Tz. 628

Neben dem in der Praxis geläufigen Erwerb zu einem Preis oberhalb des Marktwerts und der damit einhergehenden Entstehung eines goodwill, ist es in Ausnahmefällen auch denkbar, dass ein Unternehmen einen Erwerb zu einem Preis unterhalb des Marktwerts tätigt und auf diese Weise ein negativer Unterschiedsbetrag entsteht (IFRS 3.34).

Der Standardsetzer geht davon aus, dass Unternehmenszusammenschlüsse mit negativem Unterschiedsbetrag die Ausnahme sind und vor allem in Sondersituationen – bspw. Erwerb unter Verkaufszwang (IFRS 3.35) – auftreten. Außerhalb dessen ist ein "Verkauf unter Wert" i. d. R. auszuschließen, da prinzipiell davon auszugehen ist, dass zwischen unabhängigen Vertragspartnern abgeschlossene Transaktionen unter marktüblichen Bedingungen stattfinden. Der praktische Anwendungsbereich eines negativen Unterschiedsbetrags gilt vor diesem Hintergrund als sehr eng.[841]

 

Tz. 629

Kommt es zur Entstehung eines negativen Unterschiedsbetrags, hat der Erwerber zunächst eine nochmalige Beurteilung vorzunehmen, ob tatsächlich alle erworbenen Vermögenswerte und übernommenen Schulden richtig identifiziert und bewertet wurden (IFRS 3.36). Insoweit ein negativer Unterschiedsbetrag trotz nochmaliger Beurteilung bestehen bleibt, hat der Erwerber den resultierenden Gewinn zum Erwerbszeitpunkt GuV-wirksam zu vereinnahmen (IFRS 3.34). Der Ausweis eines passivischen Ausgleichspostens ist ausgeschlossen.

 

BEISPIEL

Beispiel für die Beurteilung eines evtl. vorliegenden negativen Unterschiedsbetrags[842]

Die XY-AG erwirbt das Tochterunternehmen TU, dessen Nettovermögen einen beizulegenden Zeitwert i. H. v. 300 Mio. EUR aufweist. Beim Erwerbsobjekt TU besteht ein Prozessrisiko aufgrund in Asien getätigter Geschäfte, das den Ansatzkriterien des IAS 37 jedoch nicht gerecht wird. Mit Blick auf das bestehende Prozessrisiko wird ein Kaufpreisabschlag i. H. v. 120 Mio. EUR vereinbart. Der tatsächliche Erwerbspreis beträgt somit 180 Mio. EUR.

Wäre ein Ansatz des ungeschmälerten beizulegenden Zeitwerts des Nettovermögens i. H. v. 300 Mio. EUR vorzunehmen, würde sich ein negativer Unterschiedsbetrag i. H. v. 120 Mio. EUR ergeben, der im Erstkonsolidierungszeitpunkt vollständig GuV-wirksam zu vereinnahmen wäre. Die Sonderregelungen in IFRS 3.22 f. zum Ansatz von Eventualverbindlichkeiten im Rahmen der Erstkonsolidierung unterbinden im vorliegenden Fall jedoch die Entstehung eines negativen Unterschiedsbetrags. Der anzusetzende beizulegende Zeitwert des Erwerbsobjekts TU entspricht dem zu zahlenden Kaufpreis i. H. v. 180 Mio. EUR.

[841] Theile/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rn. 5712. Ausführlich zu Entstehung und bilanzieller Abbildung eines negativen Unterschiedsbetrags Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, IFRS, § 31 Rn. 141 f.
[842] In Anlehnung an Theile/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rn. 5713.

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