aa) Überblick

 

Tz. 52

Weisen Unternehmen ein vergleichsweise breites Spektrum an Aktivitäten auf, sind diese üblicherweise ausschließlich über Stimmrechte bzw. ähnliche Rechte zu beherrschen. Von einer Beherrschung durch den Investor kann im Regelfall bei folgenden Tatbeständen ausgegangen werden:[114]

  • Die im Hinblick auf relevante Entscheidungen erforderliche Mehrheit der Stimmrechte (in der Gesellschafterversammlung bzw. im sonst für eine Gesellschaft maßgeblichen Organ) wird durch den Investor selbst bzw. einen für ihn Handelnden (Agent) gehalten.
  • Die erforderliche Mehrheit liegt wegen bestehender Vereinbarungen mit anderen Gesellschaftern (Stimmrechtsbindungen) beim Investor.
  • Aufgrund eines bestehenden Beherrschungsvertrags kann der Investor die Geschäfte einer untergeordneten Gesellschaft bestimmen.
  • Aufgrund bestehender Vereinbarungen (bspw. Call-Optionen) verfügt der Investor über potenzielle Stimmrechte, welche eine Beherrschung – alleine bzw. zusammen mit anderen Rechten – ermöglichen.
  • Der Investor verfügt über eine nachhaltige Präsenzmehrheit.
[114] Lüdenbach/Freiberg, PiR 2012, 41 (43 f.).

bb) Mehrheit der Stimmrechte

bb1) Substanzielle Rechte versus Schutzrechte

 

Tz. 53

Nach den Bestimmungen des IFRS 10 ist bei der Beurteilung bzgl. einer gegebenen Beherrschungsmöglichkeit ausdrücklich auf substanzielle Stimmrechte bzw. Stimmrechtsmehrheiten abzustellen. Sofern für relevante Entscheidungen die Zustimmung durch Dritte notwendig ist, liegt keine substanzielle Stimmrechtsmehrheit vor (IFRS 10.B36 i. V. m. IFRS 10.B22 ff. und IFRS 11.B8). Substanzielle Rechte Dritter können einer Beherrschung durch einen Investor somit entgegenstehen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich das Erfordernis nach einer Differenzierung zwischen substanziellen Rechten und Schutzrechten Dritter.[115]

 

Tz. 54

Unter Schutzrechten sind gemäß IFRS 10.Anhang A solche Rechte zu verstehen, die darauf abzielen, die Beteiligungen des Rechteinhabers zu schützen. Dabei wird dem Rechteinhaber jedoch nicht die Verfügungs- bzw. Entscheidungsgewalt über das jeweilige Unternehmen eingeräumt.

Die Definition des IFRS 10.Anhang A ist für Abgrenzungszwecke jedoch wenig zielführend, da sie lediglich die fehlende Eignung von Schutzrechten zur Kontrolle über andere Unternehmen darlegt. Die ergänzenden Erläuterungen des IFRS 10 sind demgegenüber aufschlussreicher. So beziehen sich Schutzrechte gemäß IFRS 10.B27 lediglich auf fundamentale Änderungen im Hinblick auf die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens oder auf außerordentliche Umstände. In IFRS 10.B28 f. findet sich eine exemplarische Auflistung von Tatbeständen, bei denen Schutzrechte vorliegen. Hierzu zählen u. a.

  • das Gläubigerrecht, einem Schuldner Einschränkungen bei Tätigkeiten aufzuerlegen, die das Kreditrisiko wesentlich beeinflussen (IFRS 10.B28(a)),
  • das Recht zur Genehmigung oder Ablehnung von Emissionen von Eigenkapital- oder Schuldinstrumenten (IFRS 10.B28(b)) und
  • das Pfändungsrecht für den Fall, dass ein Schuldner festgelegte Bedingungen für die Darlehenstilgung nicht erfüllt (IFRS 10.B28(c)).[116]
 

Tz. 55

IFRS 10 enthält keine explizite Definition für substanzielle Rechte. Stattdessen listet der Standardsetzer in IFRS 10.B14 ff. zunächst Rechte auf, die einem Investor Entscheidungsmacht über ein anderes Unternehmen vermitteln können.[117] Hierzu gehören gemäß IFRS 10.B15 insbesondere

  • Stimmrechte bzw. potenzielle Stimmrechte,
  • Rechte zur Bestellung, Versetzung oder Abberufung von Mitgliedern des Managements in Schlüsselpositionen beim anderen Unternehmen, die in der Lage zur Lenkung der maßgeblichen Tätigkeiten sind,
  • Rechte zur Ernennung bzw. Abberufung eines anderen Unternehmens, welches die maßgeblichen Tätigkeiten lenkt,
  • Weisungsrechte gegenüber dem Beteiligungsunternehmen, Transaktionen zum Vorteil des Investors vorzunehmen bzw. solche Transaktionen zu unterlassen, und
  • sonstige Rechte, die es dem Inhaber erlauben, die maßgeblichen Tätigkeiten des Beteiligungsunternehmens zu lenken (u. a. in einem Managementvertrag festgelegte Entscheidungsrechte).

Zusätzlich werden Indikatoren für Verfügungs- bzw. Entscheidungsmacht beschrieben, wie bspw. wirtschaftliche Abhängigkeiten oder der Umfang variabler Rückflüsse. Darüber hinaus wird klargestellt, dass bei operativ tätigen Gesellschaften, bei denen zahlreiche laufende Entscheidungen notwendig sind, die Entscheidungsmacht i. d. R. durch Stimmrechte erlangt wird (IFRS 10.B16). Hierauf aufbauend werden im Wesentlichen Faktoren beschrieben, die gegen das Vorliegen substanzieller Rechte sprechen (IFRS 10.B22 ff.). Hierzu gehören bspw. Strafzahlungen, Informationsdefizite oder regulatorische Voraussetzungen, die einer tatsächlichen Ausübung entgegenstehen. Angeführt werden in diesem Kontext auch substanzielle Rechte Dritter.[118]

 

Tz. 56

Aufbauend auf den Anwendungsleitlinien des IFRS 10 können spezifische, regelmäßig in vertraglichen Klauseln enthaltene Bestimmungen eindeutig als Schutzrechte qualifiziert werden. Hierzu zählen insbesondere Zustimmungsvorbehalte in Bezug auf die nachfolgenden Maßnahmen:[119]

  • Änderungen des Gesellschaftsvertrags
  • ...

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