Tz. 129

Abs. 1 regelt, dass eine Befreiung von der Konzernrechnungslegungspflicht nur in Betracht kommt, wenn die betreffenden Schwellenwerte (genauer: jeweils zwei der in Abs. 1 genannten Schwellenwerte) an zwei aufeinander folgenden Abschlussstichtagen unterschritten werden.

 

Tz. 130

Daraus kann aber weder geschlossen werden, dass (i) eine Überschreitung der Schwellenwerte bereits im ersten Jahr zwangsläufig zur Konzernrechnungslegung führt noch dass (ii) eine (erstmalige) Unterschreitung stets noch nicht für eine Befreiung ausreicht. Aus dem Zusammenspiel von Abs. 1 und Abs. 4 folgt (bei leicht missverständliche Wortlaut), dass im Grundsatz eine Konzernrechnungslegungspflicht erst in Betracht kommt, wenn an zwei aufeinander folgenden Stichtagen mindestens zwei der drei relevanten die Schwellenwerte überschritten sind. Es lassen sich vier Fallgruppen unterscheiden:[232]

  • Die Schwellenwerte werden am aktuellen und am vorherigen Abschlussstichtag überschritten: Keine Befreiung von der Konzernrechnungslegungspflicht.
  • Die Schwellenwerte werden am aktuellen und am vorherigen Abschlussstichtag unterschritten: Befreiung von der Konzernrechnungslegungspflicht.
  • Die Schwellenwerte werden am aktuellen Abschlussstichtag überschritten, am vorherigen Abschlussstichtag waren sie unterschritten: Hier kommt es darauf an, ob sich das Unternehmen im Vorjahr (z. B. wegen zusätzlicher Unterschreitung der Schwellenwerte im Vor-Vorjahr) auf die Befreiung nach § 293 HGB berufen konnte oder nicht. War die Befreiung im Vorjahr gegeben, erstreckt sich diese auch auf das aktuelle Jahr.
  • Die Schwellenwerte werden am aktuellen Abschlussstichtag unterschritten, am vorherigen Abschlussstichtag waren sie überschritten: Hier kommt es darauf an, ob das Unternehmen im Vorjahr konsolidierungspflichtig war (z. B. wegen zusätzlicher Überschreitung der Schwellenwerte im Vor-Vorjahr). War die Konsolidierungspflicht im Vorjahr gegeben, erstreckt sich diese auch auf das aktuelle Jahr, ansonsten bleibt es bei der Befreiung von der Konsolidierungspflicht.
 

Tz. 131

Bei erstmaliger Bildung eines Konzerns i. S. v. § 290 HGB geht Abs. 1 ins Leere, da es noch keine (Konzern-)Vorjahreswerte gibt. Nach bislang h. M. reichte in diesem Fall jedoch die Unterschreitung der Schwellenwerte im ersten Berichtsjahr grundsätzlich für eine Befreiung von der Konsolidierungspflicht aus.[233] Nimmt man Abs. 4 wörtlich, ließe sich umgekehrt vertreten, dass – trotz Überschreitens der Schwellenwerte im ersten Jahr – eine Konsolidierungspflicht im ersten Jahr niemals in Betracht komme, da es am erforderlichen Merkmal des Überschreitens der Schwellenwerte an zwei aufeinanderfolgenden Stichtagen fehle. Der Gesetzgeber hat dieser Interpretation durch das BilMoG 2009 eine Absage erteilt.

Aus dem durch das BilMoG 2009 neu eingefügten (und durch das BilRUG ergänzten) Verweis auf § 267 Abs. 4 Satz 2 und 3 HGB in Abs. 4 ergibt sich, dass es bei Umwandlungen (seit dem BilRUG mit Ausnahme des Formwechsels) und Neugründungen ausschließlich auf die Verhältnisse am ersten Abschlussstichtag ankommt, d. h. (i) eine Konzernrechnungslegungspflicht besteht bereits im ersten Jahr, soweit die relevanten Schwellenwerte in diesem Jahr überschritten sind und (ii) eine Befreiung ist bereits dann möglich, wenn die Schwellenwerte im ersten Jahr unterschritten sind. Zu den Begriffen (zu Einzelheiten vgl. Kapitel 3 Tz. 203 ff.):

  • Umwandlungen meint sämtliche Umwandlungsvorgänge i. S. d. UmwG (Verschmelzung, Spaltung, seit dem BilRUG nicht mehr den Formwechsel) sowie auch die Anwachsung. Bei einem Formwechsel einer Kapitalgesellschaft oder einer Personenhandelsgesellschaft i. S. d. § 264a HGB bleibt es nach dem BilRUG demgegenüber bei der allgemeinen Regelung (Kontinuität über zwei aufeinanderfolgende Geschäftsjahre), da es weder zu einer veränderten wirtschaftlichen Einheit noch zur Anwendung eines anderen Bilanzierungsregimes kommt. Damit wurde auf Kritik aus der Literatur[234] reagiert.
  • Neugründung meint neben der gesellschaftsrechtlichen auch die sog. wirtschaftliche Neugründung (z. B. durch Aktivierung einer shelf company).[235]
 

Tz. 132

Bei erstmaliger Anwendung der Schwellenwerte nach dem BilRUG (freiwillig erstmals für das nach dem 31.12.2013 beginnende Geschäftsjahr, zwingend für das nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahr, vgl. Tz. 117) ist im Konzernanhang auf die fehlende Vergleichbarkeit der Umsatzerlöse der Vorjahre hinzuweisen und unter nachrichtlicher Darstellung des Betrags der Umsatzerlöse des Vorjahres, der sich aus der Anwendung von § 277 Abs. 1 HGB i. d. F. des BilRUG ergeben haben würde, zu erläutern (Art. 75 Abs. 2 Satz 3 EGHGB). Hintergrund ist, dass die Definition der Umsatzerlöse gem. § 277 Abs. 1 HGB durch das BilRUG im Vergleich zu den Vorjahren signifikant erweitert wurde.[236]

[232] S. dazu die Beispiele/schematischen Darstellungen bei Grottel/Kreher, in: BeckBilKo, § 293 HGB Rn. 21; Kindler, in: GroßKo-HGB, § 293 HGB Rn. 17.
[233] ADS, § 293 HGB Rn. 40.
[234] Vgl. Suchan, in: MüKo...

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