Tz. 400

Die vollumfängliche Erfüllung der Definition von Unternehmenszusammenschlüssen erfordert über das bloße Vorliegen eines Geschäftsbetriebs hinaus auch den Übergang der Beherrschung des Geschäftsbetriebs auf den Erwerber.

 

Tz. 401

In sämtlichen Fällen eines Unternehmenszusammenschlusses sind mit Blick auf die Anwendung der Erwerbsmethode ein Erwerber und ein erworbenes Unternehmen zu identifizieren. Als Erwerber ist dabei generell die Partei anzusehen, die die Beherrschung über den Geschäftsbetrieb erlangt und daher Nutzen aus dem erworbenen Unternehmen ziehen kann. Für den Begriff der Beherrschung verweist IFRS 3.7 auf die Bestimmungen des IFRS 10.[546] Insofern ist nachfolgendes beachtlich:[547]

  • Durch eine Stimmrechtsmehrheit begründet sich i. d. R. die Vermutung der Beherrschung.
  • Auch bei fehlender Stimmrechtsmehrheit kann ein Beherrschungsverhältnis bestehen. Gründe hierfür können vertragliche Abreden mit den anderen Anteilseignern (Stimmrechtsbindungsverträge) oder bestehende Beherrschungsverträge sein. Darüber hinaus kann auch die Möglichkeit zur Bestimmung der Mitglieder des Geschäftsführungs- und/oder Aufsichtsorgans zu einem Beherrschungsverhältnis führen.
 

Tz. 402

In Einzelfällen kann die Bestimmung des Erwerbers mit Schwierigkeiten verbunden sein. In IFRS 3.B14 ff. gibt der Standardsetzer dem Bilanzierenden für diese Fälle Indikatoren an die Hand. Dabei ist zu differenzieren zwischen Unternehmenszusammenschlüssen, bei denen die Gegenleistung überwiegend in Zahlungsmitteln bzw. sonstigen Vermögenswerten oder der Übernahme von Schulden liegt, und solchen, bei denen es zur Hingabe von Eigenkapitalanteilen kommt. In ersterem Fall ist i. d. R. das die Gegenleistung erbringende Unternehmen als Erwerber zu betrachten (IFRS 3.B14). Wird ein Unternehmenszusammenschluss im Wesentlichen durch den Austausch von Eigenkapitalanteilen getätigt, ist das die Eigenkapitalanteile ausgebende Unternehmen üblicherweise – eine Ausnahme stellt der umgekehrte Unternehmenserwerb dar – als Erwerber anzusehen (IFRS 3.B15). Zusätzlich sind bei dieser Form der Gegenleistung nachfolgende Anhaltspunkte zu berücksichtigen:[548]

  • Jenes Unternehmen, das den verhältnismäßig höchsten Stimmrechtsanteil an dem aus einem Unternehmenszusammenschluss hervorgegangenen Gebilde aufweist, ist üblicherweise als Erwerber zu qualifizieren. Bei der Ermittlung der Stimmrechte sind ausdrücklich auch ungewöhnliche bzw. besondere Stimmrechtsvereinbarungen sowie Optionen, Optionsscheine oder wandelbare Wertpapiere berücksichtigungspflichtig (IFRS 3.B15(a)).
  • Sofern kein Anteilseigner bzw. keine Gruppe von Anteilseignern einen wesentlichen Stimmrechtsanteil aufweist, ist der Anteilseigner bzw. die Anteilseignergruppe mit der größten Minderheitenbeteiligung am zusammengeschlossenen Unternehmen als Erwerber zu betrachten (IFRS 3.B15(b)).
  • Sofern die Eigentümer eines der sich zusammenschließenden Unternehmen die Zusammensetzung des Leitungsgremiums im Anschluss an den Zusammenschluss bestimmen, ist das Unternehmen mit dem dominierenden Management üblicherweise als Erwerber zu qualifizieren (IFRS 3.B15(c)).
  • Wenn eines der sich zusammenschließenden Unternehmen die Mehrheit der Führungskräfte des neuen Gebildes stellt, so stellt dies einen Indikator für die Erwerbereigenschaft dar (IFRS 3.B15(d)).
  • Als Erwerber ist i. d. R. das am Zusammenschluss beteiligte Unternehmen anzusehen, das einen Aufschlag für Eigenkapitalanteile des anderen am Zusammenschluss beteiligten Unternehmens zahlt (IFRS 3.B15(e)).
 

Tz. 403

Daneben enthalten IFRS 3.16 ff. Indikatoren, die unabhängig von der Art der Gegenleistung für die Bestimmung des Erwerbers heranzuziehen sind:[549]

  • Ist eines der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen wesentlich größer als das andere bzw. die anderen Unternehmen (u. a. bemessbar an Vermögenswerten, Erlösen oder Gewinnen), so stellt dieses im Zweifelsfall den Erwerber dar (IFRS 3.B16).
  • Sind an einem Zusammenschluss mehr als zwei Unternehmen beteiligt, ist zu berücksichtigen, von welchem Unternehmen die Initiative zum Zusammenschluss ausgegangen ist und wie das Größenverhältnis der beteiligten Unternehmen zueinander ist (IFRS 3.B17).
  • Ein zum Zweck des Zusammenschlusses neu gegründetes und Anteile emittierendes Unternehmen ist nicht als Erwerber einzustufen. Vielmehr ist eines der bereits vor dem Zusammenschluss bestehenden Unternehmen als Erwerber zu identifizieren (IFRS 3.B18).
[546] Theile/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rn. 5540 f.
[547] Hierzu und weiterführend Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, IFRS, § 31 Rn. 2 sowie § 32 Rn. 6 ff.
[548] Ausführlich hierzu Petersen/Bansbach/Dornbach (Hrsg.), IFRS-Praxishandbuch, 6. Aufl., München 2011, 429 f.
[549] Petersen/Bansbach/Dornbach (Hrsg.), IFRS-Praxishandbuch, 6. Aufl., München 2011, 430.

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