a) Gemeinsame Voraussetzungen der Einbeziehungswahlrechte

 

Tz. 167

Als Ausnahmen vom Gebot der Vollständigkeit des Konsolidierungskreises sind die in der Norm beschriebenen Einbeziehungswahlrechte eng auszulegen. Sie sind abschließend und nicht analogiefähig.[276]

 

Tz. 168

Zwar sind die Einbeziehungswahlrechte an jedem Abschlussstichtag neu zu prüfen. Gleichwohl ist das in § 297 Abs. 3 Satz 2 und 3 HGB kodifizierte Stetigkeitsgebot zu beachten. Die Einbeziehungswahlrechte sind daher grundsätzlich unverändert beizubehalten, es sei denn eine geänderte Ausübung verbessert die Aussagekraft des Konzernabschlusses oder die Auswirkungen der Änderung sind unwesentlich.[277]

 

Tz. 169

Die Einbeziehungswahlrechte gelten unabhängig davon, ob die Konsolidierung auf § 290 Abs. 2 Nr 1 bis 4 HGB oder auf § 290 Abs. 1 HGB beruht.[278]

[276] Kindler, in: GroßKo-HGB, § 296 HGB Rn. 1.
[277] DRS 19.80.
[278] Kindler, in: GroßKo-HGB, § 296 HGB Rn. 3.

b) Einbeziehungswahlrecht bei Beschränkungen in der Ausübung von Rechten

aa) Tatsächliche oder rechtliche Beschränkung der Rechte

 

Tz. 170

Nach Abs. 1 Nr. 1 kann eine Einbeziehung unterbleiben, wenn erhebliche und andauernde Beschränkungen die Ausübung der Rechte des Mutterunternehmens in Bezug auf das Vermögen oder die Geschäftsführung des Tochterunternehmens nachhaltig beeinträchtigen. In der Praxis ist dieses Wahlrecht insbesondere bei einer Konsolidierung nach § 290 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 HGB relevant, da es dort nach dem Wortlaut der Konsolidierungsvoraussetzung auf das Bestehen von bestimmten Rechten ankommt.

Die Beschränkungen können tatsächlicher Natur sein, wie z. B.

  • politische, wirtschaftliche oder finanzielle Beschränkungen,
  • fehlende Möglichkeit der Informationsbeschaffung aufgrund Veräußerung der Beteiligung (vgl. Tz. 178).

Sie können auch auf rechtlicher Grundlage beruhen, wie z. B.

  • Entherrschungsverträge (vgl. Tz. 174),
  • Mehrheits-/Einstimmigkeitserfordernisse in Gesellschaftsverträgen (vgl. Tz. 175),
  • staatlichen Zwangsmaßnahmen (vgl. Tz. 176),
  • Insolvenz-/Liquidation des Tochterunternehmens (vgl. Tz. 177).

In allen Fällen müssen die Beschränkungen der Ausübung tatsächlich entgegenstehen. Die bloße Möglichkeit einer Beschränkung oder die freiwillige Nichtausübung von Rechten ist für Abs. 1 Nr. 1 nicht ausreichend.[279]

[279] DRS 19.82; Senger/Hoehne, in: MüKo-BilR, § 296 HGB Rn. 16.

bb) Erheblichkeit in Bezug auf Vermögen oder Geschäftsführung des Tochterunternehmens

 

Tz. 171

Die Beschränkung muss erheblich sein. Dies ist gegeben, wenn die mit dem beherrschenden Einfluss verbundene Möglichkeit, das Tochterunternehmen im Sinne der Konzernpolitik zu führen, nicht länger gegeben ist.[280] Die Beschränkung kann sich auf Vermögensrechte oder die Geschäftsführungsbefugnisse beziehen.

Trotz des Wortlauts von Abs. 1 Nr. 1 reicht es aus, dass sich die Beschränkung auf wesentliche Teile des Vermögens bezieht. Gemeint sind dabei sowohl Verfügungsbeschränkungen als auch Beschränkungen im Hinblick auf die Nutzenziehung.[281] Sofern nur einzelne Wirtschaftsgüter (wie z. B. bei einer Sicherungsübereignung) betroffen sind, ist dies grds. nicht ausreichend.[282] Etwas anderes kann gelten, wenn z. B. eine Zweckgesellschaft lediglich einen einzelnen Vermögensgegenstand hält.

Erhebliche Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnisse liegen vor, wenn wesentliche Entscheidungen nicht durchgesetzt oder von verhindert/zurückgenommen werden können.[283]

[280] Vgl. Winkeljohann/Deubert, in: BeckBilKo, § 296 HGB Rn. 7.
[281] DRS 19.83.
[282] DRS 19.83.
[283] DRS 19.82.

cc) Nachhaltigkeit der Beschränkung

 

Tz. 172

Der Begriff der Nachhaltigkeit ist nicht im Sinne einer Mindestdauer zu verstehen. Es sollen vielmehr zufällige oder bloß vorübergehende Beschränkungen von Rechten ausgeschlossen werden. Es muss in jedem Einzelfall entsprechend der Aktivitäten des Tochterunternehmens zukunftsgerichtet (z. B. unter Berücksichtigung von Fristabläufen, Restlaufzeiten) entschieden werden, ob ein beherrschender Einfluss auf Dauer nicht mehr ausgeübt werden kann.[284]

[284] DRS 19.84; Senger/Hoehne, in: MüKo-BilR, § 296 HGB Rn. 19.

dd) Zeitliche Aspekte

 

Tz. 173

Die Beschränkungen müssen während des gesamten Konzerngeschäftsjahres bestanden haben. Entfallen ab dem Konzernabschlussstichtag als nachhaltig angesehene Beschränkungen während der Aufstellung des Konzernabschlusses, führt dies als wertbegründendes Ereignis nicht zu einer rückwirkenden Versagung des Einbeziehungswahlrechts.[285]

[285] DRS 19.84.

ee) Mögliche Fallgruppen

 

Tz. 174

Entherrschungsverträge können je nach Ausgestaltung ein Anwendungsfall des Abs. 1 Nr. 1 sein.[286] Nach anderer Auffassung (vgl. Tz. 19) stehen sie einer Konsolidierung nach § 290 HGB a priori entgegen. Beispiel: Bei einer AG als Tochterunternehmen verpflichtet sich der Mehrheitsaktionär (Mutterunternehmen) gegenüber dem Tochterunternehmen, seine Stimmrechte für die Wahl und Abberufung des Aufsichtsrats sowie bei allen Hauptversammlungsbeschlüssen, die wesentliche Angelegenheiten der Geschäftsführung betreffen, auf weniger als die Hälfte der in der Hauptversammlung vertretenen Stimmrechte zu begrenzen ("Minus-Eins-Regel").[287]

Zudem können Beherrschungsverträge (zum Begriff vgl. Tz. 24) mit einem übergeordneten Mutterunternehmen einer Einbeziehung in den Konzernabschluss des zwischengeschalteten Mutterunternehmens (bei Teilkonzernabschlüssen) entgegenstehen.[28...

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