23.
[39] Die Auswirkungen eines Entherrschungsvertrags werden intensiver diskutiert. Hier tendieren deutlich mehr Autoren (entgegen DRS 19.23) zu einer Berücksichtigung; zum Meinungsstand s. Kindler, in: GroßKo-HGB, § 290 HGB Rn. 38; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 290 HGB Rn. 9.

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