a) Die Konzeption der Erwerbsmethode

 

Tz. 342

Rechtlich kann ein Unternehmenserwerb als Erwerb einzelner Vermögensgegenstände (asset deal) oder als Anteilserwerb (share deal) ausgestaltet sein. Der Kaufpreis kann in beiden Varianten oberhalb des Buchwerts des zugehenden Vermögens liegen, was zur Aufdeckung von stillen Reserven und auch von goodwill führt. Im Zuge eines asset deal können die beim Veräußerer vorliegenden Buchwerte im Einzel- und Konzernabschluss des Erwerbers nicht fortgeführt werden. Ausschlaggebend für den Bilanzansatz beim Erwerber sind stattdessen die geleisteten Anschaffungskosten. Diese sind unter gleichzeitiger Aufdeckung von stillen Reserven auf die Vermögensgegenstände, Schulden und goodwill zu verteilen.[485]

Auch beim share deal, bei dem die Mehrheit der Anteile an einem Tochterunternehmen erworben wird, ist auf Konzernabschlussebene – in Übereinstimmung zur als Grundlage der Kapitalkonsolidierung geltenden Erwerbsmethode – entsprechend zu verfahren. So ist der zu beherrschende Einfluss führende Anteilserwerb im Sinne der sog. Einzelerwerbsfiktion als Erwerb der hinter den Anteilen stehenden Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten und Sonderposten des Tochterunternehmens zu verstehen.[486]

 

Tz. 343

Im Vergleich zum Einzelabschluss kommen bei der konzernbilanziellen Abbildung eines share deal verschiedene Besonderheiten zum Tragen:[487]

  • Statt der Anschaffungskosten ist auf den Beteiligungsbuchwert abzustellen, welcher sich von den Anschaffungskosten – so etwa im Falle einer Kontrollerlangung in mehreren Erwerbsschritten – unterscheiden kann.
  • Vermögensgegenstände und Schulden des Tochterunternehmens werden nicht nur entsprechend der Anteilsquote in den Konzernabschluss übernommen. Vielmehr ist der 100 %ige Erwerb zu fingieren. Durch einen Passivposten für "nicht beherrschende Anteile" vollzieht sich der Ausgleich zu den lediglich quotal entrichteten Anschaffungskosten.
  • Die Verteilung des Beteiligungsbuchwerts auf die Vermögensgegenstände und Schulden sowie auf einen ggf. vorhandenen goodwill ist entsprechend der Wertverhältnisse zum Erstkonsolidierungszeitpunkt vorzunehmen. Die Wertverhältnisse zum Erwerbszeitpunkt sind demnach nicht ausschlaggebend.
 

Tz. 344

Mit Blick auf die Erwerbsmethode ergeben sich in zeitlicher Abfolge für die Erstkonsolidierung die nachfolgenden Aufgaben:[488]

  • Zunächst ist die Bestimmung des Erstkonsolidierungsstichtags erforderlich. Dieser ist u. a. für die Abgrenzung alter – d. h. miterworbener – und neuer – d. h. selbst erwirtschafteter – Gewinne von Relevanz. So gehen die alten Gewinne in die Erstkonsolidierung ein, während die neuen Gewinne einen Bestandteil der GuV des Erwerbers darstellen.
  • Aufbauend auf den Anschaffungskosten des Erwerbs ist die Bestimmung des Beteiligungsbuchwerts vorzunehmen.
  • Im Hinblick auf die Kaufpreisallokation gilt Folgendes:

    • Die Bestimmung der beizulegenden Zeitwerte von Vermögensgegenständen und Schulden unter Aufdeckung stiller Reserven und Lasten ist erforderlich. Diese sind auch bei einer Beteiligung unterhalb von 100 % vollständig aufzudecken.
    • Die Ermittlung latenter Steuern ist erforderlich. Änderungen im Vergleich zum einzelbilanziellen Ansatz beim Erwerbsobjekt kommen bspw. durch Aufdeckung stiller Reserven und Lasten zustande.
    • Ein goodwill bzw. ein negativer Unterschiedsbetrag, der sich aus der Differenz von Beteiligungsbuchwert und Zeitwert (abzgl. latenter Steuern) ergibt, ist zu bestimmen. Während ein goodwill als Vermögensgegenstand anzusetzen ist, entsteht bei Vorliegen eines negativen Unterschiedsbetrags ein Passivposten, für dessen Auflösung spezifische Vorschriften zu berücksichtigen sind.
[485] Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 301 HGB Rn. 7.
[486] Scheffler, in: Petersen u. a., BilanzR, § 301 HGB Rn. 42.
[487] Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 301 HGB Rn. 9.
[488] Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 301 HGB Rn. 10.

b) Erstkonsolidierungszeitpunkt (Abs. 2)

aa) Zeitpunkt, zu dem das Unternehmen Tochterunternehmen geworden ist (Satz 1)

aa1) Allgemeines

 

Tz. 345

In Bezug auf zeitliche Aspekte steht bei der Kapitalkonsolidierung die Frage im Vordergrund, welcher Zeitpunkt für die im Zuge der Erstkonsolidierung zu verwendenden Wertansätze i. S. d. § 301 Abs. 1 HGB maßgebend ist. Hiervon betroffen sind

  • einerseits der Zeitpunkt für die durchzuführende Kapitalaufrechnung und
  • andererseits der Zeitpunkt für die Neubewertung der relevanten Wertgrößen.[489]

Nach den Bestimmungen des § 301 Abs. 2 Satz 1 HGB hat die Verrechnung auf Grundlage der Wertansätze zu dem Zeitpunkt zu erfolgen, zu dem das Unternehmen Tochterunternehmen geworden ist. Zur Bestimmung dieses Zeitpunkts sind folglich die Vorschriften gem. § 290 HGB, in denen die Abgrenzung eines Mutter-Tochter-Verhältnisses geregelt ist, einschlägig.

 

Tz. 346

Im Regelfall wird ein Unternehmen zu dem Zeitpunkt zum Tochterunternehmen, an dem der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen auf das Mutterunternehmen vollzogen ist. In manchen Fällen entsteht die nach § 290 HGB erforderliche Beherrschungsmöglichkeit über ein Tochterunternehmen auch ohne Anteilsbesitz oder zusätzlich zu einem Anteilsbesitz, der die Beherrschung bisher noch nicht zuläss...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Merkt, Rechnungslegung nach HGB und IFRS (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?


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