Tz. 613

Im Normalfall wird der Kaufpreis nicht unter dem Wert des erworbenen Nettovermögens liegen, d. h. ein rationaler Verkäufer würde sich nur im Notfall mit weniger begnügen als ihm zusteht. Eine regelkonforme Überbewertung kann allerdings bei nicht bilanziell berücksichtigungsfähigen Risiken in den Vermögensgegenständen und Schulden entstehen. Folglich mindert sich der Kaufpreis ohne jedoch die Bilanzierung eines bilanziellen (Risiko-)Pendants.

 

BEISPIEL

Die A-AG erwirbt zum 31.12.t1 den Arzneimittelhersteller P-GmbH. Die P-GmbH hält die Patente auf verschiedene Blockbusterpräparate in Europa und Patente auf einige weniger ertragsreiche Präparate, die für den südamerikanischen und afrikanischen Markt bestimmt sind. Die P-GmbH hat in der jüngeren Vergangenheit ein Arzneimittel in Afrika auf den Markt gebracht, das unter eher dubiosen Bedingungen zugelassen wurde, aber als, wenn auch zweifelhaftes, Heilmittel gegen eine hochansteckende Virusinfektion gilt. Darüber hinaus wurde das Arzneimittel aggressiv vermarktet, sodass eine Vielzahl von Ärzten dieses Produkt trotz gravierender Nebenwirkungen verschrieb. Nach Einnahme des Medikaments starben verschiedene Patienten aufgrund der Nebenwirkungen.

Die A-AG erwirbt die P-GmbH zu einem Kaufpreis unterhalb des beizulegenden Zeitwerts von 1 Mrd. EUR. Der Abschlag von rund 250 Mio. EUR den die A-AG vornimmt erklärt sich wie folgt:

  • Auch wenn eine Verurteilung der P-GmbH auf Schadensersatzleistungen unwahrscheinlich ist, kann diese aufgrund des Restrisikos (der Höhe nach) bei der Kaufpreisfindung nicht unbeachtlich bleiben. Die bestehende Versicherung würde den maximal möglichen Betrag nur zu einem geringen Teil decken.
  • Neben einer möglichen Schadensersatzzahlung ist auch ein zukünftiger Reputationsschaden möglich.

Charakterlich wäre hierzu der Ansatz einer Drohverlustrückstellung vergleichbar. Hauptunterschied ist allerdings die entgegen der Rückstellung erfolgende erfolgsneutrale Einbuchung.[826]

 

Tz. 614

Eine erfolgswirksame Auflösung des passiven Unterschiedsbetrags ist bei Auftreten der ungünstigen Entwicklung geboten.[827] Alternativ ist der passive Unterschiedsbetrag ebenfalls bei Feststellung des endgültigen Nichteintritts der ungünstigen Entwicklung aufzulösen.

[826] Busse von Colbe, in: MüKo-HGB, § 309 HGB Rn. 28.
[827] Zur "muss"-Vorschrift Ordelheide, WPg 1984, 237 (244); Busse von Colbe, in: MüKo-HGB, § 309 HGB Rn. 29; zur planmäßigen Auflösung ADS, § 309 HGB Rn. 72.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Merkt, Rechnungslegung nach HGB und IFRS (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?


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