Tz. 243

Als Generalnorm des Konzernabschlusses verlangt § 297 Abs. 2 Satz 2 HGB, dass der Konzernabschluss unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns vermitteln muss. Der Regelungsgehalt entspricht im Wesen dem aus der angelsächsischen Tradition stammenden Grundsatz des true and fair view.[368] Die Abbildung des Lagebildes bezieht sich nicht auf die Lage des Konzerns im Allgemeinen. Es setzt sich vielmehr aus drei Komponenten zusammen:

  • Die Vermögenslage des Konzerns ergibt sich aus der Gesamtheit des Vermögens und der Schulden der in den Konzernabschluss einzubeziehenden Unternehmen.
  • Die Finanzlage des Konzerns ergibt sich aus der Herkunft und der Verwendung der im Konzern eingesetzten Mittel (sowie deren Fristigkeiten).
  • Die Ertragslage des Konzerns ergibt sich aus den Aufwendungen und Erträgen des Konzerns und wird maßgeblich durch die Methodik der Verrechnung des Zwischenergebnisses (vgl. § 340 HGB) sowie der Aufwands- und Ertragskonsolidierung (vgl. § 305 HGB) beeinflusst.

Der Wortlaut des Abs. 2 Satz 2 entspricht der korrespondierenden Regelung im Einzelabschluss (vgl. § 264 HGB). Zur Auslegung der Begriffe vgl. Kapitel 3 Tz. 27 ff.[369]

 

Tz. 244

Die Bedeutung der Generalnorm für den Konzernabschluss besteht darin, dass der Konzernabschluss nicht lediglich aggregierte Informationen aus den auf der Generalnorm nach § 264 Abs. 2 HGB basierten Einzelabschlüssen vermittelt, sondern darüber hinausgeht. Durch Abs. 2 Satz 2 wird sichergestellt, dass wesentliche kodifizierte und nicht kodifizierte Prinzipien der Konzernrechnungslegung (insbesondere Einheitsgrundsatz, vgl. Tz. 247; Kapitalkonsolidierung, § 301 HGB; Schuldenkonsolidierung, § 303 HGB; Aufwands- und Ertragskonsolidierung, § 305 HGB) bei der Informationsvermittlung hinreichend berücksichtigt und Informationslücken geschlossen werden. Man spricht insoweit auch von den Grundsätzen ordnungsmäßiger Konsolidierung.[370]

 

Tz. 245

Die Generalnorm ist Interpretationshilfe für §§ 297 ff. HGB, die mangels detaillierte Einzelregelungen deutlich interpretationsbedürftiger/-fähiger sind als die Reglungen zum Einzelabschluss, und ggf. der Schließung von Gesetzeslücken.[371] Ihr kommt im Ergebnis nach h. M. der Charakter einer subsidiären Auslegungsvorschrift und nicht der eines overriding principle zu.[372] Die Möglichkeit, gesetzliche Wahlrechte auszuüben, wird durch die Generalnorm nicht eingeschränkt.[373]

 

Tz. 246

Verbale zusätzliche Angaben sind gemäß Abs. 2 Satz 3 im Konzernanhang zu machen, wenn der Konzernabschluss kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns vermittelt. Dies kommt nur in Ausnahmefällen und nur dann in Betracht, wenn im Konzernanhang nicht auf Grundlage anderer Vorschriften bereits berichtet wurde, z. B.[374]

  • wenn durch ungewöhnliche, überwiegend bilanzpolitisch motivierte Maßnahmen die Voraussetzungen für Konsolidierung geschaffen/unterbunden werden;
  • wenn Einbeziehung erfolgt, obwohl schwebendes Kartellverfahren noch nicht beendet ist.
[368] Baetge/Kirsch/Thiele, KonzernBil, 52.
[369] Grundlegend zu den drei Komponenten im Konzernabschluss Kraft, in: GroßKo-HGB, § 297 HGB Rn. 56 ff.
[370] Vgl. Kraft, in: GroßKo-HGB, § 297 HGB Rn. 61 ff.; Senger, in: MüKo-BilR, § 297 HGB Rn. 113.
[371] ADS, § 297 HGB Rn. 28.
[372] Kraft, in: GroßKo-HGB, § 297 HGB Rn. 53 (m. w. N.).
[373] Winkeljohann/Rimmelspacher, in: BeckBilKo, § 297 HGB Rn. 187.
[374] Vgl. Kraft, in: GroßKo-HGB, § 297 HGB Rn. 66.

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