aa) Vollständigkeitsgebot (Satz 1)

 

Tz. 328

Nach § 300 Abs. 2 Satz 1 HGB sind Vermögensgegenstände, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten sowie die Erträge und Aufwendungen der in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen unabhängig von ihrer Berücksichtigung in den Jahresabschlüssen dieser Unternehmen vollständig aufzunehmen, soweit sie dem Recht des Mutterunternehmens folgend bilanzierungsfähig oder -pflichtig sind.

Diese Regelung ist als konzernspezifische Konkretisierung des ohnehin bereits durch § 246 Abs. 1 HGB für den Einzelabschluss festgelegten und aufgrund des § 298 Abs. 1 HGB auch für den Konzernabschluss einschlägigen Vollständigkeitsgrundsatzes zu verstehen.[467]

Wenngleich diese nicht explizit aufgeführt werden, fallen auch Haftungsverhältnisse unter das Vollständigkeitsgebot. Auch sind aufgrund handelsrechtlicher Bestimmungen bilanzierte Sonderposten – bspw. Sonderposten für Investitionszuschüsse oder für geleistete Einzahlungen vor der Durchführung einer Kapitalerhöhung – zu berücksichtigen.[468]

 

Tz. 329

Bei unterjährigem Erwerb eines Tochterunternehmens bezieht sich das Vollständigkeitsgebot ausschließlich auf die ab dem Erwerbszeitpunkt anfallenden Aufwendungen bzw. Erträge. Diese zeitliche Abgrenzung bedingt im Regelfall die Aufstellung eines Zwischenabschlusses des Erwerbsobjekts, der auf den entsprechenden Erstkonsolidierungsstichtag lautet. Auf die Aufstellung des Zwischenabschlusses kann ggf. aus Wesentlichkeitsgründen verzichtet werden. In diesem Fall kann einerseits – bei Erwerb in der ersten Jahreshälfte – der Aufwand bzw. Ertrag für das gesamte Geschäftsjahr des Konzerns in die Konzern-GuV einbezogen werden. Andererseits kann – bei Erwerb in der zweiten Jahreshälfte – von einer Einbeziehung auch komplett abgesehen werden. Dies gilt entsprechend auch für die aufgrund unterjähriger Veräußerung aus dem Konsolidierungskreis ausscheidenden unwesentlichen Tochterunternehmen. Für wesentliche Tochterunternehmen ist bei unterjähriger Entkonsolidierung statt der Aufstellung eines Zwischenabschlusses eine statistische Schätzung der auf den Konzern entfallenden Aufwendungen bzw. Erträge möglich.[469]

[467] Senger, in: MüKo-BilR, § 300 HGB Rn. 21.
[468] Hierzu sowie weiterführend zu den aufgrund handelsrechtlicher Bestimmungen bilanzierten Sonderposten Senger, in: MüKo-BilR, § 300 HGB Rn. 21.
[469] Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 300 HGB Rn. 14.

bb) Bilanzierungswahlrechte (Satz 2)

 

Tz. 330

Gem. § 300 Abs. 2 Satz 2 HGB dürfen nach dem Recht des Mutterunternehmens zulässige Bilanzierungswahlrechte im Konzernabschluss unabhängig von ihrer Ausübung in den Jahresabschlüssen der in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen ausgeübt werden. Somit ist weder die Ausübung von Wahlrechten im Einzelabschluss des Mutterunternehmens noch die die Ausübung von Wahlrechten in den Einzelabschlüssen der Tochterunternehmen maßgebend.[470]

 

Tz. 331

Die Neuausübung von Ermessensspielräumen ist nach einer im Schrifttum vertretenen Auffassung[471] unzulässig. Danach ist es etwa nicht möglich, im Einzelabschluss eine Rückstellung anzusetzen und im Konzernabschluss wegen einer abweichenden Ausübung des der Einschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit zugrunde liegenden Ermessensspielraums von einem Ansatz abzusehen. Ein Nichtansatz wäre in diesem Fall lediglich dann möglich, sofern bei der Aufstellung des Konzernabschlusses neue und bessere Erkenntnisse bezüglich des Eintretens des der Rückstellung zugrunde liegenden Sachverhalts bestehen würden.

Nach anderer Auffassung[472] ist die Bindung an Ermessensausübungen im Einzelabschluss hingegen oftmals nicht gegeben. So setzt die Ermessensausübung ein Bilanzierungssubjekt voraus, das nach seiner vertretbaren Einschätzung des Sachverhalts sowie seiner Interpretation der Rechtsvorschriften eine Entscheidung hinsichtlich der Bilanzierung zu treffen hat. Eine Bindung des Subjekts der Konzernbilanzierung an Einschätzungen und Interpretationen anderer Subjekte ist nicht möglich, sodass eine sachliche Differenzierung erforderlich ist:[473]

  • Betrifft die Ermessensentscheidung entweder einen beim Mutterunternehmen oder bei einem im Geschäftsführungsorgan personenidentischen Tochterunternehmen vorliegenden Sachverhalt, sodass die Subjekte der Einzel- und Konzernbilanzierung identisch sind, ist das Ermessen – dies gilt vorbehaltlich neuer Erkenntnisse – einheitlich auszuüben.
  • Betrifft die Ermessensentscheidung ein Tochterunternehmen, das in der Geschäftsleitung abweichend besetzt ist, so ist das Subjekt der Konzernbilanzierung nicht an die im Rahmen der Einzelbilanzierung getroffenen Entscheidungen gebunden.
[471] Förschle, in: BeckBilKo, § 300 HGB Rn. 51.
[472] Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 300 HGB Rn. 16.
[473] Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 300 HGB Rn. 16. Zur Diskussion, ob bei gleichen Sachverhalten Ansatz- und Bewertungswahlrechte zu einem Zeitpunkt im Konzernabschluss einheitlich und im Zeitablauf bei Auftreten neuer gleicher Sachverhalte stetig auszuüben sind, Senger, in: MüKo-BilR, § 300 HGB Rn. 26.

cc) Sonderregelungen für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen (Satz 3)

 

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